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Experiment: Lebensmittel Luftlinie ≤50km

Ein weiteres Experiment steht also an. Nicht, dass wir nicht genügend derzeit durchführen… ‚rolldieAugen‘ Aber irgendwie war und ist es dran. Bevor es morgen losgeht, bekommt ihr und der Rest der Welt einen kurzen Einblick in das ‚Wie es dazu kam:‘ und ‚Worum es geht?‘. (Dann werdet ihr euch hoffentlich nicht wundern, wenn es die nächsten Tage immer mal kurze Aha-Erlebnisse, schriftlich fixierte Scheitermomente, gefühlte SelbstKasteiungsAugenblicke, euphorischen Begeisterungsjubel oder lediglich plumpe Feststellungen zu neu probierten Rezepten geben wird.)

Worum es geht?
Für die kommenden zwei Wochen werden wir mit unseren Familien, sofern sie wollen (Babys, Kinder, Teenager, junge Erwachsene und Großeltern eingeschlossen), uns nur von Lebensmitteln aus der Region ernähren. Region meint dabei nicht Deutschland oder ein spezielles Bundesland, sondern einen Radius von 50km Luftlinie rund um den Ort, in dem wir wohnen. Milch vom Bauer, Gemüse vom Nachbarn oder Hofladen, Honig vom Imker aus dem Dorf zwei Orte weiter oder Fleisch vom ansässigen Metzger, dessen Schweine und Rinder eben in diesem Umkreis (≤50km) leben.
Ob wir uns selbst kasteien wollen? Eigentlich nicht. Aber wir werden sehen, wohin uns das Ganze bringt. Was wir feststellen werden, wo wir schon recht bald Kompromisse eingehen müssen, wird sich dann u.a. auf diesem Blog wiederfinden. Denn das mit den Kompromissen hat sich schon in der zweiwöchigen Vorbereitungszeit ergeben. Dazu nachher mehr.

Wie es dazu kam:
Sechs Köpfe, drei Familien und eine Idee. Dem voran der Gedanke und Wunsch einfach mal was auszuprobieren. Wir kennen uns alle aus einer Kirchengemeinde, sind inzwischen miteinander befreundet, unterhalten uns viel über geteiltes Leben, lesen in der Bibel und treffen uns regelmäßig zum Essen, Diskutieren und was man sonst noch so gut gemeinsam auf die Beine stellen kann. Dennoch hatten wir alle den Wunsch mal was zu tun.

Da wir alle so ein bisschen alternativ-öko-nachhaltig-reduziert-bewusst angehaucht sind, beschlossen wir im Bereich Ernährung mal was auszuprobieren. Der Gedanke ist: alles, was wir essen ganz konkret unter die Lupe zu nehmen, indem wir nur die Dinge kaufen, die sich in einem Radius von 50km Luftlinie von uns befinden bzw. produziert, hergestellt und/oder geerntet wurden. Diese Fragen begleiten uns dabei:

Woher kommt das eigentlich?
Wer hat es produziert?
Was für einen Weg hat das Ei hinter sich gelegt, um hier in meinem Eierbecher zu stehen?
Was ist da drin? Eigentlich ist es doch ’nur‘ ein Brot?
Bananen? Wachsen die an Sträuchern oder Bäumen? An der Nordsee oder im Odenwald?
Brauch ich wirklich jeden Morgen meinen Kaffee oder grünen Tee aus Costa Rica oder Japan? Japan vielleicht lieber nicht nach Fukushima?
Ägyptische Kartoffeln, weil unsere deutschen im Februar einfach nicht mehr so drall, sondern eher runzelig aussehen? Wieviel Wasser mehr benötigen die nochmal für die Bewässerung der Wüste, damit da Kartoffeln wachsen? Ach so, 10mal so viel , wie wir hier in Deutschland. Gut. Gut, dass die Bauern hier auf den runzeligen sitzen bleiben.
Woher bekomme ich Schmand? Oder Butter? Wenn nicht aus dem SupermarktRegal?
Weiß jemand, wie man Sauerteig ansetzt? Wie ist das mit Salz? Und Zucker?

Das und noch ein bisschen mehr ging uns damals und geht uns heute bei der Vorbereitung und Durchführung durch den Kopf.

Heute waren wir einkaufen. Morgen früh geht’s los. Ich für meinen Teil bin schon in der Vorbereitung den ein oder anderen Kompromiss eingegangen. Hier mal meine Liste:

