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Das Gemüse und die Not

„34€uro…“-irgendwas. Die Kasse springt auf und ich krame in meinem Geldbeutel. Einen Kerl auf dem Arm, einen anderen im Auge behaltend, während er schon an der Ladentür klebt, um endlich raus zu kommen. Endlich springt mir die richtige Münze in die Hand und ich zahle meine Einkäufe. Eine mittelgroße Kiste mit Obst und Gemüse und zwei Tragetaschen, die zwar nicht ganz befüllt, aber dennoch genügend schwer sind, um zu fragen: „Darf ich die Kiste hier eben stehen lassen?“ Ich lächel die Kassiererin freundlich, verzagt und abwartend an.
Sie lächelt zurück: „Aber natürlich. Klar.“
Hinter mir steht eine ältere Dame, ein Paket Linsen oder Hirse oder irgendwie sowas in der Hand.
Ich schiebe den Einkaufswagen eben weg, verteile Kerl und Taschen auf meine zwei Arme und dirigiere den anderen aus dem Geschäft hinaus, Richtung Auto. Vorbei an einem Auto, in dem ein etwa 70Jähriger Mann sitzt. Vermutlich der Gatte der Kundin hinter uns. Die mit dem Paket Hirse.

Draußen ist es unglaublich heiß. Bestimmt 32°. Gefühlte 38°, da unter Anstrengung und Konzentration Schätze und Einkäufe zum Auto bugsiert werden müssen.
Wie froh ich über den technischen Fortschritt bin und die Annehmlichkeit, das Auto mittels Knöpfchen aus 5Metern Entfernung öffnen zu können.
Denn: Auch den Kerlen ist es viel zu heiß. Die Sonne knallt auf uns herab und ich bekomme den ersten Teil des Einkaufs gerade so ans Auto gehievt. „Ich hab Hunger!“ – *Määäh.“ – „Hast du was zu trinken, Mama?“ – „Mähh. Da!“ – „Maaama!“  – „…“
Noch während ich die Kerle ins Auto verfrachte und plappere, um sie bei Laune zu halten, bemerke ich eine Gestalt, die sich zu mir an die geöffnete KofferraumLuke gesellt. Bepackt mit einem GemüseKarton, der unsere Einkäufe enthält.

Ich richte mich auf und blicke ihn verdutzt an.
Mit tiefer, ruhiger Stimme beginnt er langsam zu sprechen: „Meine Frau schickt mich. …“ Ich blicke ihm kurz über die Schulter und sehe die Kundin von zuvor. Sie sitzt auf der BeifahrerSeite des Wagens. Ein Bein schon ins Auto gehoben, das andere als Stütze auf dem Asphalt des Parkplatzes abgesetzt. Sie lächelt mich freundlich an, winkt und nickt mir zu. Ich lächel zurück, winke und nicke ebenfalls. Mein Blick wandert wieder zu dem alten Mann, der inzwischen mit seiner Erklärung fortgefahren ist. „Sie meinte, ich solle Ihnen in Ihrer großen Not zur Hilfe kommen.“ Ich bin ganz aus dem Häuschen und bedanke mich fortwährend. „Das ist soooo nett von Ihnen. Vielen, vielen Dank. Das ist so lieb. …“ Seine Worte hingegen scheinen nur ganz langsam, aber überzeugt und fest über seine Lippen zu kommen. „Wir kennen das.“  Ich frage mich, was? Was ist „das“? Doch er erklärt nichts weiter, sondern stellt meine Kiste in unserem Kofferraum ab. Die Stimme der älteren Dame ertönt: „Ich hatte auch mal vier kleine Kinder. Gleichzeitig. Etwa so alt, wie Ihre.“ Sie nickt und winkt mir nochmals zu. „Vielen Dank!“ rufe ich zu ihr hinüber. „Vielen Dank.“ rufe ich dem alten, irgendwie stoisch wirkenden Mann hinterher.

Einer der Kerle hat das Ganze beobachtet und vor allem mich und meine Reaktion abgewartet. Dann schaut er mich fragend an: „Der Mann ist nett?“  – „Ja, da hast du Recht. Das war wirklich freundlich, dass der Mann uns geholfen hat.“ – „Der ist nett, der Mann.“ – „Absolut.“ Ich grinse. Und auch der Kerl grinst und hüpft Freude strahlend auf seinen Autositz. „Der Mann hat uns geholfen. Das war wirklich nett.“ meint er und ich weiß nicht, ob er die folgenden drei Minuten, während wir uns anschnallen und fürs Losfahren fertig machen, mit sich selber oder mit uns spricht.

Als wir losfahren wird es still im Auto. Ich frage mich, ob die Kerle eingeschlafen sind. Das Einkaufen und die Hitze waren anstrengend. Nach etwa zwei gefahrenen Kilometern ertönt es von hinten: „Mama?“ – „Ja?!“ – „Was ist große Not?“

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