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Du bist eine Scheiß-Mama.

Nun ja, was soll ich dazu sagen? Den Satz habe ich schon häufiger gehört. Das erste Mal stand ich schockiert in unserem Flur. Begleitet wurde dieser Ausruf mit einem auf den Boden stampfenden wütenden Kind. Der Kopf hochrot und das Kind ganz weit von mir entfernt.

Äußerlich wie innerlich. Wobei die Distanz äußerlich gar nicht mal so riesig war… Ich mit vor Ärger verzerrtem Gesicht, lauter Stimme und sich überschlagendem Schimpfen und Motzen. Das blöde „Wenn – Dann“ ist dann auch ganz schnell mal dabei.

Meine Kinder kopflos – aus den unterschiedlichsten Gründen jeweils nicht bereit. Wofür auch immer: Jacke anziehen, auf dem Klo Pippi zu machen und nicht daneben, Zahnpasta allovertheplace verteilen, aber nicht auf der Zahnbürste… to be continued.

Aber was soll ich dazu sagen?

Mir fehlen schlichtweg die Worte, um das zu beschreiben, was in mir vorging. Oder vorgeht, wenn es mal wieder zu so einem Konflikt kommt. Oder was ich meine, was im Inneren meines Kindes vorgeht?

Silvester – zehn Minuten vor Neujahr

K1 ist noch wach, weil es mit uns ins Neue Jahr starten möchte. Wir hatten vorher gesagt, wenn du es schaffst, ok, dann kannst du gerne mit uns ins Neue Jahr rutschen. Nach einem wirklich gemütichen Abend und amüsanten Film, sitzen wir da und K1 wird furchtbar albern. Ich versuche es einige Male zu beruhigen, denn ich kann sie ja verstehen. Diese Aufregung. Diese Spannung. Meine Stimme erhält inzwischen einen strengen Unterton, denn ich selber bin müde und es wird mir zuviel. Doch das Kind bemerkt es selber nicht. Plötzlich wirft es mit einem Spielzeug nach mir und trifft mich voll im Gesicht.

Ich werde laut. „Dann kannst du jetzt bitte auch hoch ins Bett gehen. Das ist mir zu doof.“

Das Kind ist erschrocken, es wollte mir nicht wehtun! Doch ich bin zu genervt, angestrengt und meine linke Gesichtshälfte tut mir weh. Das Kind beginnt rund um die Mundpartie zu zittern. Ich merke, da ist Angst. Da ist Bedauern. Und plötzlich tut es mir leid, dass ich so ausgerastet bin. Ich versuche die Situation zu retten,…

… denn ich bin SuperMOM. Doch jetzt sind wir beide am Ende eines Tages, eines Jahres, das voll war mit viel zu viel. Und jetzt? Wir haben uns entschuldigt, getröstet, in den Arm genommen. Trotzdem war es doof. Und ja, es wird uns verändern. Es hat Einfluss. Was für einen, kann ich nicht sagen, aber das Beste daraus zu machen, das ist eines meiner persönlichen kleinen Ziel jeden Tag. Denn es stimmt:

Mensch sein

Es gibt Momente im Leben, da bin ich nicht die SuperMOM, an der ich immer so sehr arbeite. In diesen Augenblicken bin ich Mensch: schwach, unfähig, fehlerhaft. Und ja, das ist NICHT schön für meine Kinder. Und auch NICHT für mich. Aus dieser Situation geht erstmal niemand lachend heraus. Aber war’s das dann?

„Ja, ist blöd gelaufen. Ich bin halt nur Mensch?“

Mutter sein

Nein. Ich bin davon überzeugt, dass mein „Mutter sein“ mich in die Verantwortung stellt, es beim nächsten Mal anders zu versuchen und besser zu machen. Aus dem falschen Moment zu lernen. Mir zu wünschen, es nicht wieder dazu kommen zu lassen und zu überlegen,

was war denn falsch?
Wieso bin ich so laut geworden?
Was hat dazu geführt, dass ich plötzlich auf der Palme gehockt und mit Worten um mich geschlagen habe? Ja, geschlagen.
Was ist da passiert?
Wie konnte es dazu kommen?
Was mache ich damit?

Meistens gibt es doch Antworten auf diese Fragen. Diese Antworten nehmen mir zwar nicht den Schmerz, mein Kind verletzt und ihm gegenüber in diesem Augenblick versagt zu haben. Sie bieten mir jedoch die Möglichkeit es beim nächsten Mal anders zu machen. Die Entscheidung zu treffen, dass das so nicht mehr vorkommen wird, sondern dass ich beherzter, achtsamer handeln werde.

