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Minimalismus als Familie? Warum?

Ich hatte eine sehr coole Kindheit, die ich vor allem meiner Mutter zu verdanken habe. Sie hat die Nachmittage damit verbracht mit uns die Welt zu entdecken. Sei es durchs Drachensteigen lassen, das Voltigieren, gemeinsames Basteln, gemeinsames Spielen oder Fernsehen, Puppentheater oder was auch immer. Jetzt im Herbst merke ich, wie sehr ich davon profitiert habe. Wie vieles ich von damals wiederhole, weil es mir gut getan hat. Ergänzt durch eine Reihe von Dingen, die ich sowieso schon immer mal ausprobieren wollte, haben wir gerade jede Menge Spaß. (Trotz der regelmäßigen kleinen FamilienKämpfe.)

Herbstliches Familienleben

Wenn der Herbst kommt, beginnt hier wieder das große Sammeln. Wir suchen Kastanien, Blätter und andere Dinge, die diese Jahreszeit hergibt. Dann wird getrocknet und verarbeitet. Minimalistisch ist das nicht. Richtig. Hier türmen sich gerade überall Berge an Kastanien und Bastelideen, so dass ich mich frage, was hieran ist denn nun minimalistisch? IMG_8446

Das Sammeln mit Sicherheit nicht. Die Ideen dahinter oder vielmehr die Menge an Ideen auch nicht.

Minimalismus als Familie

Minimalismus bedeutet doch in erster Linie weniger Besitz „haben“. Richtig. Für mich bedeutet es aber auch Entschleunigung und vor allem, das kommt noch dazu, den Blick wieder auf das Wesentliche zu justieren.

Ich weiß nicht, warum wir heute, in unserer Gesellschaft zu unserer Zeit so viele Probleme damit haben, diese Zeit gesund und angemessen zu verwalten?! Ich weiß es nicht. Ich verstehe es nicht und tappe selber regelmäßig in diese Spirale ohne Aus-Knopf. Denn den gibt es da scheinbar nicht, bis ich durch irgendein meine Welt erschütterndes Erlebnis herausgerissen werde.

Was ich heute tat

Ich habe mich durch zig Kisten und Papierstapel, verteilt im ganzen Haus, gewühlt. Ich habe sortiert, weggeworfen und neu abgelegt. Aktuell befinden sich überall noch kleine Stapel, aber die werde ich hoffentlich im morgigen Verlauf des Tages „entsorgen“, so dass wir wieder viel Platz haben. Überblick. Und Freiheit. FreiSein für all die kreativen Ideen, die gerade in meinem Kopf explodieren und zu deren Umsetzung ich nicht komme. Ich komme einfach nicht dazu, dieses bunte Feuerwerk Realität werden zu lassen. Dabei ist es genau das, weshalb ich unter anderem mit dem Reduzieren begonnen habe und warum mir mein persönlicher Minimalismus gefällt.

BewusstSeins-Änderung

Insbesondere die Kommentare zu meinem Beitrag, in dem es um diese vielen Interessen und den Drang Dinge zu machen ging, haben mich nachdenklich gemacht. In den vergangenen Tagen habe ich plötzlich bemerkt, dass sich mein Verhalten an vielen Stellen verändert hat. Und das gar nicht mal so bewusst. Vielmehr beim Erleben, Nachdenken und Entscheiden.

Was davon bleibt, vermag ich momentan nicht zu sagen. Doch welche Essenzen mir durch den Kopf gehen, mag ich euch nicht vorenthalten:

  1. Einfach machen. Es hat mich die letzten Jahre viel Kraft gekostet, Dinge, die mich interessiert haben, einfach auch zu machen und nicht auf DEN Moment zu warten. Sei es das Lesen eines bestimmten Buches, das Schreiben eines speziellen Artikels, das Fliegen in einem Windkanal (ich weiß, mein ökologischer Fußabdruck ist für meine nächsten 70 Leben gesättigt) oder eine DiY-Idee…
  2. Projekte zuende bringen. Egal was. Fensterbilder. Die Sache mit dem Haus hier. Einen Schlussstrich ziehen und Projekte beenden ist wichtig, um nicht 100 Dinge gleichzeitig zu machen und sich zu verlieren.
  3. Alltag am Laufen halten. Und zwar so, dass es den Kerlen und mir gut dabei geht. Das bedeutet zum einen, nicht zu viele Termine reinzupacken, sondern ganz bewusst auch Frei(spiel)Zeiten als Familie zu bedenken, gemeinsame Mahlzeiten wirklich in Ruhe wahrzunehmen, zu toben, zu kuscheln, was auch immer. Zum anderen auch, dass der Haushalt chaotisch sein darf. Es muss nicht alles perfekt aufgeräumt sein. Oder sauber. Oder entstaubt. Wir leben hier. Und das Reduzieren hat uns schon genügend Arbeit abgenommen und Raum zurückgeschenkt. Alles gut! Der Alltag muss nur laufen.
  4. Freundlich zu mir sein. Denn als ich damit begann, … – dazu an anderer Stelle mehr.

