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Mein Smartphone ohne mich

… kommt ziemlich gut klar.  Und ich? Ohne das Smartphone? Hier ein kurzes Resümee meiner letzten vier Tage.

Nach einigen eurer Kommentare zum letzten Beitrag kam die Entscheidung ziemlich schnell: Ich leg’s jetzt weg. Ich mag nicht mehr. Kiste aus. Ab in die Ecke. Als AutoPannenNotfallHilfe hab ich es jetzt noch immer dabei – aber aus. Ganz aus. Und wenn dann wirklich was Schwerwiegenderes eintreten sollte als ein notwendiger ReifenWechsel, schmeiß ich das Gerät wieder an.

Obwohl es nur so ein kleines Gerät ist, hat sich mein Alltag in der Tat verändert. Nicht weltbewegend, aber ein wenig. Die dabei befürchteten Einbußen sind zunächst mal nicht eingetreten.

1. Ich habe weiterhin Kontakt zu Menschen im RL. (Juchuhuuu!!)
2. Ich habe weiterhin Kontakt zu euch, ins Netz, lese die geballte Ladung eurer Kommentare, Tweets und Links so gerne abends, wenn ich auf dem Sofa zur Ruhe komme und leg das Notebook danach guten Gewissens weg. Denn: Die Erde dreht sich weiter. Bislang kommentiert ihr wertvoll weiter, auch wenn ich nicht im StandByModus verharre. (Halleluja!)

Was sich verändert hat? Ganz einfache Dinge, wie z.B.

1. Das vorausschauende Planen meines Tagesablaufes wird wieder hipp. Wann ich wen wo abhole, muss unter Umständen schon morgens früh oder vormittags während der ComputerZeit abgesprochen werden. Zehnminütige Verspätungen sind ohne Handy oder Smartphone nicht mehr drin, weil der andere sich sonst die Beine in den Bauch steht. Nachteil: Es geht ein wenig Spontaneität flöten. Vorteil: Struktur für meinen Alltag tut mir persönlich gut. Ich kann andere Termine und ToDos ja auch gut um diese festen Uhrzeiten anordnen. Der NichtGebrauch meines Smartphones lässt mich ‚verbindlicher‘ Abmachungen treffen. Es hat ein bisschen was von Festigkeit, Beständigkeit und Verlässlichkeit – dieser SpontaneitätVerzicht.
2. Telefon, Email und Abwägen, ob diese Message nun wirklich nötig ist, kommen mehr zum Zug. Ob von Vorteil oder Nachteil, muss sich erst noch herausstellen.
3. Meine Aufmerksamkeit hier Zuhause ist geschärfter. Echt. Darin sehe ich keinen Nachteil und bin froh, dass sich diese Hoffnung bewahrheitet.
4. Ich verpasse was. Ja. Den ein oder anderen Link bestimmt. Nachteil: Manches davon ist echt gut, was ich verpasse. Vorteil: Ich sondiere, sortiere. Ich finde mich noch. Ich und mein Smartphone. Mein Smartphone und ich. Ich mit meinem Smartphone. Das Gerät ist in meinen Augen eben doch nicht nur schwarz.
5. Freiheit. Unabhängigkeit, die sich plötzlich einstellt. Mein Smartphone? Keine Ahnung, wo das ist. Brauch ich gerade auch nicht.

Meine letzten Tage und der SmartphoneEinsatz:

MontagMorgen 6:45h: Wecker ausstellen – Blick in die Emails: nix passiert. Gerät aus.
Dienstag: Kein Smartphone benutzt. Mein Mann konnte mich nicht erreichen. „Haste wieder nen day-off“? – „Jepp.“ – „Hm…“
Mittwoch: Nachmittags ruft mein Mann mich auf dem Festnetz an. „Ich kann dich nicht erreichen.“ – „Ich weiß.“ – „Wieder ein day-off?“ – „Jepp.“ – „Warum?“ … Nachmittags hab ich das Gerät dann doch angeschaltet, weil wir eine halbe Stunde später zum vereinbarten Termin kommen würden. Danach wieder aus. Alles gut.
Donnerstag: Noch nicht angehabt. Alltag und Leben bislang trotzdem geregelt bekommen. Als moralische Stütze das Smartphone dann doch bis nachmittags angestellt. (Und zack: Mal eben schauen, ob er aus der Sitzung raus ist…)

Es geht.

