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Ganzkörpermassage, Anonymität und Hornhaut

Es wird mal wieder Zeit für so eine typische „Das-kann-ja-auch-nur-mir-passieren“-Situation. Passt auf: Vor ein paar Monaten hat mir mein Mann einen Gutschein in einem WellnessTempel geschenkt. Um diesen Gutschein nicht verfallen zu lassen, habe ich vor drei Wochen den TelefonHörer in die Hand genommen und einen Termin vereinbart. Für heute. Ich hatte tatsächlich die Möglichkeit einfach das auszuwählen, was sich interessant angehört hat. Prompt stand der Termin für eine „Fühl-Dich-gut“-Massage. Was ich heute morgen wieder vergessen hatte: Es handelte sich um eine Ganzkörpermassage. Ganzkörpermassage.

Für viele, die meisten, vielleicht auch nur einige wenige, mag das das Normalste der Welt sein. Ich habe sowas noch nie in Anspruch genommen. Klar, 20 Minuten Massagen beim PhysioTherapeuten wegen Rückenbeschwerden. Aber war das zu vergleichen mit einer Ganzkörpermassage? Dass es sich eben nicht nur um den Rücken und die Schultern handeln würde, wurde mir auch erst vor Ort, am Empfangstresen in Erinnerung gerufen.

Jetzt muss ich dazu sagen, dass es derzeit doch das Projekt „So-wenig-KörperpflegeProdukte-wie-möglich-verwenden“ gibt. Heute Morgen habe ich dann entschieden, vielleicht doch nochmal Deo zu benutzen. Ich hatte einfach zu viel Angst, dass ich zwar meine, nicht zu stinken oder zu riechen, es meiner Umwelt aber vielleicht doch ganz anders ergehen würde. Na ja, und in so einem VitalWellnessResort… Keine Ahnung, ob man da aufgrund der Aromen nicht noch mehr auffällt. Allerdings habe ich mich sehr zurückgehalten und den DeoStick nur einmal kurz angerollt. Mehr war einfach nicht drin. (Ach du meine Güte, wie schräg sich das anhört. Egal.)

Ich also los. Stehe inzwischen am Empfangstresen. Wie gut, dass mich hier keiner kennt. Und vielleicht werde ich ja nie wieder hierher kommen. Es kann nicht peinlich werden, meine Liebe. Außerdem: Du bist gepflegt, sauber und duftest (heute mal) nach Deo.

Ich bezahle mit meinem Gutschein und werde dann in einen Raum geführt, der farblich auf meine Auberginefarbene Jacke abgestimmt ist. Hier erhalte ich von der Masseuse einen Einblick in das, was mich die kommenden 60 bis 75 Minuten erwarten wird. Ich schlucke. Ganz-Körper-Massage.

Ich schließlich ganz aufgeregt: „Ich habe sowas noch nie gemacht!“
Sie (mit etwas geweiteten Augen): „Ouh. Noch nie? (kurze Pause) Kein Problem. Hier legen Sie Ihre Kleidung ab und dann legen Sie sich auf die Liege. Die ist inzwischen schön warm, wegen der Heizdecke darunter. Ich komme dann gleich wieder.“
Mit einem wirklich freundlichen Lächeln verlässt sie den Raum.

War das jetzt das Zeichen? Soll ich mich jetzt meiner Kleidung bis auf den Slip entledigen und dann nackig auf die Liege platzieren? Aber wann kommt sie zurück? Ich ziehe mich aus und stehe da in Slip und T-Shirt. Und jetzt? Während ich mich das frage, öffnet sich die Tür und sie tritt herein. Diesmal die Augen wirklich etwas peinlich berührt aufgerissen.

Sie: „Oh.“
Ich: „Oh! Falsch?“
Sie: „Nein, nein. Sie können sich ruhig schon hinlegen.“
Ich: „Ich wusste nicht, wann sie zurückkehren.“
Sie: „Ich komme gleich wieder. Sie müssen nicht lange warten.“
Ich nicke. „Ok.“

Nachdem sie den Raum wieder verlassen hat, hetze ich mich ab, werfe das T-Shirt über den Stuhl und jumpe auf die Liege. Es dauert zwei Minuten und schließlich kehrt sie zurück. Während sie mich instruiert, fragt, ob ich bequem liege, mir irgendein Keilkissen unter die Fußfesseln legt, fällt es mir siedendheiß ein. Mein persönlicher BeinbehaarungsUrwald ist zugegen. Waaaaah!! Mist. Mist. Mist. Mist. Mist. Ganz-Körper-Massage. Großartig!

Ich schlucke. (Das habe ich heute Vormittag ziemlich häufig getan.) Ich kenne sie nicht. Wir werden uns nie wieder begegnen. Ich werde wohl keine weitere Massage oder ähnliches hier erstehen. Sie bekommt dafür echt viel Kohle. Da dürfen meine Haare an meinen Beinen sein. So. Schluck.

