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Schatten. Mut (2)

Seit Anfang des Jahres gehören diese beiden Worte für mich zusammen. Sie gehören zusammen und ich habe noch nicht wirklich herausbekommen, in was für einer Beziehung sie zueinander stehen.

Als ich gestern die #Mutmachparade von Johannes Korten im Netz entdeckte, schwirrten mir diese beiden Begriffe gleich wieder im Kopf herum. Mir kam der Gedanke an einen Bekannten, zu dem wir schon lange keinen Kontakt mehr haben, der schwer erkrankt ist und darauf wartet Heim zu gehen. (Wobei ich mir bei letzterem gar nicht so sicher bin. Er scheint bereit, aber jede Sekunde, gefangen in seinem Körper, dennoch zu genießen.) Der ist mutig.

Dann kam der Gedanke an unseren Sommer. Das Ausziehen in die Welt mit Kind und Kegel. Die Reaktionen unseres Umfeldes auf diese Idee. Es geht nur um vier Monate. Einen verlängerten Sommer. Dann sind wir wieder da. Dennoch. Einige raten uns ab. Viele machen uns Mut. Und da ist er wieder. Dieser Mut.
Wir kündigten unsere Wohnung für dieses Projekt und haben einige Zeit kein Dach über dem Kopf. Noch nicht einmal die Aussicht. Aktuell könnte es sein, dass wir ein ganz und gar „nicht-reduziertes“ Domizil übernehmen werden. Aber, ach, reduzieren kennen wir ja.

Wenn ich erlebe, wie Menschen dazwischen gehen, eine Frau beschützen, die derbe von ein paar Halbstarken belästigt wird. Feuerwehrmänner über Gartenzäune springen, weil die Sirene des Nachbarortes erschallt. Meine Freundin in der Notfallambulanz Menschen das Leben rettet oder ihnen ein Bein verbindet. Das ist mutig.

… Dann geht mir ein Schauer über den Rücken und ich freu mich. Mut macht glücklich. Mich in der Regel. Ich möchte auch mutig sein. Dabei bin ich so darauf bedacht, meine Familie zu beschützen und mich eher „unscheinbar“ zu verhalten. Aber wenn es dann an meine Grundüberzeugungen geht, und an die geht es ständig, seitdem ich „meins!“ zu meinem Leben gemacht habe, gerate ich doch ins Visier. (Wie eine Löwin komme ich mir manchmal vor. Am liebsten würde ich mir meine Kinder im Genick schnappen und dem HyänenRest nur mein wackelndes Hinterteil zuwenden, während ich mich in der Savanne unter meinen Baum zurückbegebe…)

Mir treten die Tränen in die Augen, wenn ich Kinder an der Bushaltestelle, an der mein Bus vorbeifährt, sehe, die von anderen getreten oder bespuckt werden. Ich müsste dann den NothalteKnopf drücken, rausstürmen und für de Schwächeren in die Bresche springen. Denke ich. Oder nicht? Wäre das Mut? Es wäre verrückt, würde ein VerkehrsChaos initiieren, eine GeldStrafe mit sich bringen. Und der Junge an der Haltestelle? Hätte ich Mut bewiesen?

Dann hat ein Freund von uns keinen Mut mehr. Angst und Mutlosigkeit legen sich über ihn, wie ein Schatten. Ein Schatten, der von außen nur schwer zu durchdringen und noch nichtmal anzuheben ist. Das Leben macht ihm Angst. Diese Angst ist noch größer als die Angst vorm Sterben. Geht das? Kann das sein?
Ja. Er schreibt es. Lässt es an die ihn Liebenden zurück, um sich zu erklären. Denn er geht. Er hat den Mut zu gehen, weil ihm die Kraft fehlt diesen Schatten, der sich auf ihn gelegt hat, aufzudecken. Der Mut das Leben zu nehmen, wie es ist, fehlte ihm. Ist das so? Kann das sein? Ich weiß es nicht. In meinen Ohren klingt es schlüssig.

Was ist Mut nun für mich? Das Leben nehmen wie es ist und losgehen. Es gestalten. Im Kleinen. Im Großen. Ja, das passt irgendwie. Mutig ist, sich einzusetzen. Selbst wenn der eigene Nutzen mal nicht größer sein wird als die Kosten.

Wenn ich die Eltern der anderen Kinder sehe, dann bin ich immer schrecklich mutlos. Fühle mich klein, oft unfähig und nicht selten unter Beobachtung.
Ich kann dann einfach nicht mutig sein. Geht es mir oft durch den Kopf.

Meine Devise – um den Mut zu einem Teil meines Lebens zu machen –
* das Leben anzulachen und (leicht) zu nehmen. (Vieles geht viel besser von der Hand.)
* das Leben zuzulassen, auch in seiner Schwere.
* mir Menschen zu suchen, die mir Mut machen (Nicht zu allem möglichen Kokolores. Aber zu dem, was mein Herz zum Klingen bringt.) und mit diesen Menschen gemeinsam durchs Leben zu gehen. Ganz bewusst.

Bisher klappt das ziemlich gut. Ich wachse über mich hinaus. Meine letzte FahrradChallenge hieß: „Grüße jedem laut zu.“ – Auch wenn er dir Angst macht, dich mürrisch anstarrt, dir unsympathisch ist, keine Reaktion kommt. Mut im Kleinen. Auf dem Weg zum Superheld.