Und warum als Familie?

Diese vier KernGedanken sind praktische Herangehensweisen meinerseits. Was wir davon haben, ist dasselbe, was ein Einzelner davon hat: mehr. Und damit nicht genug. Ich erlebe, wie gut es meinen Kindern tut, dass ich entspannter werde, wir Zeit, Raum und Überblick zurückerobert haben. Mit und durch Minimalismus. Darum Minimalismus als Familie.

Wie seht ihr das?

 

17 Gedanken zu „Minimalismus als Familie? Warum?“

  1. „Alltag am Laufen halten. Und zwar so, dass es den Kerlen und mir gut dabei geht. […] Zum anderen auch, dass der Haushalt chaotisch sein darf. Es muss nicht alles perfekt aufgeräumt sein. Oder sauber. Oder entstaubt. Wir leben hier.“

    Ich denke das ist ein ganz wichtiger Punkt.
    Mir fällt es super leicht was zu verschieben oder sein zu lassen, wenn es gerade zu viel wird. Meine Bessere Hälfte hat da bei diesen Verschiebereien aber eine andere Prioritätensetzung, was dann und wann zum einen oder anderen Problem führt.

    Ich glaube an der Stelle ist (so jedenfalls bei uns) ein minimalistischer Ansatz schon deswegen sinnvoll, weil man überhaupt erst erkennt, was einem wichtig ist und in welchem Maß man das dann umsetzen möchte und kann.

    Insoweit sieht das bei mir genau so aus, mit einem deutlichen Fokus auf Punkt 3 :D

    [Und Punkt 1 wird ergänzt um „Einfach mal sein lassen“ – Das ist aber eher persönliche Präferenz und Herausforderung. Deinen halte ich durchaus für verallgemeinerbar.]

    1. Die Ergänzung ist gut. Hab ich mit unserer Küche auch so gemacht. Und gestern haben wir den Haushalt liegen lassen und Quittenpaste gemacht. Was für ein Segen und Glück!! :D

  2. Hallo, liebe denkende Mama :-)
    (hab deinen Namen nicht gefunden)
    deine vier Punkte schreibe ich mir ganz dick hinter die Ohren. Ich verliere mich nämlich auch gedanklich in all meinen Facetten und kriege dann außer einem reibungslosen Alltag nichts für mich gebacken. Ständig will ich noch dieses und jenes „angehen“, davor muss ich aber noch… bla, bla, bla. Und dann läuft immer alles und ich bleibe auf der Strecke.

    Danke für diese vier Punkte, die haben echt meinen Gedankenwust etwas in Ordnung gebracht!!

    Und deswegen müssen die Kinder heute nochmal ihre ungeliebte H-Milch trinken und ich gehe erst morgen einkaufen. Und ich werde nähen, und zwar, siehe Punkt zwei: etwas zu Ende nähen und nix Neues anfangen ;-)

    Schönen Tach noch!

    Stefanie

    1. Du auch? Ich auch!! Mit Edding hab ich sie mir hinter die Ohren geschrieben.

      Genau sowas meine ich. Das mit der H-Milch und dem Einkaufen und überhaupt. Wie schön, dass meine Gedanken auf Mitwisser gestoßen sind. Hach, das erleichtert mich. Ich dachte schon, das wäre wieder viel zu durcheinander geschrieben… ;)
      Ist es fertig geworden? Das alte NähProjekt?

