Sie im Geburtsvorbereitungskurs zum Thema Wochenbett: „Vier Wochen nach der Geburt noch immer im Schlafanzug durchs Haus rennen? Ich nicht!“ Vier Wochen nach der Geburt: Es ist 14h. Das dreijährige Kindergartenmädchen macht seinen Mittagsschlaf, die Oma hat sich angemeldet, um ein bisschen Haushalt abzunehmen, das Baby hat sich tief in die Armbeuge der Mutter gekuschelt und ruht sich vom Trinken an der Brust aus. Die Frau sitzt auf dem Sofa und trägt einen hellen Schlafanzug mit roten Blümchen… Wie war das nochmal?!!
Manchmal kommt es anders, als man denkt. Ich finde es seltsam, dass wir heute so sehr danach streben schnellstmöglich wieder auf die Beine zu kommen. Nein anders, ich fühle mich hin und hergerissen. Einerseits will ich mein Baby kennenlernen. Eine Beziehung zu diesem kleinen Persönchen aufbauen, das ich solange mit mir herumgetragen habe. Schließlich wollen ja auch alle genau das. Dass ich mich als Frau von den Strapazen erhole und einen guten Start mit dem neuen Erdenbürger habe. Andererseits möchte ich wieder in meinen Rhythmus finden, Alltag so einfach wie möglich leben können. Meinen Aufgaben und Pflichten mit einer gewissen Leichtigkeit nachkommen. Dazu gehört mit Sicherheit auch das geregelte Aufstehen und bereit sein für den Tag. Wie soll das bitte schön im Schlafanzug gehen? Nun ja…
Nachdem ich meinen gezwungenermaßen zweiten Klinikaufenthalt hinter mir hatte, haben wir unter unseren Freunden und Bekannten, in unserer Familie und Nachbarschaft einen ‚Notruf‘ abgesetzt. Mein damaliger Hormonhaushalt, unsere neue Lebenssituation als Familie mit mehreren Kids und meine Angst dem Ganzen nicht gerecht zu werden, haben letztlich zu dieser scheinbar ‚auswegslosen‘ Situation geführt. Ab diesem Augenblick hatte der Ausdruck ‚Wochenbett‘ eine ganz neue Bedeutung für mich.
Nicht nur ich war mir bzgl Ruhe und wieder Loslegen unschlüssig. Auch mein Umfeld ist mir mit teilweise völlig kontroversen Erwartungen begegnet. Der gesprochene Satz: „Du musst dich ausruhen.“ mit dem damit verbundenen besorgten Blick „Wirst du es wirklich wieder schaffen zurecht zu kommen?“, war nicht ganz so förderlich. „Du musst sagen, wenn dir die Renovierungsarbeiten zu stressig sind.“ wieder verknüpft mit einem Blick, „Bitte nicht. Stell dich nicht so an. Du wirst davon schon nichts mitbekommen.“ Du sollst dich ausruhen und dann wieder Teil der Gesellschaft werden, wenn dir danach ist – natürlich innerhalb dieser acht Wochen. Besser noch möglichst nach drei. Alles wartet förmlich darauf, dass du dich mit deinem neuen Baby endlich auf eine VorführRunde im Kinderwagen losmachst. Aber natürlich absolut nur dann, wenn du dazu bereit bist.
Dieses gefühlte HinundHer ist irgendwie das Letzte, was zumindest ich unmittelbar nach der Geburt gebrauchen konnte.
Für mich persönlich habe ich daher folgendes aus dem ‚Wochenbett‘ herausgezogen und sehr bewusst entschlossen:
1. Nicht umsonst war es (scheinbar) im Mittelalter so, dass vornehme Frauen, die ersten sechs Wochen ihre Burg nicht verlassen haben, um gemeinsam mit dem Neugeborenen wieder zu Kräften zu kommen. Nicht umsonst gibt es heute so etwas wie die Zeit des Mutterschutzes. Frau kann mit sich, dem Baby, dem neuen Leben in den Alltag finden – ganz wichtig: in ihrem Tempo.
2. Nicht nur Familie, Umfeld und ich sind voll auf Baby eingestellt – auch mein Hormonhaushalt kennt Nichts anderes. Alles andere… Pffh. Gegen Hormone kommt keiner, nicht mal frau selber so leicht an.
3. Die Erwartungen anderer habe ich gelernt für diesen Zeitraum völlig zu ignorieren. Die einzigen erwartenden Augen, denen ich versucht habe alles abzulesen, waren die meiner Kinder und meines Mannes. Aber auch Letzterer musste in diesen acht Wochen erstmal hintenanstehen.
4. Mein Umfeld hat tatsächlich ganz oft total verquerte Vorstellungen, wie ich als Mama sein soll, was ich wie handhaben soll. Ganz oft sagt es mir: „Das ist ja deine Entscheidung. Du machst das schon.“ Aber gleichzeitig schüttelt es den Kopf, wenn ich es tue. Mamas, das ist einfach so. Das Umfeld kommt aus seiner eigenen Haut nicht raus. Lasst den Kopf nicht hängen. Dennoch seid ihr die besten Mamas, die es für eure Kids geben kann.
5. Ich glaube, früher war das anders mit dem Wochenbett. Aber außer ein wenig Verständnis für so manche Erwartung in der ein oder anderen Situation bringt mir diese Erkenntnis heute nicht so wirklich viel.
Mein Resümee: Das Wochenbett ist wichtig. Es hat seine Berechtigung. Es ist wirklich sinnvoll im Schlafanzug herumzulaufen, wenn einem danach ist. Das habe ich für mich auch heute noch als kleine Errungenschaft in unser ganz normales Alltagschaos mitgenommen.
Geheimtipp: Wusstet ihr eigentlich, dass Schokopralinen in diesen ersten acht Wochen nach der Geburt absolut ganz ehrlich kalorienlos sind. ;)