Sie zog den Slip hoch, kletterte in ihre Jeans und nestelte am Hosenknopf. Darum bemüht, das kleine metallische Rund durch den Schlitz zu drücken. Noch immer standen ihr Tränen in den Augen.
Sie war von der Behandlungsliege heruntergeglitten, nachdem sie sich von ihrem Weinen und Schluchzen beruhigt hatte.
Das gefällt mir nicht, hatte die Ärztin gesagt.
Sie versuchte das Gleichgewicht in der kleinen Kabine des Behandlungszimmer zu halten. Während sie in ihre dunklen Halbschuhe schlüpfte, hielt sie ihr Kleinkind, das sie noch neugierig beim Anziehen beobachtete, bei Laune. In diesem Raum beim Frauenarzt gab es für ein Kind viele Gerätschaften in den Schubladen und Schränken zu entdecken. Ein Schluchzen durchfuhr sie. Der Verdacht der Ärztin hatte sie unerwartet getroffen. Erschlagen. Zu Boden gerissen.
Die Ärztin führte sie zurück an ihren Schreibtisch im Sprechzimmer. Sie solle Hoffnung haben. Der HCG-Wert müsste mal überprüft werden. Heute und übermorgen. Der gäbe ganz eindeutige Beweise, wie es läuft.
Haben sie noch ein bisschen Hoffnung, hatte die Medizinerin gemeint. Vielleicht kriegt es ja noch die Kurve. Es.
Die junge Frau nickte, suchte nach dem kleinen Händchen ihres Sohnes und folgte der Ärztin ins Labor. In den Raum, in dem Blut abgenommen, die Herztöne kleiner Babys aufgezeichnet und Urinproben kontrolliert wurden. Sie sank auf dem mit schwarzen Kunstleder bezogenen Metallstuhl zusammen. Den Knirps sich auf den Schoß setzend, starrte sie ins Leere.
Die Arzthelferin erschien, um ihr Blut abzunehmen.
Da nehmen wir … Sie hatte auf Autocomputer umgeschaltet. Lächelnd, nickend und den Pulliärmel hochschiebend, befolgte sie die Anweisung. … geht das so für …
Sie nickte. Alles ging. Klar. Hatte sie eine andere Wahl?
Sie war bei ihrem es. Dem kleinen Zellhaufen, der sich in ihrer Gebärmutter eingenistet hatte. Der Embryo, der eigentlich doch noch keiner wahr. Der viel zu langsam wuchs? Noch nichtmal Embryo war? Weit weg von dem, was um sie her geschah.
Die Welt war dumpf geworden. Mit einem Schlag. Die Farbe hatte sich verändert. Der Lärm hatte nachgelassen. Dumpfes Gepolter und Gebrabbel waren die einzigen Geräusche, die sie noch wahrnahm. Der kleine Junge auf ihrem linken Bein sah sie aus großen leuchtenden Augen an. „Daahha!“ Ein helles Quieken riss sie zurück in ihre Welt. In diese furchtbare, erschreckende Welt, die ihr nehmen wollte, was sie liebte. Die Arzthelferin war verschwunden, hatte was davon gesagt, sie solle zum Empfang kommen. Wenn sie soweit wäre. Ein heftiges Gefühlschaos überkam sie und wieder liefen ihr die Tränen übers Gesicht, ließen sie Schluchzer von tiefster Traurigkeit erbeben. …
Liebe Rage, ich mag deinen Schreibstil sehr – du schreibst wirklich gut!! Ich weiss nicht, ob dies eine Geschichte ist, oder das, was du erlebt hast. Falls letzteres: Fühl dich umarmt und geherzt. Es tut weh, es ist eine furchtbare Erfahrung. Aber es gibt auch die Möglichkeit, daran zu wachsen. Zu verstehen, dass so der Lauf des Lebens ist, dass wir kein Recht auf eine unkomplizierte Schwangerschaft, auf Glück, Gesundheit, Unversehrtheit und ein volles Liebeskonto haben, sondern dass dies Geschenke sind, für die es sich jeden Tag zu danken lohnt.
Liebe Grüße von Nina, die insgesamt dreimal auf ein nicht mehr schlagendes Herzchen im Ultraschall schauen musste
Auch ich hatte ein (ungutes) Deja-vue-Gefühl beim lesen, wobei es meine Tränen erst in den eigenen vier Wänden gab … ich drücke dir(?) die Daumen für ein Familienglück, dass nicht beim Arztbesuch zerstört wird.
Ihr seid unglaubliche Frauen, wisst ihr das eigentlich? Wenn nicht, dann lasst es euch von mir gesagt sein! Manchmal komme ich in der Tat an den Punkt, dass ich nicht weiß, wieviel man noch ertragen kann und am liebsten zerbrechen mag.
Der Gedanken, dass ihr ähnliches schon gedacht und gefühlt haben könntet und jetzt Frauen seid, die ihre Familien am Laufen halten… Ich bin überwältigt von euch! Und finde jede von euch sehr, sehr großartig!!
Pingback: LadyGaga und die Fehlgeburten - Mama on the rocks
Pingback: Reden über die Fehlgeburt - Mama on the rocks