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Konsumenten an die Macht?

Eine Frage der Nachhaltigkeit Konsumentenmacht

Liebe Rachel,
heute bin ich wieder gefragt und soll dir auf deine letzte Frage der Nachhaltigkeit antworten. Worum es geht? Kurz gesagt um uns alle. Und zwar um uns in der Rolle des Konsumenten, die wir meist mehrmals am Tag einnehmen.

Können wir mit unserem Einkauf die Welt verändern?

Die Vorstellung ist zugegebenermaßen sehr reizvoll, oder? Wir laufen also ganz gemütlich durch die Läden und schaufeln jede Menge Produkte in unseren Einkaufswagen. Und fast wie von selbst verwandelt sich unsere Welt dadurch in eine sozialere, fairere und grünere Version ihrer selbst. Allein durch unsere Kaufentscheidung als mündige Bürger*In. Hhhmmmm… ist das wirklich so? Je länger ich mich mit dieser Thematik beschäftige, desto skeptischer werde ich, dass DAS im großen Maßstab tatsächlich funktioniert.
Klar, wir können durch unsere Auswahl mitbestimmen, ob zum Beispiel eine große Drogeriekette Haarseife in ihr Sortiment aufnimmt, oder ob mehr loses Obst und Gemüse im Regal landet. Wir können auch durch stetes Nachfragen dafür sorgen, dass der Anteil an ökologisch erzeugten Lebensmitteln und Kleidung aus Bio-Baumwolle steigt. Das alles ist großartig, versteht mich nicht falsch. Und es ist in meinen Augen auch ein Weg zu weniger Plastikmüll und ein bisschen mehr grün. Allerdings mit Einschränkungen, denn

das alles funktioniert nur, weil Unternehmen uns etwas verkaufen wollen.

Große Discounter und Supermärkte wollen uns schlicht nicht als Kunden an Unverpacktläden und Wochenmärkte verlieren. Sie wollen auch nicht, dass wir in Zukunft mehr selber machen und unseren Konsum grundsätzlich überdenken und beschränken. Durch kleinere Veränderungen im Sortiment der großen Unternehmen sollen wir weiterhin bei ihnen (und nirgendwo sonst) einkaufen und unser Geld lassen. Das generelle Geschäftskonzept, das sich in vielen Fällen trotz allem auf Masse und Billig stützt verändert sich nicht. Warum? Weil Unternehmen wachsen wollen. So funktioniert die Wirtschaft der Gegenwart. Leider!

Ein Shirt aus Bio-Baumwolle für 4 € und ein günstiger Bio-Apfel aus Chile erfüllen grüne Kundenwünsche.

Sie lösen allerdings nicht das Grundproblem. Im Gegenteil, sie verschärfen all die negativen Folgen von übersteigertem Konsum. Diesmal lediglich mit vermeidlich besserem Gewissen für uns Konsumenten. Warum? Weil zu viel nicht automatisch dadurch besser wird, dass es irgendein ökologisches oder faires Label bekommt. (edit Rachel: Dazu findet ihr hier im Blog an dieser Stelle was zu grünen Lügen und Kathrin Hartmanns Buch.)

Haben wir als Konsumenten also wirklich die Macht?

Wir schon gesagt, ich bin skeptisch. Die Dinge, die wir täglich konsumieren sind heutzutage das Produkt ausgeklügelter Marketingstrategien. Vielfach ohne, dass wir uns dessen überhaupt bewusst sind. Uns wird sehr überzeugend auf allen Kanälen vorgelebt, was wir alles für ein vermeindlich zufriedenes Leben benötigen. Und zwar dringend. Ob all diese überflüssigen Dinge und Produkte dann fair oder ökologisch sind, spielt für mich fast eine untergeordnete Rolle.

Viele Produkte sind und bleiben bei genauer Betrachtung überflüssig.

