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fordern und fördern. Erziehungsstile

Puh, das hier wird eine heikle Kiste. Ich weiß auch noch gar nicht, wie und wo genau ich anfangen soll. Vielleicht mit meinen beiden GedankenSchwerpunkten der letzten Tage:

1. Kurz bevor wir auf die Hochzeit gefahren sind, war ich mental ziemlich ausgelaugt. Aus lauter Vorfreude auf diesen HochzeitsTag der Freundin hatte ich mir mit den wilden Kerlen einfach zu viele VorbereitungsPunkte aufgeladen. Drei Tage vor der Hochzeit habe ich ganz viele ToDos von der Liste gestrichen und es ging mir erstaunlich gut damit.
Die Hochzeit war großartig und ich hatte im Vorfeld einfach wieder einen freieren Kopf für die Kerle und mich hier Zuhause. Denn parallel zu diesem großen Event war es mir plötzlich viel wichtiger, die Jungs zu mehr Selbständigkeit zu erziehen. Ich würde nicht sagen, dass ich sie gängel und gegängelt habe. Es gibt aber schon klare Grenzen und ich fragte mich plötzlich, ob ich ihnen nicht doch mehr zutrauen könnte und vor allem sollte. Beide Fragen beantwortete ich für mich recht schnell mit „Ja!“. Damit könnte das Vorhaben eigentlich abgeschlossen sein, aber irgendwie ging’s dann erst richtig los. Ich machte mir Gedanken darüber wie wir hier, in unserem Alltag, Zuhause, in unserem Leben eingerichtet sind. Mit Gegenständen, Möbelstücken, Ritualen und Verhaltensweisen. Auf einmal hatte ich ein furchtbar schlechtes Gewissen und das Gefühl, meinen Kindern wichtige Erfahrungen für ihren Weg zur Selbständigkeit vorzuenthalten, zumindest vorenthalten zu haben. So ein Gedanke und Gefühl kann sehr mürbe machen. Noch immer bin ich damit beschäftigt, mich von diesem negativen GedankenBallast zu lösen; zu entscheiden und herauszufinden: „Was ist unseres?“ und „Was meine ich so machen zu müssen, weil andere Mamas es machen?“ und „Warum will ich es so oder so machen?“

2. Dann war da diese Woche eine der FrüherkennungsUntersuchung: Es fehlt das „kr“ und das „sch“. Außerdem wird der Stift nicht richtig beim Malen gehalten und das Männchen sieht nicht nach Männchen aus. Mal abgesehen davon, will das Kind sich keine Karten a lá „magisches Auge“ ansehen. Ein Viereck malen? Dann doch lieber eine Rakete, die in den Weltraum fliegt. Pfffh. Und jetzt? Keine alterspezifische Entwicklung? Im Ernst? Mein Kind erzählt mir Zuhause Geschichten von wilden Ritterkämpfen, rennt und läuft, balanciert, springt und klettert durch die Wohnung. (By the way: Ich bin so froh, dass wir hier durchs Reduzieren keine Deko mehr stehen haben…) Er erkennt ethisch korrektes Verhalten, um  es mal ein wenig erhaben zu formulieren, spielt und baut mit Vorliebe in Sand und Matsch. Sozial integriert, toller SpielPartner und Hummeln im Hintern. So. Was bleibt: Nicht Schubladenkonform.

Ich bin drauf und dran, mir meinen Zimbardo (PsychologieNachschlagewerk) und meine Unterlagen aus StudiumsZeiten zum Thema Pädiatrie und EntwicklungsPsychologie rauszukramen… Ich muss dazu schreiben, dass ich mich bei der Geburt, nein, eigentlich schon bei meiner ersten Schwangerschaft dazu entschieden habe, alles sozialpädagogische Wissen erstmal außen vor zu lassen. Von meiner Hebamme hörte ich hinsichtlich der Vorbereitung auf die Geburt immer wieder den Satz: „Du wirst Mutter. Du wirst das alles auch ohne meine Hilfe von ganz alleine richtig machen.“ Natürlich, da ging es um die Sache mit dem Atmen bei den verschiedenen Wehen. Natürlich, es kann immer auch eine krasse Geburt anstehen, bei der ich als Frau auf die Hilfe von außen angewiesen bin. Aber grundsätzlich gilt erstmal: Du wirst es als Mutter schaffen, dein Kind zur Welt zu bringen. Es großzuziehen. Diesen Gedanken habe ich damals auf die Erziehung, Pflege und Gestaltung meiner Beziehung zu den wilden Kerlen adaptiert und meine noch heute, dass das gar nicht mal so verkehrt ist. Mein Bauch, mein Herz und mein Verstand weisen mir bislang recht gut unseren Weg durch den ErziehungsDschungel.