1. Wenn eines meiner Kinder mal eine Banane in den kommenden zwei Wochen verzehren möchte… Es wird sie bekommen!
2. Der Kühlschrank ist noch nicht ganz leer. Da gibt’s noch einen Becher Sahne und ein halbes Glas Joghurt. Außerdem haben wir hier noch zwei Brötchen von einem Bäcker liegen, der ganz sicher nicht mit Mehl aus der Region backt. Ich werde für dieses Experiment weder wegwerfen, noch vergammeln lassen. Trotzdem geht es morgen los.
3. Hefe, Salz und Gewürze: Werden normal weitergenutzt. In der Vorbereitung wurde mir bewusst, ‚Oups! Wir haben dummerweise keine Saline in unserer Nähe. Wie krass muss das für die Menschen ‚ganz früher‘ gewesen sein.‘ Doch damals gab es schließlich auch Händler auf ihren Ochsenwagen. Und das Ziel des Experiments ist nicht das Leben wie es im 19.Jahrhundert aussah, nachzustellen. Nein, wir wollen wissen, woher die Dinge kommen, verantwortungsvoll mit ihnen umgehen, Detektive in der Region werden, bewundern, was andere Menschen können und ein neues Gespür für Nahrung entwickeln. Das geht auch mit Zimt, Ingwer, Curry und Co.
4. In der Vorbereitung gab es die Idee eines Jokers. Für diejenigen, die das mit der Schokolade beispielsweise nicht hinkriegen. Oder mit dem Kaffee. Ich für meinen Teil bin noch unsicher. Grüner Tee bzw. Tee generell oder Obst aus fernen Ländern? Mal schauen. Ich entscheide das spontan bei der Sache, die mir als erstes nicht länger als ein paar Stunden gelingen wird.

Damit ist es jetzt offiziell. Ihr wisst Bescheid. Ich weiß Bescheid. Jetzt kann es losgehen. Und du? Worauf kannst du gut und gerne mal verzichten? Worauf nur sehr, sehr schwer?

6 Gedanken zu „Experiment: Lebensmittel Luftlinie ≤50km“

    1. Oh ja! Brot gewinnt hier gerade auch zunehmend an Bedeutung. Ich glaube, wir haben in den letzten zwei Tagen als Familie fast ein ganzes Brot allein gegessen. Das gab’s noch nie. Und der Mann beginnt jetzt auch schon mit der Bäckerei… ;)

  1. Pingback: Butter selber machen. Lebensmittel Luftlinie ≤ 50km | MamaDenkt.de

  2. Hallo zusammen, ich gehöre auch zu den experimentierfreudigen Menschen der oben benannten Gruppe. Möchte euch an dieser Stelle meine Erfahrungen weiter geben.

    der heutige Tag steht unter dem Aspekt Resteessen. Habe heute früh mein letztes Lieblingsmüsli mit Cashewkernen und getrockneten Aprikosen verzehrt: wir sehen uns wieder- keine Frage! J

    Die bisherigen Reaktionen auf meine mail waren sehr bereichernd und richtig gut. So habe ich eine Tüte voller Kartoffeln und eine Birne aus Spesenroth geschenkt bekommen – danke, hat mich superriesig gefreut. Nach unsrer Chorprobe gab es beim üblichen Glas Rotwein angeregte Gespräche darüber, ob dieses Projekt überhaupt zeitgemäß ist oder ob wir im Jahr 2013 einfach damit leben müssen, dass es eine riesige Lebensmittelindustrie gibt. Weiter haben 100 Liter Apfelsaft aus selbst gepflückten Äpfeln und ca. 10 kg Äpfel den Weg in unser Haus gefunden, auch ein Geschenk – merci. (aufgrund der Tatsache, dass diese Sachen aus der Nähe von Heidelberg kommen, muss der Verzehr noch ein wenig warten).

    Bleibt für heute noch die Butterfrage – bisher ist es noch keinem von uns gelungen, Butter in der Region aufzutreiben. Und das obwohl hier jede Menge Kühe rum stehen. Der Bauer (oder sagt man Landwirt?) meines Vertrauens erklärte mir dazu, dass Produkte der Fa. Hochwald, welche mit einem Stempel RP = Rheinland-Pfalz nur Inhaltsstoffe aus unserem Umfeld beinhalten. Ich bin ein wenig skeptisch, ist Rheinland-Pfalz unser Umfeld? Habe aber auch gelernt, dass die Auflagen zur Butterherstellung so hoch sind, dass das im Prinzip kein Mensch mehr macht. Also: Butter oder nicht? Wir werden sehen.

    Hawe hat gestern auf dem Wochenmarkt auch viele interessante Gespräche geführt, u.a. mit einigen Köchen von Johann Lafer, die gerade dabei waren das Marktangebot zu testen (yeah- Promikontakt J ). Er hat aber auch in Erfahrung gebracht, dass der Bäcker unsrer Stadt, der eine eigene Getreidemühle betreibt, das Getreide dazu von einem Großhändler bezieht – schade. Stattdessen habe ich heute ein Brot im Brotgarten erstanden, liegt auf meinem Weg zur Arbeit. Es kann zwar nicht den Regional-Kriterien entsprechen, aber ist voll ökologisch, sogar mit Stempel „öko 003“ Der Laden hat mir Spaß gemacht, weil ein gutes Öko-Konzept dahinter steht und es lauter Leckereien zu entdecken gab.

    Seit heute weiß ich auch, dass es in Emmelshausen echte Hunsrücker Lämmer gibt und glückliche Hühner, die aber leider schon in anderen Suppentöpfen gelandet sind.

    Ich bin nun sehr gespannt, wie morgen unser Start aussehen wird.

    Bis dahin, eure Nina.

    1Mo 1,28 Und Gott segnete die Menschen und sagte zu ihnen: »Seid fruchtbar und vermehrt euch! Füllt die ganze Erde und nehmt sie in Besitz! Ich setze euch über die Fische im Meer, die Vögel in der Luft und alle Tiere, die auf der Erde leben, und vertraue sie eurer Fürsorge an.«

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