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Kippelemente, was sind das eigentlich?

Kippelemente, was sind das eigentlich_MamaDenkt

Bei Kippelementen handelt es sich weder um das Kippeln auf dem Stuhl, das zum Sturz führen könnte noch um Teile oder Reste gerauchter Zigaretten. Kippelemente sind Prozesse und Systeme unseres großen Klimasystems, bei deren massiven Veränderung es irgendwann zum Kipp-Punkt kommt. Das Problem dieser Kipp-Punkte: Sie sind irreversibel, nicht umkehrbar, und bedingen sich in ihrer veränderten Funktionsweise mitunter gegenseitig.

Was sich hier anfangs so kompliziert anhört, lässt sich an ein paar Beispielen ganz einfach und einleuchtend erklären. In diesem Artikel findet ihr Infos rund um Kippelemente,

  • was sie ausmacht,
  • welche bislang entdeckt wurden
  • sowie eine Reihe von Links, die euch auf Websiten führen, auf denen ihr noch weiteres Wissen sammeln und vertiefen könnt

Darüber hinaus hoffe ich, dass euch dieses Wissen Mut machen wird, mit anderen Menschen über diese Klimakrise zu sprechen, euch weiter zu informieren und aktiv zu werden. Noch viel zu oft, umschiffen wir diese Krise, obwohl wir uns längst mittendrin befinden.

Kippelemente gleichen einer Tasse Kaffee

… die am Rande einer Schreibtischkante steht. Dieses Bild wird häufig für die Erklärung der Kippelemente herangezogen. Stell dir vor, deine mit Kaffee oder Tee gefüllte Tasse steht am Rand deines Schreibtischs. Erstmal macht das nichts. Dein Arm stößt nun zufällig gegen das Gefäß und schiebt es einen halben Zentimeter über den Rand. Je nach Beschaffenheit der Tasse macht ihr das erstmal nichts aus. Doch nun zählt jeder Zentimeter, ach was schreib ich, Millimeter. Irgendwann kippt die Tasse an der Kante herunter, zerschellt auf dem Fliesenboden oder hinterlässt eine große Pfütze. Die damit einhergehenden Konsequenzen sind unwiderbringlich: Tasse kaputt, Fliese einen Sprung, das Kind rutscht aus, knallt mit dem Gesicht auf den Boden und der neue Schneidezahn bricht ab – wäre ein mögliches Szenario.

Eine Kettenreaktion, die in einem noch viel katastrophaleren Maße auch im Klimawandel abzusehen ist.

Schwachpunkte unseres Klimasystems

Kippelemente oder auch Kipppunkte (aus dem englischen von tipping elements bzw. tipping points) sind elementare Teile unseres Klimasystems, die in engem mitunter abhängigen Verhältnis zueinander stehen. Wird eines verändert, kann es zu gegenseitigen Rückkopplungseffekten kommen.

Welche Kategorien der Kippelemente gibt es?

Das Potsdamer-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat sich eingehend mit den Kippelementen auseinandergesetzt und bezeichnet sie als „Achillesfersen im Erdsystem“. In der Infothek findet ihr einen gut verständlichen Artikel inklusive grafischer Aufbereitung, um nachzuvollziehen, um welche große Prozesse und Elemente es hier eigentlich geht.

Das Potsdamer-Institut differenziert dabei in drei große Bereiche, denen die einzelnen Kipp-Punkte zugeordnet werden:

  • Eiskörper
  • Strömungssysteme
  • Ökosysteme

Welche konkreten Systeme und Elemente sind betroffen?

Je nach Quelle wird von 6, 16 oder auch 18 Kipppunkten gesprochen und es werden immer weitere entdeckt. Unsere Welt besteht aus einer Reihe von Systemen, die in unterschiedlichen Abhängigkeiten zueinander stehen und in Wechselwirkungen zueinander stehen.

Die unterschiedliche Anzahl entdeckter Kippelemente hängt also damit zusammen, dass wir immer wieder neue Kippelemente entdecken, weil wir noch nicht alle tatsächlichen Zusammenhänge hängen und die Folgen unserer menschengemachten Klimakrise gar nicht wirklich absehen können.

Im schlimmsten Fall befördern wir uns in eine weitere Heißzeit, die das Leben auf diesem Planeten für einen großen Bevölkerungsteil unmöglich macht. Umso wichtiger und dringlicher ist es, dass wir jetzt alle Bremsen betätigen, die uns zur Verfügung stehen. Doch dafür braucht es Informationen, miteinander sprechen und vor allem: Handeln.