Ich wollte und will einfach umgehen als diplomierte Sozialpädagogin meine Kinder zu sehr nach irgendwelche wissenschaftlichen, sozialmedizinischen, entwicklungspsychologischen Erkenntnissen groß werden zu lassen. Auf Kosten meines natürlichen MutterInstinkts, der wiederum nur schwer greifbar ist.

Jetzt entdecke ich gerade die MontessoriDenke für mich und merke, „Das gefällt mir.“ Gleichzeitig quetscht sich aber jedes Mal der nagende Zweifel dazwischen, habe ich bislang alles falsch gemacht? Werden meine Kinder dennoch selbständig und „mündig“? Gefestigte und freie Persönlichkeiten? Vom Kopf her kann ich diese Fragen recht gut beantworten. Mein Herz lässt mich manchmal ein wenig verunsichert stehen.

In diesem mal mehr, mal weniger großen und belastenden GedankenChaos befinde ich mich gerade. Ich muss mal schauen, was ich die nächste Zeit damit anfange.

Wie macht ihr das? Auch Gefühl und Herz und Bauch? Oder doch mehr Wissenschaft, Förderbedarf? Oder beides? An welchen Maßstäben orientiert ihr euch, in der Erziehung eurer Kids? (Ich hab noch keinen einzigen ErziehungsRatgeber in die Hand genommen. Fehler?!? – Ich glaub nicht. Passt nicht zu mir. Aber vielleicht zu dir?)

11 Gedanken zu „fordern und fördern. Erziehungsstile“

  1. Hallo! Ich bin Mama von 2 Jungs (fast 6 und fast 1) und mir geht es ähnlich. Ich bin zwar keine gelernte Pädagogin, aber ich habe schon immer (angefangen beim Päda-Unterricht in der Schule) alles aufgesogen, was mit Sozialisation und Erziehung zu tun hat. Ich habe also auch jede Menge an Theorie-Wissen und doch wird mir immer mehr und öfter bewusst, auf was es (mir) wirklich ankommt bei der Erziehung.

    Es geht um uns 4. Kind, Kind, Papa, Mama, um uns als Familie. Niemand hat uns da reinzureden, keine Oma, kein Erziehungsstil, keine Kinderärztin. Natürlich haben wir Leitideen und Vorstellungen und ich lasse mir auch Tipps und Anregungen geben. Aber unsere Familie verändert sich, ständig, das Leben verändert sich, auch unsere Werte verändern sich. Und ich lasse mich nicht mehr verrückt machen, ich vertraue darauf, dass wir das zusammen richtig machen. Immer öfter. Fast 6 Jahre habe ich gebraucht dahin zu kommen, aber im Moment habe ich wirklich das Gefühl, mein volles Vertrauen in mein Mama-Sein gefunden zu haben.

    Also, ein bisschen Theorie, ganz viel Instinkt und Gefühl und Liebe, immer Liebe!

    Ganz liebe Grüsse, Sina (die sich seit ein paar Tagen sehr gespannt durch dein Archiv arbeitet)

  2. Ich teile deine Meinung, auf seine Mutterinstinkte zu hören durchaus, auch ich glaube, dass der Mutterinstinkt ein wichtiger Überlebungsfaktor in der Natur ist.
    Ich denke aber nicht, dass Kinder, die ohne Montessori aufwachsen, keine selbstständigen Erwachsenen werden können, sehr wohl glaube ich aber, dass sie durch diese Methode mehr an sich glauben lernen und selbstsicherer werden. Ich kann das Buch von Maria Montessori „Kinder sind anders“ gar nicht oft genug weiterempfehlen. Es ist kein Erziehungsratgeber, sie erzählt im Buch einfach über ihre Gedanken, Erfahrungen, Geschichten die mich sehr zum Nachdenken gebracht haben. Wärst Du in Wien, würde ich mit Dir gerne einen Kaffee trinken und Dir das Buch sofort ausborgen!

