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#bloggerfürflüchtlinge

Vor nicht mal einer Woche erhielt ich (mit ein paar anderen Bloggern) mitten im Urlaub die Anfrage, ob wir uns nicht zusammen tun sollten, um unsre Stimme für Flüchtlinge zu erheben? Ich fand und finde die Idee gut.

Denn irgendwie ist mir ganz oft gar nicht klar, was da gerade passiert. Warum richten sich plötzlich so viele „besorgte Bürger“ gegen diese flüchtenden Menschen? Warum gibt es – wohlgemerkt gefühlt – so viele Flüchtlinge und Vertriebene auf einen Schlag? Haben wir uns das wirklich nicht denken können? Wieso nehmen wir es hin, dass politische Entscheidungen getroffen werden, die Krieg und Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Volksgruppen im Nahen Osten begünstigen? Beschweren uns im zweiten Atemzug aber darüber, dass die 0815-Normalbevölkerung aus diesen Ländern flieht, um ihren Familien eine Existenz zu sichern? Wie können wir es zulassen, dass wir Tonnen von Lebensmitteln wegwerfen und behaupten „die“ nehmen uns alles weg?

Zum Glück befinde ich mich in einem Umfeld, das mit diesen Menschen, die vor den unterschiedlichsten Katastrophen aus ihrem Land flüchten, sehr offen und einladend umgeht. Schon seit längerem werden hier Ideen gesponnen, Visionen entwickelt und ganz konkrete Aktionen gestartet, um zu helfen. Diese Hilfe sieht so unterschiedlich aus, wie wir Menschen nur sein können und ich bin so froh darum.

Denn im Urlaub bekam ich plötzlich mit, was in und an anderen Orten stattfand. Ich war erschüttert und bin es immer noch. Plötzlich wird es nötig, dass sich Menschen im Netz zusammenstellen, um gemeinsam einer Stimme Ausdruck zu verleihen, die übertönt zu werden scheint.

BFF_1508_ButtonBlau3-300x300Und dann, dann geht alles ganz rasend schnell und es macht mir Mut. Es gibt noch mehr Orte, an denen das Helfen, das Nachfragen, das Zusammenstehen und gemeinsam Leben praktiziert wird. Sei es durch ehrenamtliche Sprachkurse, Spenden von Alltagsgegenständen, Spielzeug oder das Einquartieren von Menschen, die einfach nichts mehr haben, außer dem, was sie am Körper tragen und den Teil ihrer Familie, der nicht während der Flucht umgekommen ist.

Mir gehen bei diesem Thema mehrere Dinge immer und immer wieder durch den Kopf. Wie in einer Endlosschleife.

  1. Als wir letztes Jahr dieses Haus hier entrümpelt haben, ging nicht alles in den Sperrmüll. Das wäre viel zu schade gewesen. Wir haben einen 7,5 Tonner vollgeladen und der ging direkt an die Flüchtlingshilfe. Menschen auf der Flucht – das ist nicht erst seit diesem Sommer 2015 Thema, auch wenn es sich manchmal so anfühlt. Und dennoch sind wir sowas von unvorbereitet. Wenn ich mir überlege, dass auf einmal – HopplaHopp – Zeltstädte aufgebaut und Gebäude leer geräumt werden. Als wenn wir es uns nicht hätten denken können.
  2. Obwohl es so lange schon Thema ist, warum wirkt es dann gerade jetzt so intensiv. Woher kommen diese Menschen gerade alle? Hat die bisherige Flucht solange gedauert? Ist da ein Krieg, von dem ich wieder nichts mitbekommen habe? Sind es nur syrische Flüchtlinge? Woher kommen die Wirtschaftsflüchtlinge? Aus welchen Ländern? Und kommen sie wirklich alle via Schiff nach Europa? Ich spekuliere bei diesen Fragen sehr bewusst nicht. Ich kenne gerade niemanden, dem ich diese zugegeben neugierigen Fragen zumuten möchte. Es ist vielleicht auch gar nicht wichtig, weil die Medien mit drin hängen? Ich bekomme aktuell am meisten durch meine sozialen Netzwerke mit. Und ich bin froh, dass ganz normale Menschen plötzlich aktiv werden, den #mundaufmachen und #bewelcome sagen. An dem Punkt kommen wir dann aber auch schon zu
  3. Wir füttern die Welt mit Waffen. Wir zerstören durch unseren Wunsch nach Wachstum die Märkte anderer Länder. Länder, die so weit weg liegen, dass sie scheinbar nicht Teil unserer Welt sind. Diese Menschen beuten wir aus, sei es um Profit zu machen (aktiv) oder um uns möglichst billig mit Kleidung, Automobilen oder Alltagsgegenständen zu versorgen (passiv). Wir leben im Reichtum auf Kosten von Menschen, die wir nicht kennen. Länder wurden systematisch für unser Wachstum zerstört. Und jetzt wundern wir uns? Jetzt regt sich ein Teil dieser Menschen, der nicht in diesem Reichtum lebt und will weg aus diesen Ländern. Ist das verwunderlich? Und sollten wir nicht dankbar teilen? Vielleicht sogar eher beschämt teilen? Sollten wir nicht endlich anfangen uns zu hinterfragen? Unsere Wirtschaft? Unsere Maxime, nach denen wir unseren Lebensstil ausrichten?