  3. Liebe Rage, wunderbar und wunderschön beschrieben. Minimalismus ist nicht um seiner selbst Willen da. Einfach Leben – mit allem, was manchmal schräg, schief und schwierig, aber auch kreativ, bunt und so endlos lebendig ist. Schön, dass es Familien, wie die eure gibt.

  4. Liebe Rage,
    das kleine Nähprojekt ist ein gutes Stück weitergekommen (Schlafi-Hose für Töchterchen) und ich bin ganz zufrieden eingeschlafen gestern.
    Und am Wochenende werden keine Listen über Aufräumaktionen geschrieben, sondern siehe Punkt 1: Es wird einfach gemacht, das Aufräumen und Reduzieren der Kinderzimmer. Und dazwischen wird (fertig)genäht – wir haben nämlich Ferien und da ist alles entspannter.
    Ja, ich glaube, ich verstehe sehr gut, was du meinst :-) Ich finde mich in vielen deiner Posts wieder.

    ein schönes Wochenende!

    Stefanie

  5. Liebe Rage, ….
    du bist nicht allein!!! Zur Zeit lese ich deinen Blog am liebsten er berührt mich oft und lässt mich nachdenken und reflektieren…vielleicht weil wir in einer ähnlichen Lebenssituatione stecken ….ich wollte schon deinen“vielseitige Intetessen“ Artikel kommentieren…aber gerade geht nicht viel außer Patchworkfamilien Orga Zahnendes Kleinkind KitaStress Rückbildung Alltag bewältigen ;) Mein Zusatz Schwerpunktprojekt (neben Mal was gönnen können) Gardinen selbst kürzen und erstellen aus Alten für das neue Heim…

      1. Das hört sich auch nach jeder Menge an. Wir haben die letzte Woche einfach alles stehen und liegen lassen und sind abgehauen. Auf eine Freizeit mit ein paar anderen Familien. Das war sooo unglaublich gut. Ich habe auch nicht in der Küche mitgewirkt, musste mich wirklich nur um meine Kids sorgen. Gut, das war mitunter auch stressig. Aber ich habe nicht mitspülen müssen und all diesen Orgakram mal hinter mir gelassen.
        Zuhause ist es schön. Aber dieses „Stehenlassen“ – das tat mal ganz gut!
        Zurückgekehrt merke ich aber auch, wie sehr ich die Übersicht bei uns hier genieße. Damit gehe ich nicht vollends in unserem Alltag unter. Keiner von uns. Sehr gut.

  6. Entschleunigung ist für mich auch ein wichtiger Faktor beim Minimalismus mit Familie, den Kindern einfach mal (Frei-)Raum zu schaffen, damit sie ihre eigenen Ideen und Fantasien entwickeln können, auch wenn das manchmal heißt, dass sie sich langweilen (hält ja nie lange an). Und der zweite wichtige Punkt, den Du ja auch genannt hast: Mama und Papa sollten auch entspannt sein (dürfen).

  7. Hast Du vlt. irgendwo schon mal drüber geschrieben, ob Du und Dein Partner Euch in all diesen Entscheidungen einig sind? Ich frage, weil ich oft hier das Gefühl hab, gegen Wände zu sprechen. Und es schwierig finde, wenn ich mich ans ausmisten, minimalisieren und co. mache und der Mann nicht mitzieht. Aktuelles Beispiel ist der KÜhl-/Vorratsschrank. Ich versuche alles aufzubrauchen und verwende eh kaum tierische Produkte. Wenn ich den Kühlschrank aufmache, ist er voll mit Sachen mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum und der vorratssschrank sieht nicht besser aus. Manchmal schlage ich nur die Hände überm Kopf zusammen…

    1. Das würde mich auch sehr interessieren, ob ihr alles gemeinsam etscheidet / euch einig seid / der Minimalismus in eurem Leben eine bewusste gemeinsame Entscheidung war. Ich rede zuhause leider auch oft gegen Wände bzw. mein Mann versteht nicht, warum ich unseren Besutz reduziere und reduzieren möchte. Das macht das Zusammenleben manchmal nicht einfach…
      Er lässt mich zwar viel einfach wirken aber er steht nicht mit dahinter, unterstützt mich in dieser Hinsicht nicht und handelt schon gar nicht (bewusst) danach….

