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LeseStoff: Zuhause kann überall sein von Kobald, Irene und Blackwood, Freya

(erschienen im Knesebeck Verlag) Seit ein paar Wochen beschäftigt mich der Gedanke, wie es wäre ein Kind aufzunehmen, dass seine Eltern vermisst? Dass seine Eltern vielleicht während der Flucht vor Krieg und Bedrohung verloren hat?

Wie würde sich mein Leben ändern? Wie würde sich unser Alltag als Familie verändern? Würde ich noch mehr rotieren? „Am Rad drehen“? Wobei ich finde, hier hat sich in dem letzten halben Jahr viel beruhigt – auch wenn ich mich häufig doch mal zu laut finde oder meine pädagogische Konsequenz bezweifle. Wie wäre das mit der Sprache? Wieviel Fremdsprache müsste ich mir aneignen müssen? Und das Kind? Das Kind, dass aus einer traumatischen Situation in unsere Familie geworfen werden würde? Was wäre mit dem? Wie würde es seine eigene, anfängliche Sprachlosigkeit empfinden? Wie könnte ein Entgegenkommen ausschauen?

Und in diese Situation erschien dann dieses Buch: Zuhause kann überall sein. Ich war neugierig, zumal es sich um ein Bilderbuch handelt und es eben in erster Linie für Kinder verfasst wurde.

Worum es geht? es geht um ein Mädchen, das in seiner Heimat Wildfang genannt wird. Das Mädchen flüchtet vor einem Krieg und gelangt in ein Land, das dem unseren sehr ähnlich sieht. Eindrücke, Erlebnisse und auch die Sprache prasseln sie auf ein und sie fühlt sich erschlagen. In ihren vier Wänden kuschelt sie sich in ihre Decke, die ihr Heimat ist. Die aus Worten, Erfahrungen und Augenblicken besteht, die sie einhüllen, ihr gut tun. Dann trifft sie auf ein Mädchen, das sie anlächelt. Erst ist es die Scheu, die sie auf Abstand hält. Aber sie treffen sich wieder und die beiden Mädchen schaukeln. Das andere Mädchen schenkt ihr Worte. Und auf einmal entsteht eine zweite Decke, an der das geflüchtete Mädchen arbeitet und einfügt.

Was mir sehr gefallen hat:
Die Bilder sind sanft und lebensnah gezeichnet. Sie sind schön anzusehen. Die Farbwahl und Strichführung vermitteln viel von dem Gefühl, das die Autorin durch den Text in Worte zu fassen versucht. Als ich das Buch mit meinem ältesten Sohn gelesen habe, konnte ich an seinem Gesicht, seinen Gedanken, Fragen und seinen Reaktionen auf die Bilder sehen und hören, wie sehr ihn das Schicksal des Mädchens berührte. Wie toll er es fand, dass die beiden Mädchen aufeinander zugehen. Wie kalt und lieblos ihm aber auch die Welt erschien, in die dieses Mädchen geflüchtet war.
Das Bild der Decke musste ich ihm erst erklären. Vielleicht ist er aber für diese abstrakte Vorstellung einfach doch noch etwas zu jung.

Die Texte sind sehr deutlich verfasst und ermöglichen viel Raum, sich in die Gefühlswelt eines kleinen Mädchens zu versetzen, das
a) die Heimat verlassen muss und
b) in einem ihm völlig fremden Land Zuflucht findet.

Fazit: „Zuhause kann überall sein“ ist ein Bilderbuch, das sehr gefühlvoll in die Gedanken- und Erlebniswelt eines geflüchteten Menschen begleitet. Die aktuelle Thematik auf der Flucht zu sein und sich nach einem Zuhause zu sehnen werden kindgerecht aufbereitet und treffen dort, wo es am wichtigsten ist: Im Herz.

Ein Buch, das für Eltern und Kinder ein großer Gewinn ist und ruhig im Bücherregal des Kinderzimmers Platz finden sollte.

PS: Wir müssen uns damit auseinandersetzen, was diesen Menschen passiert. Wir sind diejenigen, die zu verantworten haben, was unsere Kinder und Enkel über uns sagen werden, wie sie uns sehen werden.
– „Wieso habt ihr die Menschen auf den Booten einfach untergehen lassen?“
„Haben wir ja gar nicht.“
– „Warum holt die denn keiner rüber und verteilt sie auf uns reiche Länder?“
„Was soll man dazu sagen? Wir konnten es nicht.“
– Warum?
„Weil.“
– „Das ist doch keine Antwort, Mama/Oma!“
„Weil, wir können ja nicht alle aufnehmen. Zu wenig Platz.“
– „In meinem Zimmer ist aber noch Platz.“
.

Daher werde ich diesen Blogpost wieder unter #bloggerfuerfluechtlinge verlinken. Um ein Sprachrohr für diejenigen zu sein, denen wir helfen müssen.

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