Mag sein, dass das der ein oder andere Leser anders sieht und denkt. Mag sein, dass die ein oder andere Frage naiv ist. Vielleicht kommt es auch gar nicht auf diese Fragen an, sondern vielmehr darauf, wie ich mich verhalte. Solange ich die Möglichkeiten habe, auch nur einem dieser fliehenden Menschen zu helfen, bin ich gerne dazu bereit. Gleichzeitig erhoffe ich mir, dass wir unser wirtschaftliches und politisches Denken und Handeln überdenken und verändern.

Ich bin froh über die Stimme, die aktuell aus dem Netz ertönt. Diese Stimme, die doch mal was dazu zu sagen hat. Die Stimme, zu der zwei Hände gehören. Die eine öffnet die Tür, die andere lädt ein.

Wer es noch nicht gesehen haben sollte, das hier wird man wohl noch sagen dürfen. Außerdem gibt es eine Reihe anderer Blogger, die davon berichten, wie das so mit den flüchtenden Menschen bei ihnen ist, siehe #bloggerfürflüchtlinge. An dieser Stelle mag ich keine weiteren Fragen stellen. Bleibt nur eins: #refugeeswelcome.

6 Gedanken zu „#bloggerfürflüchtlinge“

  1. Hallo liebe Rage,

    da sprichst Du ein paar wichtige Punkte an, um die ich mir auch schon Gedanken gemacht habe. Vor allem die Frage, warum man erst jetzt reagiert, schwirrt mir schon seit Monaten im Kopf herum. Die Tragödie in Lampedusa ist ja nun schon knapp 2 Jahre her, wenn ich mich recht entsinne und schon damals hätte man sich denken können, dass es bestimmt nicht weniger Menschen werden, die hier nach Europa kommen. Aber das Grundproblem liegt in unserer Gesellschaft und der Tatsache, dass wir uns auf Kosten anderer bereichern. Das ist das, was mir am meisten Sorge macht. Darum habe auch ich bei #bloggerfuerfluechtlinge mitgemacht. Einige meiner Fragen hat dieser Artikel von Spiegel Online geklärt, ich lasse mal den Link da http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fluechtlinge-und-einwanderer-die-wichtigsten-fakten-a-1030320.html

    Danke für diesen Artikel und viele liebe Grüße,
    Selina

  2. Liebe Rage,
    ich schreib dir bald!
    Gut geschriebener Text – stelle mir öfter die gleichen Fragen. Ich finde den dritten Punkt auch wichtig, vor allem, weil sie dafür so oft kaum einer interessiert und nicht bereit ist, zu überlegen, was unserer Konsum mit Ausbeutung und schlechten Lebensbedingungen in anderen Ländern zu tun hat. „Wir“ nutzen mehr Ressourcen als „uns“ zu steht und regen und regen und dann darüber auf, dass Andere vom Kuchen was abhaben wollen? Oder werfen denen noch vor, dass sie auf Staatskosten leben (dabei schaffen wir keine rechtliche Grundlage, damit Menschen, die gerne arbeiten wollen dies auch dürfen). Grrr…
    Und viele vergessen, dass so viele die in Deutschland leben selbst Flüchtlinge gewesen sind (Weltkrieg, DDR).
    Liebe Grüße
    Nanne