    Ich komme aus einer sehr konservativen Familie, wo eine gut gemeinte „Ohrfeige“ nicht selten war. Auch, dass Kinder nichts zu sagen haben, weil sie eben nichts wissen können, war eine normale Ansicht. Ich war schon immer eine Rebellin und wollte um keinen Preis meine Tochter (meine Kinder) so erziehen. Doch weil ich nie erlebt habe, wie Konflikte in der Familie „gesund“ gelöst werden können, nahm ich liebend gerne Bücher von Jesper Juul und Montessori in die Hand. Ich verstehe aber sehr wohl, was bei Dir gegen Erziehungsratgeber spricht.

    Du darfst kein schlechtes Gewissen haben, denn Du liebst deine Kinder und machst Dir viele Gedanken um ihr Wohl. Jede Familie, jede Person und jede Gegebenheit ist anders und daher muss auch jeder den passenden Weg für sich selbst finden. Kümmere Dich nicht darum, wie das andere Mamas machen, wenn Dir aber was gefällt, wenn Du etwas durchaus gut findest, probiere es aus. Wichtig ist nur, dass jeder damit glücklich ist. Kopf hoch!

    Wenn ich manchmal in so einer Stimmung bin, mir zu viele Gedanken mache, hilft mir nur eins: Die Zeit. Dann passiert plötzlich etwas, etwas unerwartetes, ein Satz oder ein Geschehen oder ein Traum was bei mir die Antworten bringt. ;)

    Alles Liebe,
    Anna

    P.S.: Das Papier habe ich von Eduscho. Da gab es mal so eine Themenwoche mit Basteln. ;)
    (Ich hoffe, meine Beiträge waren nicht der Auslöser deiner Stimmung, da würde ich mir wirklich Vorwürfe machen.)

    1. Danke für deinen lieben Kommentar. Das macht Mut! Deine BlogPosts sind mir Inspiration und Herausforderung. Schade, dass Wien so weit weg ist. Ich hätte deine Einladung prompt angenommen! ;) Das Buch hab ich mir jetzt mal in der Bücherei geordert… Hast du noch einen PraxisTipp? Ein Buch, das eine Sammlung vieler guter Ideen bietet. Neben deinem Blog?

    2. Ach so… das mit dem familiären Background… Ich kenne das. Zwar nicht die Ohrfeige, aber den „Klaps“ auf den Hintern. Ich glaube, das wird nochmal einen eigenständigen Beitrag geben… Erstaunlich, wie sich Leben gerade deswegen weiterentwickelt. So anders. …

      1. Also sehr geholfen haben mir folgende Bücher: Heidi Maier-Hauser: Lieben, ermutigen, loslassen, Paula Polk Lillard, Lynn Lillard Jessen: Montessori von Anfang an, und stark praxisorientiert sind folgende Bücher: Jutta Bläsius: Übungen des praktischen Lebens für Kinder unter 3 Jahren, Jutta Bläsius: „Das kann ich schon selber!“, Maja Pitamic: Zeig mir mal, wie das geht!
        Solltest Du ein Buch finden, das hier nicht aufgeführt wurde, könntest Du es mir dann weiterempfehlen? Ich bin ständig auf der Suche! ;)
        Ein sehr schönes Titelbild hat Du dir ausgesucht! :)
        LG,
        Anna

  3. Hallo rage,
    Feinmotorik und Sprachentwicklung hängen zusammen. Je geschickter und differenzierter die Bewegungen des Kerlchens werden, desto besser wird seine Feinmotorik zum Sprechen lernen. Frag doch mal im Kindergarten. Die beobachten das ja auch für die Entwicklungsberichte. Rennen, laufen, springen, klettern sind grobmotorische Dinge. Stift halten ist wieder Feinmotorik.

  4. Ich habe mir in den letzten Jahren viele, viele, viele Gedanken zu dem Thema gemacht und bin auch nicht immer in jeder Situation zu DER richtigen Lösung gekommen. Ich glaube, dass die vielen Überlegungen schon mal ein guter Anfang sind. Mir gefällt die Aussage von Sina sehr gut: Es geht um uns vier. …, um uns als Familie…. Genau!
    Wenn ich mir meine Kinder so anschaue, bin ich stolz auf sie. Natürlich gibt es nicht nur Höhen, aber wir schaffen das als Familie schon. Als nächste Herausforderung steht jetzt wohl zweimal Pubertät an!