Für euch, die ihr kein Smartphone besitzt, mag sich das schräg, erschreckend anhören. Vielleicht belächelt ihr mich auch. Aber es ist mein Weg, um bewusst:er leben zu lernen. Mit den Dingen, Errungenschaften und Menschen von heute… Andere werden denken: Was für ein Mist. Wieso stellst du dich da so an?
Ich habe in den letzten Tagen seltsame Blicke erhalten. Ich hab mich nicht getraut zu fragen, ob ich mal telefonieren darf. Mein Umfeld weiß, dass ich ein Smartphone habe… „Funktioniert dein Handy nicht?“ Von dieser ErwartungsHaltung mag ich mich auch ganz gerne befreien. Einer neuen NachrichtenGruppe via Smartphone beitreten, um so schnell wie möglich die wichtigsten Nachrichten von der ganzen Welt überhaupt zu erhalten, mag ich auch nicht. Reaktion: Wieder Blicke, die mich nicht verstehen.
Und meinem Mann? Ja, dem hab ich von diesem Experiment tatsächlich nichts erzählt. Eine Sache, die wir vorher mal nicht besprochen haben. Warum? Vielleicht die Befürchtung selber nicht fest genug in meiner Entscheidung gegen das Smartphone zu sein. Jetzt mach ich erst mal. Mal schauen, wohin das Ganze führt.

Und von Ramona hab ich diesen Link hier erhalten. Die Idee einen Tag in der Woche einen ScreenSabbath zu halten… ja, das find ich gut. Nicht nur für sieben Wochen oder ein Jahr. Ich mag dauerhafte gesunde Veränderungen. Da muss man wohl ausprobieren, ob’s und was passt.

Martins Link fand ich auch erhellend. Ich scheine da mit meiner persönlichen Wahrnehmung gar nicht so verkehrt zu liegen und gemeinsam mit dem ein oder anderen in dasselbe Horn zu blasen.

Was ich jetzt mit meiner KameraFunktion mache, weiß ich noch nicht. Und ob ich das Smartphone samt und sonders wegreduziere, auch noch nicht. Das ist aber auch so ’ne Sache. ich glaube, ich geh jetzt erstmal noch ins Archiv. Hab da nämlich Sachen gefunden – nutzloseres Zeug gibt’s gar nicht. Sollten wir demnächst auch mal hier sammeln.

12 Gedanken zu „Mein Smartphone ohne mich“

  1. Schöne Beiträge. Nachdem mich der Umgang meiner Kinder mit ihre Smartphones EXTREM nervt, weigere ich mich umzusteigen. Ich habe zwar ein Mobiltelefon aber der ganz alten „Garde“ nur zum Telefonieren.

    Wenn ich nicht will, schalte ich es lautlos, dazu habe ich ein Profil eingerichtet, damit es mit 2x Taste drücken funktioniert.

    Ich bin gerne nicht erreichbar und freue mich, wenn niemand etwas von mir wollte. Wenn es wichtig ist, dann meldet sich der andere sowieso.

    lg
    Maria

  2. Hallo Rage,

    ich hab gerade sehr gelacht bei der Headline. Deine beste bisher. Du kannst die seltenen Erden aus deinem Handy ja zurück schicken. Gestern hab ich einen Artikel gelesen: „Was hat mein Smartphone mit dem Krieg im Kongo zu tun?“

    Standby-Modus ist die beste Eintrittskarte für Burnout, sagte der Therapeut in „Speed“. Der Film hat für mich keinen Sinn ergeben. „Schmeiß dein Handy weg und nimm das Baby auf den Arm“, dachte ich nur. Wenn selbst dann Twitter wichtiger ist, hab ich keine Worte mehr. Internetsucht ist wie Spielsucht. Also: Es gibt noch viel zu tun. Für mich. Auch ohne Smartphone.