  3. Pingback: Deutlich sein | Pia Ziefle | Autorin

  4. Schau mal, das hier habe ich gerade bei Mandy gefunden:
    http://www.gekreuzsiegt.de/2015/08/28/jeder-hat-das-recht-auf-menschenrecht/
    Ich finde das Video von Joko und Klass schwierig, denn ich denke tatsächlich, dass Mandy recht hat. Wir können dem Bösen nur mit LIEBE begegnen und nicht mit Wut, Beleidigungen und Überheblichkeit. Letzteres führt nur zu noch mehr Hass, Gewalt und Wut.
    Jesus fordert uns auf, unsere Feinde zu lieben. Also: Liebe die Nazis.
    Schwierig?!
    LG*Nina

  5. Hallo Rage,

    Warum sich Menschen gegen Flüchtlinge meinen aufregen zu wollen, ist ähnlich hausgemacht wie die Gründe der Flucht. Erst hat unser Land massenhaft Waffen in diese Staaten geliefert, und nun möchte man sagen die sind nun in die falschen Hände geraten. Und da ist es sicher verständlich das die Menschen ihre Existenz sichern und nicht in Kriegsgebieten bleiben wollen. Und es ist auch selbstverständlich das sie einen sicheren Ort brauchen und das dieser ihnen gegeben wird!
    Doch jene die sich nun meinen aufregen zu wollen sind oft Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen oder auf Hilfe vom Staat angewiesen. Und ich finde es in unserem reichen Land mehr als beschämend wenn diese als Faulenzer, oder Schmarotzer bezeichnet werden. Beachtlich kaum eine Blogparade nimmt dieses Thema auf? Wie kann es sein das Gesetze Menschen schikanieren oder ihre wirtschaftlich Existenz durch Speeren oder kürzen bedrohen dürfen. Und das die Masse richtig findet? Wie kann hier die Idee der 0€ Jobs entstehen, die selbst in den Niederlanden längst verworfen ist??? Wie kann es Maßnahmen geben die laut ILO die Zwangsarbeit Kriterien erfüllen? Und wieso ist das Internet so still dazu???
    Was das mit den Flüchtlingen zu tun hat?? Hier ist wie mit den Waffenlieferungen das hausgemachte Problem. Menschen neigen in bestimmten Situation sich einen schwächeren zu suchen. Oder ein sogenanntes Feindbild. So ist diese Art es die auch den falschen Gedanken entstehen lässt sich dann falsch zu Verhalten.
    Ich halte es für zu kurz gedacht den Blick von der staatlich verordneten Not und Unterdrückung nicht mit einzubeziehen. Gebe es die nicht würden wirklich nur echte Randgruppen eine Demo versuchen, und das wäre eher im Bereich der gut zu stoppen wäre.
    Unser so reiches Land macht sich auch hier Probleme selber die es nicht sehen will.

    LG
    Prot

    1. Ich muss darüber immer noch sehr viel nachdenken. Die Situation ist prekär. Das stimmt. Wie schon an anderer Stelle geschrieben, finde ich, dass Politik und Gesellschaft total unvorbereitet sind. Aber nicht nur das. Unser Arbeitsmarkt und all das, was damit eben auch zu tun hat, birgt in meinen Augen viele Ungerechtigkeiten. Allein für mich als Frau, Mutter und größere Familien. Wir kommen über die Runden. Vielleicht ein bisschen mehr als das. Außerdem sind wir mit unserem Alltag so beschäftigt – vielleicht sind das alles nur Ausreden. Doch sie verleiten dazu diese Thematik eben nicht in eine Blogparade zu packen? Und ich frage mich auch, wer sich dazu äußern würde? Denn
      a) über Geld spricht man ja scheinbar nicht. (Was mir immer noch unverständlich ist.) und
      b) Menschen, dei 3-4 Jobs zu erledigen haben, werden keine Zeit haben zu kommentieren oder
      c) empfinden es als zu beschämend?

      Je mehr ich drüber nachdenke, stimme ich dir zu. Warum kommt das nicht als Thema vor?

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