  5. Hallo. :)
    Ich habe deinen Post mit großer Interesse gelesen, bin Logopädiestudentin im ersten Semester und deshalb finde ich die Reaktionen von Eltern auf solche Ergebnisse von Früherkennungsuntersuchungen sehr aufschlussreich. Erstmal kann ich dich beruhigen: kr und sch sind sehr schwierige Laute, vor allem das sch, welches als letzter Laut im kindlichen Spracherwerb gelernt wird. Und auch bezüglich deines Erziehungsstils brauchst du dir mit Sicherheit keine Sorgen machen, da du engagierte Mutter und sogar Pädagogin bist, wirst du da sicher großteils alles richtig machen – und dass ist das Wichtigste, denn perfekt ist niemand. ;)
    Zum vorherigen Post: Motorik und Spracherwerb hängt nicht direkt zusammen, die kognitive Entwicklung hat zwar auch Einfluss auf die sprachliche Entwicklung, jedoch kann auch ein beispielsweise körperlich behindertes Kind Sprache erlernen!
    Ich würde dir empfehlen, mit den Kindern Bilderbücher anzuschauen, auf ihre Fragen möglichst immer eingehen, Spielsituationen zum Sprache lernen nutzen und generell das Kind zum Reden animieren. Wenn du diese Ratschläge beachtest, ist mit Sicherheit ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gemacht. :)
    Liebe Grüße, Julia

    1. @Julia: Danke für deinen Kommentar und die Motivation. Ja, das ist so eine Sache mit der Sprache. Ich habe mich sehr an unsere tolle Logopädin erinnert, die damals nichts anderes gesagt hat, als du in deinem comment.
      Ich arbeite gerade in der Tat am meisten an mir und meiner Einstellung zu Erziehungsfragen. Der Post ist inzwischen ja schon was älter. Aber ich weiß noch, worum es geht. Dennoch hat sich meine Perspektive noch ein wenig verändert.
      Ich versuche mich in Gelassenheit zu üben und dennoch meine Entscheidungen bzgl des Forderns und Förderns zu reflektieren, bevor ich sie umsetze. Manchmal erfordert der Alltag nur leider sofortige Reaktionen…
      Mein PädagogenDasein versuche ich sehr bewusst außen vorzulassen. Aber ich merke, dass es sich allein in meinen Neigungen und SpielzeugZusammenstellung doch immer unterbewusst breitmacht…
      Der Job als Mama ist häufig alles andere als einfach, aber wertvoll und unersetzlich.
      Danke nochmal für deine Ermutigung!

  6. Hi,
    ein Satz den ich mal in Bezug auf Kindererziehung las lautete: „Früher hatte ich alle Antworten, jetzt habe ich Kinder!“ :-) So geht es mir manchmal. Ich liebe Bücher und lese sehr gerne auch Ratgeber.
    Als ich nur meine Tochter hatte hab ich viel bewusst nach den Büchern gehandelt – aber sie war auch sehr umgänglich. Nun mit dem kleinen Sohnemann und eben einer nun dreijährigen oft nicht umgänglichen Tochter hab ich seit langem keinen Ratgeber mehr angerührt. Hat mich zu sehr gefrustet.
    Aber ich merkte auch, dass nur Bauchgefühl auf Dauer nicht reicht. 1. muss man ja auch gemeinsam erziehen (und was ist wenn das Bauchgefühl vom Partner ganz anders ist? NIcht ist schlimmer bzw. verunsichernder für ein Kind als zu merken, dass Mama und Papa uneinig sind) und 2. hab ich gemerkt, dass mir beide immer mehr auf der Nase rumtanzen. Und immer nur dann ernst werden wenn es mir reicht und ich genervt bin, dass fand ich erst recht lieblos. Dann lieber eine liebevolle Erziehungsstrategie.
    Was mir nun wirklich hilft nennt sich „Realitätsdisziplin“ und ich bekomme viele gute Inputs von dem Buch: „DIe Rebellen bändigen“ von Kevin Leman (Familienpsychologe).
    Vielleicht hilft es dir auch?
    Seit ich eine klare LInie habe, die mich selbst als Wertvoll und als Respektperson vor den Kindern stellt, bin ich auch viel liebevoller, geduldiger und kreativer mit Ihnen. Und es tut uns allen echt gut. Mein kleiner Mann kratzt viel weniger und meine Tochter ist viel weniger schnippisch. Ich bin froh, mal wieder ein Buch in die Hand genommen zu haben.

    P.S. war am rumgoogeln was es an Mama Blogs gibt, denn ich überlege einen zu eröffnen. Bei Tipps oder Ideen, freue ich mich über eine Nachricht! Danke

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