Wenn nun also die Macht des Konsumenten schon in kleinem Maßstab schwierig ist, wie ist es im großen? Ihr ahnt es schon. Es wird nicht leichter und das zeigt das Beispiel eines Boykotts von RWE in dramatischer Deutlichkeit. Die Ereignisse im Hambacher Forst haben die Menschen für den Klimaschutz mobilisiert. (edit Rachel: Zum Beispiel zur Aktion „Bäume würden Fahrrad fahren“ auch unter dem Hashtag #BäumewürdenFahrradfahren im Netz zu finden, die ihr hier findet.) Und jetzt? Eigentlich ganz klar, oder? Einfach den Stromvertrag mit dem bösen RWE-Konzern kündigen und schon wird alles wieder gut. Nur leider ist das nicht ganz so einfach, denn heute stehen die meisten Unternehmen nicht mehr für sich alleine. Sie sind über komplexe Verträge, Mutter-Tochterbeziehungen und Konkurrenz miteinander verknüpft und man muss genau abwägen, wem man mit seiner Aktion nützt und wem man eher schadet.

Sollen wir Konsumenten jetzt einfach aufgeben?

Meine klare Antwort ist NEIN! Auf keinen Fall. Ja, es ist durch all die Verflechtungen von Unternehmen und wirtschaftlichen Interessen nicht einfach ein Zeichen als Konsument zu setzen. Aber die gute Nachricht ist, es ist auch nicht unmöglich! Es kostet eben nur ein bisschen mehr Aufwand die Dinge und Zusammenhänge kritisch hinterfragen zu wollen. Und auch wenn es oft kein klares Schwarz und Weiß zu geben scheint, so hilft es dennoch bewusst Grau zu wählen. Und es hilft auch sichtbar zu werden und seinen Unmut laut zu äußern. Egal, ob in den sozialen Medien, auf Demos oder im Bekanntenkreis.

Denn wer schweigt, wird unsichtbar.

***

Liebe Rachel, ich hoffe du konntest mit meiner Antwort etwas anfangen ;-). Was ich noch rausgelassen habe ist die Politik. Von der würde ich mir mehr Unterstützung erwarten, denn alle Politiker haben einen Eid darauf geleistet, uns Bürger vor Schäden zu bewahren. Das gilt meines Erachtens ebenso für die Folgen des Klimawandels und der Plastikvermüllung wie für die negativen Konsequenzen eines Raubbaus am Boden und seiner Organismen durch die konventionelle Landwirtschaft. Das bedeutet im Klartext, dass die Politik uns Verbraucher viel mehr in unseren Anliegen unterstützen, und unserer Macht als Konsumenten mehr Gewicht verleihen sollte.
Und damit bin ich gleich bei meiner nächsten Frage der Nachhaltigkeit an dich. Du weißt ja sicher, dass am 14. Oktober Landtagswahlen in Bayern sind. Was wäre denn dein persönlicher Wunschzettel an die Politik?

Konsumenten an die Macht

2 Gedanken zu „Konsumenten an die Macht?“

  1. Da gab es mal ein schönes Beispiel im Fernsehen. Eine Tierärztin mit Büffelranch. Büffelmozarella wurde erzeugt und war bereits vor jeder Saison ausverkauft. Jetzt sollte sie für Wachstum umziehen und die Herde vergrößern. Sie meinte sinngemäß, es geht allen gut und ich brauche kein Wachstum. So ist es genau richtig. Für die Tiere und die Mitarbeiter. Die Büffel wirkten auch sehr gechillt.

    Das Kein-Wachstum-Konzept finde ich auch privat gut anwendbar. Mehr hat oft keinen Mehrwert. Die größere Wohnung, die dritte Herdplatte … lieber klein denken. Die Leute denken und bauen zu groß.

    lg Tanja

    1. Liebe Tanja,
      Du schreibst mir aus dem Herzen. Genau deshalb wohnen wir auch immer noch zu viert in 3 Zimmern. Das funktioniert ganz wunderbar und wir vermissen nichts. Am wenigsten mehr Platz für noch mehr Zeug ;-)… und kuscheliger ist es auch noch.
      Alles Liebe
      Alex

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