    Meine Tochter hatte die Art „Ich komme zwischen 1 und 2.“ Um 2 rief sie an, dass sie erst um 3 kommt. Ich hab ihr dann gesagt, dass sie 1 Minute nach 1 nicht mehr reinkommt und ich an dem Tag was anderes mache. Auch wenn sie an der Sprechanlage noch so bettelt. Läuft! Einmal musste sie abends noch mit der Leiter einsteigen, weil sie zu spät kam und keiner öffnete. Ihr wildes Klopfen an die Fenster haben wir einfach ignoriert. Das war sehr lustig.

    Verhaltenstherapie mit sich selbst ist ja am schwierigsten. Du schaffst das! Sich mit Leuten treffen ist viel toller. Laut Handy-Knigge hat übrigens der Sprecher mit Handy für die Privatsphäre sorgen, damit du als Anwesende die Inhalte nicht mitbekommst. Nicht du. Da hattest du neulich mal drüber geschrieben.

    Liebe Grüße
    Tanja

    1. Danke für den HandyKniggeHinweis. Das wusste ich noch nicht. Gibt’s sowas auch? Jetzt bin ich dbzgl aufgeklärt. :D
      Ja, das mit den Seltenen Erden war mir neu und hat mich schockiert. Aber mehr – wiedermal – meine Gedankenlosigkeit über die Dinge. Und ich bin ja nun mal leider nicht die Einzige, die das ausblendet oder einfach nicht in Erwägung gezogen hat.
      Kannst du mir noch den Link zum Artikel zu Smartphone und Kongo schicken?

  3. Ich hab weder Smartphone noch normales Handy, bin also mobil nicht erreichbar. Ich hatte bis vor ein paar Wochen noch ein Handy, habe mich dann aber dagegen entschieden. Es lebt sich prima damit und ich vermisse nichts. Erreichbar bin ich per Mail oder Festnetz. Das muss reichen.

  4. Ich finde die Idee eines „Screen-Sabbath“ wirklich gut. Ganz ohne Handy auskommen würde mir echt schwer fallen, gerade als „Familienmanagerin“ möchte ich immer alles im Griff haben und erreichbar sein für Kind und Mann. Sicher könnte man durch genauere Planung des Alltags auch völlig auf das Smartphone verzichten, ist ja früher auch gegangen. Aber es gibt mir persönlich einfach ein besseres Gefühl zu wissen, dass ich im Notfall sofort verständigt werde und meiner Familie mit Rat und Tat zur Seite stehen kann. Man kann es natürlich auch schnell übertreiben, ein regelrechtes Suchtverhalten entwickeln und sich selbst unter Dauerstress setzten. Das Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen kann einem ziemlich unter Druck setzen. Daher finde ich so einen Screen-Sabbath auch eine tolle Idee, sich mal völlig von der Außenwelt abzuschirmen und sich stattdessen vollkommen auf die Familie zu konzentrieren.

    Liebe Grüße, Claudia

    1. Hej @Claudia. Ich finde die Idee auch ungeheuer faszinierend und werde sie versuchen in unserem Alltag umzusetzen. Heute war wieder so ein Tag, da habe ich zweimal in Gegenwart der Kerle am Notebook gesessen. Ich fands total doof. Egal, wie lange, ob wirklich nur 2Minuten oder 10 oder eine ganze Stunde. Das Gefühl ist gleichermaßen frustrierend.
      Die Sache mit dem Smartphone gelingt erstaunlich gut, obwohl ich auch gerne kontrolliere und erreichbar bin.
      Dir eine schöne Woche und danke für deinen Kommentar!