Fehlschritte gehören dazu.

Dennoch, seid gewiss: Es wird wieder in die Hose gehen. Vielleicht nicht direkt beim nächsten Mal. Aber irgendwann. Denn das gehört dazu. Ich mag es gerade gar nicht romantisieren, dieses Scheitern. Denn schön sind diese Momente des Lebens nicht. Das werden sie auch nie sein. Denn meistens fühlen wir uns allein, klein, schwach, verletzt und furchtbar, weil wir dem Liebsten, was uns geschenkt wurde in seinem kleinen Herzchen weh getan haben. Oder weil wir nicht dazu in der Lage waren, ihm auf Augenhöhe zu begegnen und das Leben anders zu erklären. Ein bisschen liebevoller.

Aber ich bin froh zu wissen, dass ich eben nicht allein damit bin. Ihr auch nicht. Andrea von Runzelfüßchen hat die Tage dazu geschrieben. Sehr ehrlich. Und viele Mütter haben darauf reagiert, mitunter schonungslos, was ihre jeweils eigenen Fehltritte anbelangt. Das finde ich gut. Denn es entschärft das Bild der Supermütter, das doch schnell entsteht.

Schlechtes Gewissen vs Annahme

Ich glaube, dass uns ein schlechtes Gewissen, wenn es denn alleine daher kommt, hemmt. Es führt dazu, dass wir uns im schlimmsten Fall in Selbstmitleid suhlen, aber nichts ändern. Wir geben unser Leben ab, statt es in die Hand zu nehmen und beim nächsten Mal konstruktiv mit der Situation umzugehen. Wir können nicht immer alles richtig machen.

Wir werden auch mit unseren Kindern Fehler machen. Entscheidend ist doch, wie wir mit diesen gemachten Fehlern umgehen. Unsere Kinder haben so unglaublich viel davon, wenn sie miterleben, dass …

  • Mama und Papa auch Fehler machen.
  • Mama und Papa sich entschuldigen können und für ihre Fehler gerade stehen. Insbesondere auch vor ihnen – unseren Kindern. Wieviel mehr werden sie sich ernstgenommen fühlen!!
  • wir aus unseren Fehlern lernen.
  • wir versuchen das Beste aus einer blöden Situation zu machen.
  • wir unsere Herzen sprechen lassen und trotz aller Auseinandersetzung liebevoll füreinander einstehen.

Das da oben sind ein paar meiner Gedanken zu diesen ätzenden Momenten, die bei den anderen Müttern scheinbar niemals nie gar nicht vorkommen. Und diese Gedanken haben sich entwickelt, sind gewachsen; u.a. aus meiner Blogreihe zur BrüllFalle und dem daraus entstandenen NotfallSurvivalKit.

Meine Blogreihe zur Brüllfalle besteht aus vier Artikeln, die ihr hier findet.

Die BrüllFalle. Teil1

Die BrüllFalle. Teil2

Die BrüllFalle. Teil3

BrüllFalle. Reloaded.

Vielleicht habt ihr Lust in den ein oder anderen reinzulesen. Insbesondere die Kommentare meiner Blogleser finde ich persönlich sehr wertvoll, da sie ermutigten, den Kopf nicht in den Sand zu stecken, sondern es beim nächsten Mal anders zu machen. Danke ihr wunderbaren Menschen!

Wir lieben unsere Kinder. Wir motzen mit unseren Kindern. Wir versöhnen uns mit unseren Kindern. Das ist Leben – oder?!!? Und neben der Scheiß – Mama bin ich auch die „Du bist die tollste und schönste Mama!“

Immerhin.

6 Gedanken zu „Du bist eine Scheiß-Mama.“

  1. Liebe Rage,
    das geht doch uns allen regelmäßig genauso. Mein Verhalten bewerten meine Kinder zwischen „die Alte flippt mal wieder aus“ und „die Mama ist die coolste, schlaueste, erfahrendste Frau der Welt und absolut unersetzlich! „. Mit allen Nuancen dazwischen. Und machmal denk ich über mein Kinder, welcher Teufel mich geritten hat, als ich ein und ein zweites und ein drittes Kind wollte – oder was mein Leben ohne sie nur wäre : langweilig, öde, todernst, völlig daneben, stolz wie Bolle bin ich auf die coolsten Kids der Welt! Mein Gott, wir lieben sie doch, sehen uns machmal selbst in ihnen, oder staunen Bauklötze wie anders sie sind als wir, wie genial, abgefahren oder dusselig – oder bin ich selbst die Dusselige? :-) . Und trotdem werfen wir uns machmal an den Kopf, wie wir uns auf den Keks gehen – und entschuldigen uns, wenns aus dem Ruder gelaufen ist – wenn wir alle ein wenig gebrüllt, geweint, gebrummelt und uns dann wieder lieb haben…Morgen ist ein neuer Tag…
    Liebe Grüße und eine Umarmung für alle mehr oder wenigen gestressten Mamas :-)

