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Ich winke dir zu. Mut (1)

Du bist viel älter. Erfahrener. Als ich.
Aber noch lange nicht betagt.
Bereit.
Zum Sterben. Oder doch?

Das Laufen hast du mir schmackhaft gemacht.
Zu einer Zeit, als ich jedem viel zu langsam war.
Du warst es, der mit mir gelaufen ist.
Der erste und einzige, der mit mir mehr als einen halben Marathon laufen konnte.
Wollte.
Die Geduld hatte.
Sich an mein Tempo angepasst hat.

Du bist viel älter. Und doch zu jung.
Du warst es, der die Küche geschmissen hat.
Zuhause. Für deine GoldenGirls.
Auf Freizeit. Für fast 80 Kerle und Mädels.
Du warst echt. Bist echt.
Hast gelacht, wenn dir danach war.
Hast die Stirn gekräuselt, wenn Erschöpfung kam.
Aber überwiegend
hast du gelacht. Gelächelt. Gegrinst. Freude am Leben.

Freude im Leben hast du auch jetzt.
Oder?
So scheint es.

Du sitzt in deinem riesigen Gefährt.
Dem metallischen Gerät mit großen Rädern.
Es macht mir Angst.
Das hättest du vor drei Jahren noch nicht gedacht.
Dieses Fahrzeug, das dich fährt.
Es gehörte nicht dazu.
Nicht zum Leben. Nicht zu deinem.
Du bist Marathons gelaufen.

Musstest deine Selbstbestimmung abgeben.
Selbst. Bestimmung.
Stimme.
Sie kam dir als erstes abhanden.
Wurde schwerer.
Gebrochen.

Du bist viel älter. Aber zum Sterben bereit?
Als ich dich sah
ich wusste es nicht.
Bist du bereit?
Du hast gelacht. Trotz verzerrter Gesichtszüge.
Du hast uns angelacht.
Dich gefreut uns nach so langer Zeit noch einmal zu sehen?

Du bist ein bisschen älter.
Wir werden uns wiedersehen.
Ich weiß es.
Ich glaub es.
Ich freu mich.
Dann werde ich dir Fragen stellen.
Dich fragen, wie das Bier aus der Spritze geschmeckt hat.
War es erfrischend? war es gut?
Hast du die Kerle gesehen?
Dich erinnert an unseren Lauf?
Den einen. Den langen?

Mein Herz erstarrt. Ist eingeklemmt.
Erinnerungen.
Traurigkeit.
Hoffnung, dass es nicht das Ende ist.
Wir werden uns wiedersehen.
Ich glaube fest daran.
Ich winke dir zu, umarme dich.
Entschuldige, dass ich mich das nicht getraut habe.
Mir fehlte der Mut.

Jetzt schicke ich dir diesen Gruß.
Denke fest an dich und befürchte, dass es bald zu Ende geht.
Aber du wartest nicht.
Du nimmst das Leben. Nahmst es an.
Und das werde ich fortan.
So wie es kommt. Wie Gott es gibt.
Ich brauch nur den Gedanken an dich.
Mein Denken an Phieby,
Und ein bisschen Mut.
Für das, was kommt.

Ich winke dir zu. Bis bald.

(Ich kann nicht schreiben, wie so manch eine/r von euch. Texte, die unter die Haut gehen, literarisch aufeinander abgestimmt sind. Dieser Text soll das auch gar nicht sein. Er schwebt mir nur einfach schon seit Wochen durch den Kopf. Diesen AbschiedsGruß zu verfassen. Ihn auf eine Karte zu schreiben und an diesen Freund zu schicken. Ich weiß nicht, ob er rechtzeitig ankommt. Daher habe ich die Gelegenheit genutzt, ihn in die Welt zu schrei(b)en.) 

5 Gedanken zu „Ich winke dir zu. Mut (1)“

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