HornhautEs geht los. Es dauert echt nicht lang und ich könnte einschlafen, weil es sowas von entspannend ist. Dennoch kehren immer mal wieder abstruse Gedanken in mein Hirn, während mein Nacken, meine Gliedmaßen etcpp kräftig durchgeknetet werden. Ich muss an euch denken. Meine Leserschaft. Soll ich hierüber schreiben? – Besser nicht. – Warum nicht? – Beschränke dich auf das Wesentliche. – ES IST WESENTLICH. Dann plötzlich das Wissen, ich habe Hornhaut! Oh nope. Nicht auch das noch. Ich habe meine Füße nicht gesondert gewaschen, Zehnägel nicht geschnitten und seit der letzten Schwangerschaft ungeheuer viel Hornhaut. Wie ein Elefant. Mit dem kleinen blauen Elefant kann ich durchaus mithalten… Während diese Gedanken durch meinen Kopf fliegen, muss ich plötzlich lachen. Ich will laut loslachen, weil das alles so schräg, komisch und irgendwie auch surreal ist. Aber ich beherrsche mich. Bis auf das Zucken meiner Mundwinkel bekommt die Außenwelt nicht mit, was in mir vorgeht.

Nach der Massage – darauf hatte die Frau mit den begnadeten Händen hingewiesen – würde sie den Raum verlassen und ich könnte noch etwas nachspüren und ruhen. Ich: Einschlafen. Das passiert dann auch prompt. Sie geht und ich will nur noch schlafen. Aber was, wenn dann plötzich wer reinkommt? Ein Massenmörder? Eine neue Kundin. Der Chef der konkurrierenden Firma meines Mannes? Einer meiner ehemaligen Lehrer? Ich weiß, ich weiß. Meine Phantasie geht nicht selten völlig mit mir durch und rast in wildem Galopp durch die Gegend. pffht. Ich entscheide mich nach etwa zehn Minuten aufzustehen, die warme Liege zu verlassen und mich anzukleiden.

Draußen erblicke ich erstmal niemanden. Aber ich kann doch nicht gehen. Was, wenn ich doch was falsch verstanden habe und die Frau kommt in den Massageraum und ihre Kundin ist plötzlich weg?! Ich vertreibe mir die Zeit, indem ich mir die Auslagen in den GlasVitrinen näher anschaue. Kosmetik, weil Haut nicht einfach schön ausschaut. Aha! Komisch, eigentlich auch anders bei mir.

Irgendwann tritt meine Masseuse aus einem der BehandlungsZimmer und sieht mich da stehen. Wie bestellt und nicht abgeholt.

Sie: „Ach! Da stehen Sie ja schon.“Ich: „Ja. (kurze Pause) .. Ich wusste nicht…“
Sie: „Ich wäre in fünf Minuten zu Ihnen gekommen. Hätte Ihnen einen Tee angeboten. Wollen Sie noch einen Tee?“
Ich: „Nein, nein. Danke. Ich wäre eingeschlafen.“
Eine weitere Angestellte erscheint: „Wir hätten Sie schon geweckt. Gar kein Problem.“
Sie: „Wirklich! Gar kein Problem. Ich mache Ihnen gerne noch einen Tee.“
Ich: „Nein, nein. Danke.“
Sie: „Ich muss Sie jetzt aber doch mal noch was fragem.“
Diesmal bin ich diejenige, die die Augenbrauen hebt und die Augen etwas geweitet hat. „Ja?“
Sie: „Regenbogen?“
Ich: „Jahhh?“ Mein fragender Blick wird fragender und ich bin gespannt. Was passiert jetzt?
Sie: „Regenbogen aus dem Regenbogenland?“
Ich: „Ja.“ Was passiert jetzt?
Sie: „Ihr Mann, heißt der Grummel Griesgram.“
Ich: „Ja…“ Oh nein, ich darf diese Frau nicht kennen. Sie hat mich nackig gesehen. Meine ElefantenHornhaut unter den Füßen, meinen BeinbehaarungsUrwald. Nein, nein, nein.
Sie: „Ach, ihr Mann arbeitet mit meinem in derselben Firma.“
Ich starre! Ich lächel. „Toll…“ Sie hat meine Hornhaut gesehen, meine zuckenden Mundwinkel vielleicht auch. Oh bitte lieber Gott.

Irgendwie wird aus dem SmallTalk ein nettes Gespräch. Wie schön es doch wäre mal mit den Familien und Partnern und den anderen Arbeitskollegen zusammen was zu machen.

Ich so: Jahaaa. Nett. Plötzlich bricht es aus mir hervor: „Oje. Sie haben all meine Hornhaut und meine Haare an den Beinen gesehen. Ich wusste ja nicht, was mich erwartet…“
Sie schüttelt den Kopf: „Ach Quatsch! Auf sowas achte ich doch nicht beim Massieren. Ich bin da voll in meinem Element. Lass uns doch duzen.“
Ich: „Ok.“ Ich seufze. Sie ist wirklich, wirklich nett. Damit muss ich jetzt wohl klar kommen. Soviel heute Abend zu scheinbarer Anonymität. Die Welt ist klein. Superklein, Leute!

15 Gedanken zu „Ganzkörpermassage, Anonymität und Hornhaut“

  1. Liebe Rage,

    ich habe mich in Deiner Geschichte wiedergefunden.