  2. Hm, vielleicht seh ich das sehr vereinfacht – aber dein Kind hat Sachen nach dir geworfen und dich sogar noch getroffen! Geht gar nicht, sowas! Und dass das unabsichtlich war, das du getroffen wurdest, davon geh ich dabei selbstverständlich aus! Ich denke, das ist einfach ein Moment, in dem Grenzen gesetzt werden müssen. Und wenn dein Kind dann erschrickt, weil die SuperMOM laut wird – dann ist das an der Stelle genau richtig, weil dann kann ein Lerneffekt eintreten: Mit Sachen auf Menschen/Lebewesen werfen: NEIN!

    Nicht du hast hier eine Grenze überschritten, sondern dein Kind. Deine Aufgabe ALS SUPERMOM (!) ist es, deinem Kind genau das klar zu machen. Dass das absolut nicht geht, sowas!

  3. Liebe Rage,

    ist auch meine Meinung. Kann das nur nicht so gut ausdrücken wie das Zauberweib. Ich versuch’s mal: Du bist zu nett. An der falschen Stelle. Das Kind fordert aus meiner Sicht Grenzen und kriegt keine. Er will dich spüren und spürt dich nicht.
    Meine Tochter wurde in London in großer Runde nach ihrem Heroe gefragt.
    Sie sagte:
    „My mom.“
    Süß, oder? Du siehst, man wird geliebt auch wenn man Grenzen setzt. Ich war einfach nur Tanja. Nicht Supermom. „Mein Kind braucht eine Mutter und keine Freundin.“ Ich zeige Kinder wenn sie mich nerven, ihr Verhalten völlig daneben ist (sie sagen es mir umgekehrt auch). Ich-Botschaft, „ich kriege Kopfschmerzen von deinem Gekreische“. Ich gehe gar nicht in Vorleistung. Das Wachbleiben sich halbstündig verdienen. „Wenn es mit uns beiden funktioniert, super! Dann geht’s in die Verlängerung. Wenn nicht, brauche ich meine Abendruhe.“ Du bist der Chef. Der Kleine ist mit der Rolle überfordert. Deshalb kippt auch die Stimmung.
    Scheiß-Mama hab ich noch nie gehört und würde ich mir auch nicht bieten lassen. Was kommt denn dann als nächstes? Kinder sollen sich nach dir richten, nicht du nach ihnen. Ich hoffe, du verstehst, was ich meine. Mein Hund richtet sich nach mir. Der geht wie ich das will. Die Leine ist locker. Man sieht es oft genug anders rum.

    Liebe Grüße,
    Tanja

    1. Liebe Tanja,
      ich finde den Vergleich Kind und Hund vorsichtig gesagt etwas schräg.
      Und kann auch nicht mitgehen mit dem Verdienen… mein Kind soll sich nichts verdienen müssen… und es soll auch nicht aus Angst irgendwelche Gefühle runterschlucken. Ich möchte, dass es sich entfalten kann… und scheißmama finde ich nicht so schlimm ehrlich… was heißt denn, das lässt du dir nicht bieten… was passierte denn dann?
      Ich glaube wir haben ein ganz anderes Bild von Kind bzw ein anderes Menschenbild… ich gehe da eher mit der Autorin… und ich hätte auch nicht gerne eine Mutter, die sich nie hinterfragt. Man wächst sich täglich gemeinsam mit dem Kindern.
      LG
      Franzi

  4. Aus meiner Sicht, die auch nicht immer weiß, wie der richtige Weg ist, habt ihr doch eine gute Variante gefunden – du hast klare Worte gefunden und doch noch eine Möglichkeit gefunden, dass die besondere Silvester-Situation nicht völlig gekippt ist. Hut ab. ;-)

  5. Wenn ein Kind etwas nach mir wirft dann wars das mit dem Abend. Ab ins Zimmer! und wenns auch Sylvester ist und die „heilige“ Familie ja heilig feiern will. Das geht ja dreimal nicht! Du zeigst Deinen Kindern nicht klar genug, wo die Grenzen liegen. Und wenn man auch die Familienidylle zerstört: Grenzen aufzeigen ist wichtiger!

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