Wahre Helden sind für mich dabei mehr und mehr die Menschen, die einfach mal gegen den Strom schwimmen. Die einfach mal machen und sich trauen. Ihre Erfahrungen teilen. Anderen Mut machen. Andere zu mutigen Superhelden machen.
Während ich hier noch tippe, ackert die eine auf ihrem Feld, um im Hofladen Obst und Gemüse mit BioQualität an die Dorfbewohner zu verkaufen. Andere Menschen gründen neue Startups, weil ihre Herzen für Ideen brennen, die die Welt – auch morgen – ein bisschen lebenswerter machen. Mut ist so viel. So voll. So unterschiedlich.
Kinder. Kinder sind mutig. Wenn ich mir durch den Kopf gehen lasse, was für einen Mut wir denen zumuten, die uns das Wichtigste bedeuten…

Mut kann Schatten vertreiben. Ihn heller machen als er ist.

Wie ist das bei euch? Was ist Mut? Wen findest du außerordentlich mutig? Martin Luther King? Jeanne d’Arc? Ghandi? Frau Dingens? Den Nachbarn von nebenan? Menschen, die sich wählen lassen? Wozu auch immer?

10 Gedanken zu „Schatten. Mut (2)“

  1. Ich hab gestern viel Mut aufgebracht und einen Aufkleber bestellt. Bei campact.de
    Nächste Woche am Jahrestag von Edward Snowdens Enthüllungen kleben ganz viele Menschen einen Aufkleber an ihren Briefkasten, dass sie ein Bett für Edward Snowden frei haben. Ich finde die Idee klasse und habe das Gefühl, dass ich mich öffentlich für ihn und seinen Mut aussprechen möchte. Er war so mutig und mich hat es soviel Mut gekostet diesen Aufkleber zu bestellen. :-) Egal. Ich mach mit und bin dabei! Das zählt.

    1. What?!? Und ich weiß nichts davon? Ich auch! Ich will da auch mitmachen. Wenn ich doch nur meinen eigenen Briefkasten hätte… Ich lass mir was einfallen.
      Aber, Möhre: Du bist sehr mutig! Das ist ein echtes Statement!!

  2. Nun ob Mut glücklich macht, weiß ich nicht immer. Aber haben zu wollen was man hat ist immer der Weg zum Glück. Unglück ist daher das zu wollen was man eben nicht haben kann.
    Aber zu Ideen die du Leben willst solltest du den Zweiflern nicht dein Ohr schenken. Thoreau sagte mal so schön „Wenn jemand in dein Leben tritt und nur dein bestes will, dann laufe um dein Leben“ Denn er hatte ja auch schon zuvor so schön festgestellt „Die meisten Menschen leben ein Leben in stiller Verzweiflung“
    Und genau deswegen macht ihn alles Angst was nicht in ihr Weltbild passt.
    Und Helden sind Menschen die in einer gefährlichen Situation, schnell wieder handeln können. Damit wäre Mut eben in einer Angst handlungsfähig zu bleiben.
    Schatten den kenne ich gut. Denn oft sage ich wenn ich keinen Grund mehr habe aufzustehen, dann gehe ich lieber. Aber es erscheint so das ich noch immer voll der Gründe bin.
    Ich merke gerade ich sabble in eine Tüte, sortieren darfst du diesmal selber :)
    Abschliessend ein Zitat meines liebsten POP Poeten Casper aus „Unzerbrechlich“ „Jeder Mensch ist Kunst, vom Leben gezeichnet“ Ich denke das erklärt Mutige wie Einsame oder eben Bedenkenträger und Verzweifelte.

    1. Ich muss gerade viel über glücklich sein und inneren Frieden nachdenken. Klar, manchmal ist man mutig, hat aber jede Menge Leid zu ertragen. Glücklich passt in dem Moment nicht. Dann trifft es vielleicht eher der innere Frieden.
      Dennoch: Zu tun, was einen antreibt – aus tiefstem Herzen heraus – erscheint mir häufig sehr mutig. Im Kleinen, wie im Großen.
      „Denn oft sage ich wenn ich keinen Grund mehr habe aufzustehen, dann gehe ich lieber.“ – Das ist ein tiefer Satz.

  3. sehr schöne Gedanke, die viel in mir zum Klingen bringen!
    Wie du weißt, beschäftige ich mich gerade viel mit dem Thema „Gemeinschaft“ und „Menschen zusammenbringen“. Losgehen und nicht drauf warten, dass es jemand anders macht. Und obwohl das wirklich keine großen Sachen sind, brauche ich tatsächlich auch etwas Mut dafür.
    LG Zora

    1. Oh, ich wünsch dir ganz viel Mut! Die Ideen find ich wirklich toll und großartig!! Mein „Angebot“ steht. Bin nur noch nicht zum Antworten gekommen.
      Alles Liebe.

  4. Pingback: Unsere Netzhighlights – Woche 22/14 | Apfelmädchen & sadfsh

  5. Mutig ist das im Leben zu machen, wonach sich das Herz wirklich sehnt. Und nicht zu fragen, was andere darüber denken und ob nicht irgendjemand mich deshalb für verrückt hält.

    Wahrhaft zu leben braucht sehr viel Mut.

    lg
    Maria

  6. Ich komme auch immer mehr zu der Erkenntnis von Maria. Den letzten Crash am Gartenzaun nehme ich deshalb als Kompliment: „Dass Sie ein bisschen komisch sind, wusste ich ja, aber dass so sooo sind …“ Ich sage, was ich denke und bin nicht da, um Andere glücklich zu machen. Ziel erreicht! Seitdem hab ich meine Ruhe im Garten. Keiner kommt mehr angeschossen, kaum, dass ich draußen bin. Mir muss auch keiner die Welt erklären und ich brauche keine ungefragten RatSCHLÄGE! Ich bin 41. Nicht 1,4.

  7. Pingback: Hingucken macht Mut. | just another weblog :: Christian Fischer – fine bloggin' since 2001

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