  5. In den letzten 10 Jahren sind 2 Millionen Kinder in den Coltan-Minen umgekommen. Die Kriegsparteien verkaufen die seltenen Rohstoffe für unsere Elektronikartikel. Der Erlös geht vollständig in Waffenkäufe für den Kongokrieg. Ich hab neulich mit einem Berufsfussballer über seine Flucht aus dem Kongo geredet. Er war da noch ein Kind. Man kann sich das alles gar nicht vorstellen…

    http://www.dieselpartikel.com/2012-12-23/was-das-smartphone-uns-verschweigt-kinderarbeit-und-burgerkriege-wegen-seltenen-erden/

    http://www.pm-magazin.de/a/unseren-handys-klebt-blut

  6. Es geht aber doch auch mit Smartphone und ohne „Sucht“. Ich habe ein kleines Smartphone und nutze dies nur zum SMS schreiben und zum Telefonieren, solange bis es kaputt ist. Ggf. besorge ich mir dann ein gebrauchtes.
    Dank Prepaid und ausgeschaltetem Internetzugang muss ich mich (bewusst) mit dem ganzen anderen Kram nicht herumschlagen.
    Meine Familie und Freunde wissen, dass sie mich zehnmal besser zu Hause am Telefon erreichen, weil ich unterwegs nicht telefoniere und auf der Arbeit sowieso nicht.
    So kann ich die ganzen Vorteile nutzen, ohne Nachteile zu empfinden. Ich fühle mich null gestresst davon.
    Vorteile für mich sind: kurz mit Freunden und Familie Kontakt halten, die in Deutschland verteilt wohnen – bis zum nächsten Telefonat oder Wiedersehen.

    1. Das ist gut! Danke Nanne Kick.
      Mir passierte es immer wieder, dass wenn ich es anhatte, ich immer wieder mal drauf geschaut habe. Unabhängig davon, ob mit FlugzeugModus oder nicht.

      Was ich aber wirklich anstrengend finde: Egal, wo ich bin. Im Schwimmbad, an der Tankstelle, im Café, in der Stadt, auf der Autobahn, im Kino, in der Schule, bei irgendwelche anderen Veranstaltungen: Immer ist das Smartphone in der Hand. Ich finde das Verhalten der Menschen drum herum dann auch immer interessant. Wie sie sich peinlich berührt abwenden und so.
      Ich glaube, du bist eine der wenigen, die einen gesunden SmartphoneGebrauch an den Tag legen. Ich krieg’s nicht richtig hin. Mich stört inzwischen auch das dreimalige drauf schauen. Daher ist’s jetzt meistens ganz aus.

  7. hallo!

    wo ich das lese: sceenshabbat:
    wir haben schon sehr lange einen tag in der woche ohne computer, handy, telefon und einige andere dinge.
    es gibt so eine art notschaltung zu oma, aber ansonsten sind wir an dem tag nicht zu erreichen. an dem tag auch kein auto, keine öffentlichen verkehrsmittel, kein radio, kein kino, keine „besorgungen“, ob per fuss oder per internet. keine waschmaschinenbedinung. kein kochen. verabredungen müssen vorher getroffen werden. das heisst nicht, dass wir an dem tag abgekoppelt von der welt in der wohnung sitzen – wir sind eingeladen oder laden ein. das ist ein „kommunikativer“ tag, mit familie, mit freunden. zu fuss gehen, lesen. einfach relaxen. ein tag mit kleinem ökologischem fussabdruck. und das ist so gut, da finde ich gar keine worte für.

    ein smartphone habe ich noch nie besessen, ich habe mich ganz bewusst dagegen entschieden.
    internet reicht schon, um einem zeit zu stehlen ;).
    andererseits würde ich ohne auch nicht auf deinen blog gestossen sein, danke noch einmal für das rezept vom kokosdeo.

    viele liebe grüsse,

    reisi

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