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LEBENSMITTEL von Michael Pollan

„Essen Sie Lebensmittel, nicht zu viel und vorwiegend Pflanzen.“ (Pollan, Michael: Lebensmittel, S.9) Das ist der erste Satz, mit dem Pollan seine „Verteidigung gegen die industrielle Nahrung und den Diätenwahn“ (Untertitel) beginnt. Der Satz, der mich wirklich neugierig gemacht hat.

Worum es in dem Buch geht: Orthorektiker und das französische Paradoxon, Essen am Tisch und unseren Drang danach Brokkoli und Co. in seine einzelnsten Einzelbestandteile zu differenzieren, um dann wiederum einzelnen Nährstoffen besondere WunderHeilkräfte zuzuschreiben. Das nennt man dann Nutritionismus. Die Geschichte des modernen Nutritionismus ist gekennzeichnet von sich bekriegenden MakroNährstoffen: Proteine gegen KohlenHydrate, KohlenHydrate gegen Fette, Fette gegen Proteine. (S.39) Nutritionismus ist keine Wissenschaft, sondern eine Ideologie. Und abhängig von einem sog. Nährstoffwetter ist, was wir verstärkt auf unseren Speiseteller packen.

Das Buch besteht aus drei Teilen. Im ersten erklärt und erläuter Pollan das Zeitalter des Nutrionismus. Der Lesser gewinnt einen Eindruck von der Art und Weise, wie wir unsere Ernährung gestalten, was sie ausmacht und wie sie genutzt werden kann. Im zweiten Teil geht es dann um unsere westliceh Ernährung und die mit ihr einhergehenden Zivilisationskrankheiten. Sein Beispiel von einer Gruppe von Aborigines veranschaulicht, wie schwierig die Reduktion einer Zivilisationskrankheit auf einen einzelne Teilaspekt der Ernährung ist. Mit letzteren scheinen wir uns dennoch viel zu schnell und viel zu häufig abgefunden zu haben. Im letzten Teil seines Buches bietet Pollan Lösungsvorschläge, um den Nutritionismus zu überwinden. Am Tisch essen. Nicht zu viel essen. … So einfache, offensichtlich sinnvolle und umsetzbare Gedankenanstöße. Er vermittelt in diesem Teil seines Buches keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse. Aber er formuliert das Offenkundige so prägnant und einleuchtend, dass ich mir an die Stirn fasse und über mich selber den Kopf schütteln muss.

Zitat: „Es ist fatal, dass eine Ernährungswissenschaft, die Nährstoff für Nährstoff in den Fokus nimmt unser Essverhalten so sehr bestimmt. Schließlich reißt sie durch ihren Weg der Forschung den Nährstoff aus dem Kontext des Nahrungsmittel, das Nahrungsmittel aus dem Kontext der Ernährung und die Ernährung aus dem Kontext des jeweiligen Lebensstils.“ Nahrungsmittel werden nur noch als Summe ihrer Teile gesehen, nicht als Ganzes. (Pollan, Michael: Lebensmittel, S.73)

Fazit: Das Buch lässt sich gut lesen, trotz vieler Hinweise und Quellenangaben von Menschen, Medizinern, Zahnärzten und Wissenschaftlern, die sich mit der Thematik in den letzten Jahrzehnten auseinandergesetzt haben. Es ist gut recherchiert und bietet meiner Ansicht nach dem Leser einen reflektierten Blick auf die ErnährungsWelt, mit der er im Alltag konfrontiert ist. Die Ideen zur Überwindung der Nachteile des Nutritionismus haben mir aufgrund ihrer relativ großen Praktikabilität gut gefallen.

Mein persönlicher Nutzen vom Lesen dieses Buches: Mein EssVerhalten hat sich das letzte halbe Jahr radikal verändert. Ich kann gar nicht sagen, warum ich auf einmal so sensibel für das bin, was ich esse. Dabei geht es gar nicht darum, was sich auf der Waage abspielt oder wie gesund es eigentlich ist. Irgendwie waren das zweitrangige Fragen und nebensächliche Effekte, die wenngleich gern gesehen einfach eingetreten sind.

Mir geht es gerade mehr um das verantwortliche Essen im Hinblick auf meine Umwelt, die Tiere und meinen ökologischen Fussabdruck. Irgendwie hat es auch was mit meiner Identität zu tun. Es ist so befreiend, wie ich und wir hier derzeit essen:
Ich schaue nicht mehr auf die NährstoffListen auf der Verpackung. Unverantwortlich? Na ja, es ist unnötig geworden. Denn Obst und Gemüse haben in der Regel keine NährstoffListe anpappen. Brot vom Bioladen, muss ich auch nicht jedes Mal neu gegenlesen. Das ist sehr befreiend. Sogar ein wenig minimalistisch. Beim Einkaufen mit den Kurzen habe ich gar keine Zeit jedes Mal neu zu lesen, was ist drin? Kenn ich das? Will ich das?
Ich spare Zeit ein für wichtigere Dinge und esse fast nur noch, wonach mir ist. Und das ist wider Erwarten kein Fleisch, keine Süssigkeiten (na gut, halt einfach viel seltener als vor einem Jahr…), sondern viel Obst und Gemüse.
Gemeinsame Mahlzeiten waren für uns schon immer wichtig. In den letzten Monaten feiern wir täglich drei Feste, wenn wir gemeinsam am Tisch sitzen. (Auch wenn Bananenbrei durch die Luft fliegt, der Lärm manchmal Ohren betäubend ist und die Krümmel am Boden für einen zweiten Nachschlag ausreichen.)
Ich habe begonnen wirklich zu kochen.
Auch unser EinkaufsVerhalten hat sich stark gewandelt;
und das ohne, dass der GeldbeutelInhalt am Ende des Monats sich groß verändert hätte. Er ist genauso leer wie vorher. Wie zahlen also fast dasselbe, auch wenn wir weniger einkaufen. Dafür sind die Lebensmittel, die wir in den Einkaufskorb packen sehr viel nahrhafter als die abgepackten NahrungsProdukte.
Obst und Gemüse kommen fast direkt vom Feld oder Baum und ich habe tatsächlich eine reale Chance es zu verwerten, bevor es mit verschimmelt oder fault.

Wie kauft ihr so ein? Wie definiert ihr Lebensmittel? Und wie Nahrungsprodukte? Gibt’s da für euch überhaupt einen Unterschied?

5 Gedanken zu „LEBENSMITTEL von Michael Pollan“

  1. Gemüse macht süchtig. Wenn sonntags das Gemüsefach leer ist, krieg ich echt’n Problem. Fleisch fehlt mir auch nicht. Milch will ich noch weiter reduzieren. Calcium macht Vitamin D platt. Ungünstig für die Gelenke. Ich koche nicht gerne. Den Aufwand will ich minimal halten. Deshalb esse ich viel roh mittlerweile. Fertigpizza kommt noch (zu) oft vor. Ich freu mich auf die Kürbiszeit!

  2. Oh ja. Seltsam, oder? Aber inzwischen ist unser Obst- und GemüseKonsum so gestiegen. Der war vorher schon in Ordnung. Doch jetzt?!? Nur noch Rohkost und sowas… Allein durch die Abwechslung des saisonalen, regionalen Gemüses leben wir inzwischen sehr viel gesünder und wie heißt das nochmal… ? Ausgewogener. Richtig. Auch wenn das Fleisch vorerst fehlt. …

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