    Denn erst vor zwei Wochen waren Herr M21er und ich ebenfalls bei einer Ganzkörpermassage – nicht das erste, jedoch (auch nur) das zweite Mal in unserem Leben. Aus diesem Grund wussten wir immerhin, wieviele Federn – äh Kleider – wir lassen mussten ;-).

    Nichtsdestotrotz: Das Loslassen ist mir gleichermaßen nicht leicht gefallen – selbst ohne haarige Baustellen und Co. Die Arbeit, das nächste Projekt, das Rauschen der Straßenbahn, das Knacken meiner Knochen – irgendwas ist immer, was den Kopf unfrei macht http://minimalismus21.de/2013/02/11/abgestempelt/ .

    Dabei hat die Masseurin 90 Minuten mit einem Kraftaufwand an mir rumgewerkelt, sodass ich mir sicher bin: Hätte ich Benjamin Blümchen an den Füßen gehabt, sie hätte nichts gemerkt.

    Einen schönen Sonntag
    M21.

    1. GROßARTIG geschrieben!!!!!!!
      Ich musste soooooo lachen! Wundervoll!
      Ich habe mich auch schon immer gefragt, was muss ich tun, wenn ich zur Ganzkörpermassage gehe.
      Vielleicht probiere ich es einfach mal aus und setze dann noch einen drauf: ich gehe zur TaiMassage bei der
      die Leute nur mäßig deutsch sprechen und ich kein Tai ;-)

    2. Boar, Benjamin Blümchen?! Wow. :D
      Ja, es ist schon komisch, was einem so alles durch den Kopf geht, wenn man sich entspannen MUSS. Aber ganz ehrlich: Ich fand den Vormittag herrlich! Es war natürlich total schräg alles und total… peinlich?!? Aber der Witz der Situation und die geniale Massage haben alles rausgerissen und ich fand’s einfach nur großartig!

  2. Hallo.
    Das ist wirklich „süß“
    Ich bin selbst Physiotherapeutin. Es gibt so viele Frauen, die sich um so etwas Gedanken machen und nicht entspannen können. Den meisten Therapeuten ist es völlig egal, wie lang Haare sind oder ob man/frau bei der Pediküre vorher war. Glaubt mir, wir haben schon ganz andere „Sachen“ gesehen.
    Ein unangenehmer Körpergeruch ist schon unangebracht, aber selbst da machen sich Frauen, die gar nicht auffallen eher Gedanken, als Menschen, die tatsächlich mal ein Deo benutzen sollten. Ich kann auch verstehen, wenn ein Patient/Kunde nach einem Arbeitstag nicht mehr wie frisch geduscht riecht….. also alles kein Problem. Wie auch die Masseurin schon sagte… Es soll doch ENTSPANNEN!!!!!!!!
    Bitte versucht es! Und wenn ihr wisst, wie der Ablauf ist, könnt ihr auch entspannen. =0)

  3. Da es mir an Erfahrung mangelt (mit Ausnahme einer krankengymnastischen Fußmassage, die weit weniger potenzielle Fettnäpfchen bereithält), kann ich keine schöne Geschichte beisteuern, aber ich wollte mich für die hervorragende Unterhaltung bedanken.

  4. @Ella: Danke! Einfach nur danke! Wie gesagt, es war wirklich schön! Und auch wenn es gleichzeitig total schräg war… Ich weiß, was auf meinem GeburtstagsWunschzettel steht. ; )

    @Regenfrau: Jaaaha… Ich bin froh, dass es irgendwie doch gut gegangen ist. Ich drüber lachen kann und mich tatsächlich ein bisschen drauf freue, sollte ich die Frau vom Arbeitskollegen vom Mann wiedersehen. Und das mit dem GedankenKarrusell… nicht umsonst heißt das Blog mamadenkt… Ne Idee, wie man das ein oder andere Karrusell vorzeitig ohne größeren Schaden verlassen kann?

    @Jolanda: Deinen ChemieLehrer??? Oh nope, den will ich auf gar keinen Fall in der Sauna treffen… Das wäre ein Grund immer nur im weitest entfernten UrlaubsOrt die Sauna zu besuchen. Aber wie ich mich kenne und meine kleine Welt… :P

  5. Ich liebe solche Peinlichkeitsgeschichten, die man mit Humor nimmt, weil ich das viel zu oft viel zu ernst nehme …leider.
    Ahja Gedankenkarrusell, tja deswegen heißt mein Blog: Gedanken einer…
    Wie aussteigen? Hmm im Bierzelt hocken bleiben, auf gar keinen Rummel mehr gehen, nach Schweden in die Einöde ziehn…ne schmarrn, gibt ein Buch: Ruhe da oben! Hab ich aber noch nicht gelesen, weil noch mind. 10 andere Bücher warten (damit die Gedanken nicht ausgehen)
    Liebe Grüße!!!

  6. Wieder mal so wunderbar direkt aus dem Leben, wirklich klasse!

    Ich überlege so gerade, ob sowas typisch Frau ist und die Männerwelt sich auf die Liege gelegt hätte und selbstredend davon ausgegangen wäre, dass sie doch eh die schönsten sind …

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