      Ich finde es toll, dass ihr es als Familie schafft so zu leben, wie ihr es tut (auch wenn es manchmal bestimmt „unbequem“ ist anders zu leben „als die breite Masse“). Keinen Fernseher zu besitzen… könnte ich mir aktuell nicht vorstellen aber ich spiele seit einiger Zeit mit dem Gedanken den kaum genutzten Fernseher aus dem Schlafzimmer zu verbannen (zusammen mit dem eigens für den TV angeschafften Schrank^^), doch von der Idee ist mein Mann alles andere als begeistert („der Fernseher steht doch gut da; warum soll der Weg; was soll denn anstelle dort hin“… )

      1. Liebe Anna,

        danke für all deine Kommentar. Schön dass du dich wiederfindest. Hier startet in der Regel alles als Experiment, damit wir nicht in die Situation kommen uns gegenseitig oder gemeinsam unter Druck zu setzen.
        Wie beim Zucker auch das Fernseher. Ich kann mir hingegen gar nicht mehr vorstellen, hier so ein Gerät aufzustellen. Ich wüsste nicht wohin. Er sähe einfach nicht nett aus. ;)

    2. Liebe Melanie,

      entschuldige die ausstehende Antwort. Ich habe den Hinweis auf deinen Kommentar noch im Postfach gehabt und schwupps, war schon das neue Jahr. Ist das neue Jahr. Wumms.

      Mein Partner und ich. Wir haben einfach das Glück, ein ähnliches Lebensgefühl entwickelt zu haben. Daher ziehen wir in der Regel am gleichen Strang. Natürlich kommt es vor, dass wir uneins sind. Wo ist das nicht der Fall?!!? Die Frage ist doch, wie gehen wir damit um?

      Beispiel: Bastelkram. Ich bin gerne kreativ. Ich brauch das ganz unbedingt. Mit und ohne Kinder. Wir haben gemerkt, dass es Sinnmacht alles an einem Ort zu verwalten. Also habenw ir einen Kreativschrank im Wohnzimmer stehen, obwohl er gar nichts damit am Hut hat und er lässt mich auch an der Stelle „sammeln“, weil er merkt, ich regel das mit dem Aufbrauchen ganz gut für mich. Genauso ist es bei ihm so, dass er immer wieder Dinge ersteht, die ich einfach gar nicht gekauft hätte. Eine Zeitschrift übers Laufen, Essen, ein neues Hörbuch… ein Puzzle. Jedesmal mit dem Finger darauf zu zeigen, würde uns vermutlich viel Streit einbringen. So versuchen wir beide mit dem „Sammlertum“ des anderen klarzukommen, achten aber auch beide darauf, dass es für den anderen nicht zu anstrengend zu „ertragen“ ist. Aber grundsätzlich haben wir eben diese sehr ähnliche Sicht auf Konsum und Besitz.

      Ich kann daher nichts dazu sagen, sollte der andere so gar nicht mitmachen können/wollen.

  8. Sehr interessante Ansichten! Ich bin immer sehr froh, wenn ich neue Perspektiven kennen lerne. An sich bin ich mit dem Konzept „Minimalismus“ vertraut. Und daher finde ich es sehr interessant und spannend, wie Minimalismus gelebt aussieht. Dieser Beitrag offenbart dem Leser ein tiefen Blick. An dieser Stelle vielen Dank dafür! Ehrlich gesagt, war ich diesem Prinzip sehr kritisch eingestellt. Doch mittlerweile finde ich einige Ansätze sehr interessant. Auf jeden Fall wurde ich zum Nachdenken angeregt.

    Und mir ist aufgefallen, dass ich dieses sture Weise alles zu besitzen wollen auch nicht gut heiße. Im Leben kommt es viel mehr als nur auf den Besitz von irgendwas an. Es sind die Momente, die Erinnerungen, die Gefühle… all das prägt unser Leben. Die Momente mit der Familie. Ich werde nie vergessen, wie schön es ist, wenn wir Sonntags alles zusammen musizieren. Ich am Piano (wobei ich am überlegen bin, mir dieses Modell Yamaha ydp-163 zu holen) und die Kinder an der Flöte oder singen. Mein Mann an der Rassel. Es macht einfach super viel Spaß und es verbindet. Ist das nicht viel mehr wert als irgendein Auto?

    Viele Fragen, viele Möglichkeiten, viele Inspirationen…

    In diesem Sinne: weiterhin alles gute!

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