Schutz geschwächter Ökosysteme

Wenn wir von Kippelementen sprechen geht es in Sachen Ökosysteme beispielsweise um die Veränderung des Amazonas-Regenwaldes, die Zerstörung von Korallenriffen und die Schwächung der Weltmeere in ihrer Fähigkeit große Mengen an Kohlenstoff zu binden.

Erhalt natürlicher Strömungssysteme

Bei den sogenannten Strömungssystemen handelt es sich um Luft- und Meeresströmungen, die in regelmäßigem Muster, großflächig und mit vielen damit verbundenen Wechselwirkungen vorherrschen. Durch den Einfluss von uns Menschen drohen sich diese Systeme zu verändern und bringen unumkehrbare Veränderungen mit sich.

Bei Strömungssystemen geht es um Luft- und Meeresströmungen.

Dazu zählen zum Beispiel:

  • die Abschwächung der Atlantischen Thermohalinen Zirkulation,
  • eine mögliche Störung des El  Niño-Phänomens,
  • die Verlangsamung oder das Einrasten der Planetarischen Wellen des Jet Streams
  • oder auch die Verlagerung des Westafrikanischen Monsuns mit Auswirkung auf die Sahara.

Was genau es mit diesen Strömungssystemen auf sich hat, worum es sich handelt, wieso sie in ihrem Bestehen verändert werden und welche Folgen das mit sich bringen könnte, findet ihr gut nachvollziehbar auf der oben schon mal genannten Website des PIK.

Bewahrung von Eiskörpern

Unter dem Schmelzen und Verschwinden riesiger Eiskörper können sich die meisten von uns etwas vorstellen. Vielleicht liegt das daran, dass dieses Schwinden in den vergangenen Jahren beispiellos schnell vonstatten ging.

Zu nennen sind hier nicht nur das Schmelzen des Arktischen Meereises oder der Verlust des Grönland-Eispanzers, sondern auch der mögliche Kollaps des Westantarktischen Eisschildes, das Auftauen der arktischen Permafrostböden oder die Methan-Ausgasung aus den Ozeanen.

Diese Veränderungen bringen eben nicht nur den Verlust des Lebensraums vieler Tierarten, wie die des Eisbären mit sich. Wir und unser Überleben als Spezies sind in großem Maße von diesem Verlust ebenfalls betroffen.

Die Schmelze des arktischen Meereises

Es gibt ein Phänomen, das sich „Eis-Albedo-Rückkopplung“ nennt. Carola Rackete beschreibt es unter anderem in ihrem Buch „Handeln statt Hoffen“. Dabei handelt es sich um einen typischen selbstverstärkenden Prozess, der auch mit dem Schmelzen des Eises am Nordpol zusammenhängt.

Die helle Farbe des Eises wirft die Wärme der auf die Erde strahlenden Sonne wieder zurück. Kommt es zum Schmelzen des weißen (hellen) Eises, werden dadurch dunkle Flächen sichtbar, wie zum Beispiel die dunkle Oberfläche der Meere oder auch steinige, dunkle Flächen von Gletschern. Im Gegensatz zum weißen Eis, absorbieren und speichern sie die Wärme der Sonne. Die Temperaturen nehmen durch diesen Effekt zu und kurbeln das weitere Schmelzen des restlichen Eises an.

Ein typischer sich selbstverstärkender Prozess, der mit unseren menschlichen Möglichkeiten nicht weiter zu bremsen oder aufzuhalten ist.

Hoffen und Handeln

Das Wissen um diese Zustände und Umstände kann sehr frustrierend sein. DOCH – und das möchte ich hier nochmal betonen – FridayForFuture gehen nicht ohne Grund seit zwei Jahren auf die Straße und fordern, die 1,5°C Grenze einzuhalten. Es GIBT HOFFNUNG, wenn wir jetzt handeln und verändern.

In kurzer Zeit sind wir sehr viele geworden, um Politik und Wirtschaft auf die Finger zu schauen und einzufordern sich an die Absprachen des Pariser Abkommens zu halten und damit verabredete Klimaziele einzuhalten.

Die Corona-Pandemie hat vieles gezeigt, unter anderem, dass wir als Gesellschaften dazu in der Lage sind, zeitnah und schnell politische Vorgaben zu machen, um gegenseitigen Schutz und Solidarität zu ermöglichen.

Wir Menschen, als soziale Wesen haben die Fähigkeit uns anzupassen, zu Hause zu bleiben und veränderte Rahmenbedingungen zu gestalten und zu nutzen. Ja, diese Pandemie ist Nerven aufreibend und anstrengend. Doch das, was uns hinsichtlich der Klimakrise entgegen gerollt kommt, noch viel mehr.

