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Wir lernen Deutsch. (4)

Es ist schon wirklich lang her, dass ich euch über unsere DeutschunterrichtSituation auf dem Laufenden gehalten habe. Vor einer Woche etwa kam ein weiteres Buch einer Blogleserin hier an. Vielen Dank auch nochmal an dieser Stelle. Die Jungs können mit dem Material des finken-Verlag sehr viel anfangen!

Wie sieht es momentan aus?

Gut. Es ist erstaunlich, wie viel Beziehungsarbeit zu diesem „einfach mal Deutsch unterrichten“ dazu gehört. Das war mir im Vorfeld irgendwie nicht so bewusst. Im vielleicht, aber nicht im Herz. Einer der Jungs hat eine Familie gefunden und mir geht das Herz auf, wenn ich daran denke, wie gut ihm das tut.

Ganz schnell sind da plötzlich neue Mamas. Und aus den toughen Jugendlichen, die eine unglaubliche Flucht durch die Welt und über die Kontinente hinter sich haben, werden von jetzt auf gleich zu Kindern, die eine noch gar nicht so lange bekannte Frau „Mama“ nennen. Mit einem Strahlen und so viel Freude im Gesicht, dass die Erleicherung einen selbst ergreift. Erstaunlich. Mitreißend. Ein Aufatmen.

Erste Konfliktsituation

Meine erste Konfliktsituation hatte ich auch. Das hat mich sehr getroffen. Es war gar kein so riesiges Drama. Vielmehr ein Verhalten, wie ich es

a) nicht erwartet hatte und
b) es unverständlich finde, wieso man sich so verhält.

Es kam zwar nur zu einem verbalen Disput. Allerdings war der so aufgeladen, mit so viel Aggression erfüllt, dass ich selber – an dem Tag sowieso schon angeschlagen von anderen Empörungen – erstmal aus der Situation austreten musste. Ich merke, dass ich sowohl im wahren Leben als auch hier im Netz sehr ähnlich bin. Mamadenkt ist nicht nur Fassade und umgekehrt bin ich das auch nicht da draußen. Und in beiden Kontexten stehe ich manchmal da und frage mich, was da gerade eigentlich passiert? Wie kann man sich bloß so … verhalten? Mir käme es nie in den Sinn, einen anderen Menschen derart anzugreifen, zu demütigen oder ihm gar bewusst zu schaden. Wieso machen andere so etwas? Und dabei ist es völlig irrelevant, welchen Geschlechts wir sind, welchen Glauben wir pflegen, welche Hautfarbe wir haben oder welche Klamotten wir tragen.

Mir fehlen da so Werte, wie Höflichkeit, Freundlichkeit und irgendwie auch Erziehung. Aber da gerade letzteres so unterschiedlich ausfällt, ist es wohl einfach so. Manche Menschen können einfach nicht anders und machen andere nieder.

Ich brach also das erste Mal meinen Unterricht ab und versuchte die unerwartete freie Zeit zu genießen. In der nächsten Einheit entschuldigten sich alle gleichzeitig, obwohl keiner meiner Nachhilfeschüler, sondern ein anderer Mitbewohner, sich daneben benommen hatte. Ihr Unverständnis über das Geschehene war groß, ebenso ihre Empathie für mein Verhalten und damit für mein Verlassen der Situation. Wir waren beim Du und jetzt, jetzt nennen sie mich Lehrerin. „Äh, Frau Lehrerin, Entschuldigung, aber …“

Deutschkenntnisse

Insgesamt haben die Jugendlichen viel gelernt. Sie verstehen inzwischn so viel, dass ich ihnen versuche, grammatikalische Zusammenhänge zu erklären, Unterrichtsstoff aus dem Schulunterricht zu vertiefen und Konjugationen in anderen Zeiten zu pauken. Die Arbeit macht riesigen Spaß und ich bin froh, diese Möglichkeit bekommen und diese Menschen kennen gelernt zu haben.

Beziehungsarbeit

Wenn sie mir von ihrem Leben vor der Flucht erzählen, gibt es die Dinge, an die sie gerne zurückdenken und die, welche sie zur Flucht getrieben haben. Dass sie mir solches erzählen, finde ich mutig. Ich weiß nicht, wieviel Mut ich an den Tag legen könnte, was diese Dinge angeht. Das zeigt aber auch, dass wir tatsächlich Beziehungen zueinander aufgebaut haben. Anosnsten würde es gar nicht zu solchen Gesprächen kommen.

Neue Umstände

Inzwischen hatte ich insgesamt vier unterschiedliche Schüler. Die Situation in der Einrichtung fluktuiert aktuell sehr stark und ich bin gespannt, was das für mich und meine Tätigkeit als „Nachhilfelehrerin“ bedeutet.

Morgen früh werde ich mir mal ein Blatt mit Hausaufgaben anschauen, das ich korrigieren soll und demnächst gehen wir dann gemeinsam einen Kaffee trinken und machen uns eine schöne Zeit.

2 Gedanken zu „Wir lernen Deutsch. (4)“

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