Noch während ich die Einkäufe verstaue, das Notebook hochfährt und der Toddler durchs Wohnzimmer rast, fällt mir siedend heiß ein, dass heute die re:publica – und zwar die zehnte – in Berlin stattfindet. Wem diese Konferenz kein Begriff ist, der klickt einfach mal hier. Vielleicht reicht euch aber auch das Wissen, dass es sich um eines der bedeutendsten Festivals handelt, bei dem es um digitale Gesellschaftsthemen geht. Gewachsen aus ehemals einem Bloggertreffen, kommen hier seit rund zehn Jahren „… AktivistInnen, WissenschaftlerInnen, HackerInnen, UnternehmerInnen, NGOs, JournalistInnen, BloggerInnen, Social Media- und Marketing-ExpertInnen und …“ (Quelle: re:publica: https://re-publica.de/uber-republica, Stand 02.05.2016) viele mehr zusammen, um sich über Themen wie Netzpolitik, technologische Innovationen bis hin zu Kultur und Medien, Musik, Gesundheit und Bildung auszutauschen.
Und ich? Ich bin wieder nicht dabei. Schon die vergangenen drei Jahre wünschte ich mir so sehr bei diesem Event einmal dabei zu sein. Aber … das ist eine andere Geschichte. Denn dieses Mal entscheide ich mich dafür, die re:publica von Zuhause mitzuverfolgen.
Und was passiert, als ich hier im Hinterland meine Social Media Kanäle anschmeiße? Just in dem Moment erschallt es überall: #TTIPleaks!
#TTIPleaks
Was geht da vor? Was ist passiert? Was soll das sein? Warum berichten plötzlich alle davon? Es dauert ein, zwei Minuten – wirklich, nur so lange – und auch mein Hirn begreift, was da passiert. „Gläserner Lesesaal vorm Brandenburger Tor“ 11:22h. Das ist der Tweet, der mich fast aus den Latschen kippen lässt. Denn: Ich habe Hoffnung.
TTIP
Aber spulen wir doch zunächst noch einmal zurück. Denn es mag ja durchaus den ein oder anderen auch unter meinen Bloglesern geben, der nicht so ganz weiß, worum es sich beim TTIP handelt. Beim TTIP dreht es sich um ein Freihandelsabkommen, das USA und EU abschließen möchten und für das es sehr viel Kritik aus der Öffentlichkeit regnet. Es gibt eine Reihe wirtschaftlicher Gründe, die scheinbar dafür sprechen dieses Abkommen einzugehen und abzuschließen. Allerdings gibt es auch Nachteile, die sich aus der Erfahrung mit bisher abgeschlossenen Freihandelsabkommen ableiten lassen.
Hinzu kommt, dass die Verhandlungen zum TTIP – bis heute – hinter verschlossenen Türen, sprich unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden. Wer noch ein bisschen Konkreteres zum TTIP wissen möchte, aber dennoch kurz und knapp zusammengefasst, der schaut sich am besten dieses YouTube-Video von Attac D an.
Geheime TTIP-Unterlagen
Aus diesen bislang geheimen Unterlagen zum TTIP wurden Greenpeace Niederlande 248 Seiten, 13 Kapitel, zugespielt, die ab heute in einem gläsernen Container vor dem Brandenburger Tor in Berlin allen Bürgern zur Einsicht zur Verfügung stehen. Doch nicht nur das. Greenpeace Niederlande stellt außerdem einen Download der ihnen zugespielten geheimen Dokumente im Netz zur Verfügung. (Ich finde die Thematik so brisant, dass ich gar nicht weiß, ob ich diesen Artikel wirklich veröffentlichen soll – geschweige denn zum Download verlinken soll. Ich glaube, letzteres lass ich lieber. Aber ihr wisst ja, wo ihr’s findet…) Doch:
Demokratie braucht Transparenz
Und als ich vor zwei Jahren Lokalpolitiker nach ihrer Meinung zum TTIP und zu der Art der Verhandlungen fragte, musste ich feststellen, dass ihnen die Abkürzung TTIP überhaupt gar nichts sagte. Nichts!
Das war mir völlig unbegreiflich, weil ich dachte, dass doch gerade jemand, der sich in einem politischen Metier aufhält auch über Länder- und Bundessachen informiert sein muss. Ich bin doch „nur“ eine Hausfrau und Mutter. (Mit zu viel Zeit für solche Dinge?) Doch im selben Moment überkam mich auch die grausige Wirklichkeit, dass dieses Abkommen tatsächlich hinter verschlossenen Türen stattfand.
In den vergangenen zwei Monaten stolperte ich nun außerdem schon zweimal über eine gewisse Negativpresse hinsichtlich derjenigen, die immer noch etwas gegen das TTIP einzuwenden hätten. Schließlich sei es eine Chance für die hiesige wirtschaftliche Situation, schaffe neue Arbeitsplätze und das Chlorhühnchen könne man in der Diskussion doch mal beiseite lassen…
Wie bitte?!
Bis zu dem heutigen Zeitpunkt hat sich nicht wirklich was an der Situation hinter den Türen geändert. Noch immer gibt es Klauseln, die dazu führen könnten, dass bei Versagen amerikanischer Unternehmen – aus welchen Gründen auch immer – europäische Länder keine Schadensersatzansprüche geltend machen könnten. Meinen Ärger über solche Aussagen, die in Wochenzeitschriften veröffentlicht wurden, schluckte ich immer runter.
Jetzt, heute, bin ich froh, dass es diese 248 Seiten gibt. Als Gegenzug zu der parallel verlaufenden Negativpresse und Beschwichtigung hinsichtlich dieses Freihandelsabkommens.
Es wird Menschen gegeben haben, die Herz und Verstand hatten, diese Dokumente in die richtigen Hände zu spielen. Jetzt kann eine öffentliche Diskussion überhaupt erst geführt werden. Zwar noch nicht auf Augenhöhe, da die Dokumente noch von vor den weitergeführten Verhandlungen stammen – also vor Mitte April 2016 – aber immerhin?!? Anhand der Unterlagen ließ sich belegen:
„Das Abkommen gefährdet den europäischen Verbraucher- und Umweltschutz, bedroht Rechte und Gesetze, die über Jahrzehnte erkämpft wurden.“(Quelle: greenpeace: https://www.greenpeace.de/ttipleaks, Stand 02.05.2016)
Lasst uns drüber reden.