Interessante Links zum Thema Kippelemente

Bei meiner Recherche gefunden habe ich zum Beispiel die Seite Planet-Schule. Hier verlinkt findet ihr ein Modul mit einer interaktiven Karte. Wenn ihr es startet, öffnet sich die interaktive Grafik, auf der ihr den möglichen Temperaturanstieg unseres Klimas regeln könnt. Daraufhin zeigt die Weltkarte betroffene Kippelemente, abhängig von der ausgewählten Temperatur. Klickt ihr auf diese, werden euch Infos bereitgestellt und angezeigt, wie das jeweilige System oder Element betroffen ist und welche Veränderungen uns bevorstehen.

Die Klimareporter° hießen mal Klimaretter und haben auf ihrer damaligen Seite ein Lexikon befüllt, in dem ihr auch nochmal kurz und knapp zu einigen Kippelementen Informationen findet. Interessant sind diese Seiten für alle, die Infos zur Klimakrise, zu aktuellen Entwicklungen und Diskussionen suchen.

Das Umweltbundesamt hat ein Hintergrundpapier entwickelt, in dem ebenfalls Kipp-Punkte im Klimasystem und damit verbundene Prozesse erläutert werden. Doch auch dieses Paper ist schon dreizehn Jahre alt. Solange gibt es diese Wissen folglich schon und ist noch nicht überall angekommen.

Wie es zum Beispiel 2009 zur Entdeckung neuer Kippelemente kam, könnt ihr auf scinexx nachlesen, aus der Retrospektive vielleicht ganz interessant.

Wenn euch dieser Artikel gefallen hat, teilt ihn gerne oder kommt mich auf Steady besuchen, um mich in meiner Arbeit zu unterstützen. Mit Leidenschaft stelle ich Informationen zur Klimakrise und unsere Möglichkeiten zusammen, in dem Hoffen, dass wir immer werden. Allerdings sind auch meine Kapazitäten beschränkt, so dass ich diesen Support nicht mehr einfach so und jederzeit sicherstellen kann. Durch eure Unterstützung ist das wieder häufiger möglich.

8 Gedanken zu „Kippelemente, was sind das eigentlich?“

  1. Die Reaktivierung hat sich aber hallo gelohnt :) Sehr schöner Beitrag, dank‘ Dir für die Zusammenfassung und die Links, von denen ich nur einen Teil kannte. Lese“freude“ für die nächsten Zugfahrten dieses Jahr :)

    Keep the change up und gutes Pandemiedurchhalten ans andere Republickende ;-)

    1. Danke dir! Das freut mich. Schön von dir zu lesen und schön, dass ich dir Lese“freude“ für die nächsten Zugfahrten zusammenstellen konnte.
      Liebe Grüße zurück udn viel Kraft für alles, was kommt.

  2. Hallo Rachel,
    vielen Dank für’s Zusammenfassen von diesem doch komplexen Thema.
    Ich hatte zwar schon einen Teilaspekt davon in einem Podcast gehört, aber tatsächlich noch nicht die Zeit gefunden mir das große Ganze anzusehen. Schade, dass die Wissenschaft da schon so viel weiß, aber nicht ausreichend gehört wird. Aber ich glaube auch, dass die Pandemie eindrucksvoll gezeigt hat, dass wir unser Leben anpassen können, wenn es darauf ankommt. Und im Gegensatz zu „daheim bleiben und Däumchen drehen“ gibt es da viele Anpassungen, die Freude machen :-)
    Liebe Grüße Vanessa

    1. Hi Vanessa,
      genauso. Es gibt so vieles, was sich politisch und wirtschaftlich machen lässt. Die Pandemie hat das vor Augen geführt. Das Ganze unterstreicht damit nochmal mehr, wie absolut notwendig es ist, dass wir dieses kommende Zeitfenster von einem Jahrzehnt nutzen. Zusammen.

  3. Ich habe noch nie etwas über Kippelemente gehört. Natürlich weiß man wenn man sich damit beschäftigt dass sich das Klima verändert aber dass es um Ökosysteme geht, um Veränderungen z.b. des Regenwaldes oder die Zerstörung von Korallenriffen, Schwächung der Weltmeere usw.. hätte ich nicht gedacht. Kippelemente sind Prozesse und Systeme unseres großen Klimasystems, bei deren massiven Veränderung es irgendwann zum Kipp-Punkt kommt. Danke für den Beitrag, so lernt man jeden Tag dazu

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