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Das Mädchen unter Städtern

AusflugindieStadt4Ein Cabrio düst an mir vorbei. Der Koffer des Pärchens hinten aufgeschnallt. Die Städter. Huscht es mir durch den Kopf. Ich komme mir vor, wie in einem der deutschen Filme des Abendprogramms. Ausgestrahlt in den öffentlich Rechtlichen.

Ich stelle fest: Ich bin ein Landei. Bin ich? Bin ich wirklich? Nein, nicht ganz. Ich kenne die Stadt. Kenne ihre vermeintlichen Vorzüge. Das Leben, das hier irgendwie noch schneller dahinschwindet. Ich mag die Theater, das Kino, EinkaufsPassagen, das kulturelle Angebot und die vielen unterschiedlichen Menschen.

Die Frau mit den roten Turnschuhen, dem schwarzen Top und unanständig kurzem Minirock. Bei der Hitze hätte sie sich den eigentlich fast schon sparen können. Sie wirft einen Blick in das verdunkelte Schaufenster. Prüft ihr Spiegelbild, wirft die Haare nach hinten.

Der Rocker. Oder Biker? Mit dem schweren Bauch und der hellblauen Milchtüte in der Hand. Samstagabends. Auf dem Weg durch die Stadt. Seine langen lockigen Haare stehen durch die Hitze in alle Richtungen ab. Milch hängt ihm im langen Rauschebart. Ganz in schwarz gekleidet, mit grimmigem Blick stapft er an uns vorbei. Schweren Schrittes.

Ausflug in die Stadt1Ich frage mich, wo kommt er her? Wo geht er hin? Auf dem Weg zur Bandprobe? Oder in seine kleine Wohnung in der MietshausKaserne? Zu den lauten Nachbarn? Oder macht er heute Nacht den Radau.

Da entdecke ich die EiscafeBedienung. Sie drückt sich in einen Hauseingang. Ein Flasche Cola, eine Tüte vom Bäcker in den Händen. Sie ist müde. Ein Blick zum Café genügt. Es ist voll. Menschen genießen die abendlichen Sonnenstrahlen. Beobachten das Treiben in der Einkaufsstraße. Lassen sich bedienen. Schlürfen Café, schlecken Eis. Auch der Mittsechziger. Er packt sich ans Herz, verzieht das Gesicht. Die Arme wandern hinter den Kopf, dann in die Höhe. Kein Herzanfall. Ein Strecken. Ein müdes Strecken. Vom Einkaufsbummel mit der Frau? Ein erwachendes Strecken? Die Luft wird angenehm.

Sie ist zwiegespalten. Mag sie die Stadt? Ja. Wirklich? Ja, oder? Das Leben hier pulsiert. Wirklich? Die 100Meter EinkaufsStrecke war völlig ausreichend. Ich fühle mich gestresst. Aus den Geschäften strömt die eiskalte klimatisierte Luft nach draußen. Überall steht: „Kauf mich! Du brauchst mich!“ Direkt und indirekt.

Nicht weit entfernt treffen sich „Minimalisten“. Menschen, die bewusst sagen: Es ist mir zuviel. Es wird mir zuviel. Ich pack es an. Ich brauch das alles nicht.

Ich bin froh auf dem MinimalistenBloggertreffen gewesen zu sein. Es war schön euch, einen Teil von Lesern mal kennengelernt zu haben. Außerhalb des noch viel überlaufeneren WorldWideWebs. Danke für die gute Zeit, die wertvollen Gesprächen, euch Kennenzulernen. In natura mal gesehen zu haben. Es war ein schöner Tag. Mit unglaublich vielen Eindrücken. Auf ein Wiedersehen!

7 Gedanken zu „Das Mädchen unter Städtern“

  1. Die Aufmerksamkeit in den Alltag zu lenken und Dinge bewusst wahr zu nehmen ist wirklich ein Geschenk. Du lässt uns gerade daran teilhaben.
    Es war wirklich toll euch 4 zu erleben. Ich freue mich auf die Wiederholung, spätestens im nächsten Jahr.

  2. Vielen Dank für die Schilderung Deiner Eindrücke!

    Mein Weg durch die Einkaufsstraßen zum Bahnhof war mehr als 100m lang, die aus den tollen Gesprächen gewonnenen Eindrücke und das schrillbunte Leben hätten kaum gegensätzlicher sein können. Für mich jedoch auch ein gutes Gefühl zu wissen, was ich alles nicht (mehr) benötige.

    Beeindruckend, dass Euch weder das Wetter noch Eure beiden Kinder davon abhalten konnten, dabei zu sein!

    Viele Grüße aus Berlin!

    1. Ja… es war grenzwertig und erst am Morgen des Tages wirklich, wirklich ganz sicher, alle Mann anreisen zu lassen. Aber es war toll! Schön, dass ihr uns auch Teil habt sein lassen. Trotz quirligen und nie kompletten Auftretens… ;)

      Hoffe du hattest auch eine gute, nicht allzu anstrengende Rückreise…!

  3. Wunderschöner Text, Rage.

    Lieben DANK an die vielen Blogger. Eure Gedanken und Ideen sind wirklich eine tolle Unterstützung in den letzten Monaten. In denen ich Überflüssiges und Plastik reduziere. Macht wirklich SPASS euch zu lesen. Meine Tochter (15) fragte neulich: „Ist unsre Wohnung bald nur noch aus Keramik?“ Mal schauen :)

    Liebe Grüße von einer, die nach Bounty riecht (das Kokosöl geb ich nicht mehr her).
    Tanja

  4. Pingback: Bloggertreffen der deutschen Minimalisten-Szene in Essen | reduziert leben

  5. Danke für euer positives Feedback. Das streichelt die Seele, um mal ein wenig ins Kitschige abzudriften.

    Aber echt! Ich hab mich riesig über eure Kommentare gefreut. Solche Texte haben ja durchaus etwas sehr „persönlichintimes“. Danke!

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