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PerspektivWechsel.

Es ist nach Weihnachten. Vielleicht der 27.12. . Vermutlich gibt es tausend Gründe, warum es die Menschen in die Geschäfte der Klein- und GroßStädte zieht. Der Umtausch des liebevoll oder doch lieblos und schnell ausgesuchten Geschenkes wird vollzogen. Oder sie haben einfach Urlaub und wollen die Zeit mit was „Sinnvollem“ verbringen. Dann gibt’s natürlich noch die Option einen Gutschein geschenkt bekommen zu haben oder die Rabatte und Prozente nutzen zu wollen. Vielleicht schleift einen auch die EheFrau ins Geschäft, um endlich, endlich einen anderen neuen Pullover auszusuchen und gegen einen der alten fünfzehn auszutauschen; was in der Regel selten passiert. Denn der dicke Blaue, ist einfach der bequemste.

So betrat auch ich das BekleidungsGeschäft. Der Weg dorthin war seltsam, unheilschwanger. Eigentlich, wenn ich ehrlich bin, ging ich nur aufgrund der Beziehung zu meinem MitMenschen. Das LadenLokal war voll und geschäftige Betriebsamkeit erfüllte das Ambiente. Die ModeBeraterin stand im EingangsBereich zwischen zwei KleiderStändern und begrüßte die hereintretenden, potentiellen NachWeihnachtsKunden; mürrisch, unfreundlich. Sie fühlte sich fehl am Platz, was ich zwischen den Jahren im besonderen und im Rest des Jahres grundsätzlich durchaus nachvollziehen kann.

Jedenfalls gelangten wir irgendwann in die gesuchte Abteilung. 30% auf KinderBekleidung. Hosen sollten es sein. Ein Teil der Ware war schon reduziert, in etwa um die Hälfte. Plötzlich kamen mir Bilder von Näherinnen und Nähern vor Augen. Aus Indien. Bangladesh. Der Türkei. China. Wieviel waren das nochmal? 2Cent, die sie an einer 9,90€ Jeans verdienten? Und die Chemikalien, denen sie tagtäglich mehrere Stunden ausgesetzt waren? Der Geruch stand ja noch in diesem Geschäft in Deutschland, weit ab vom Ort der Herstellung, viele TransportWege weiter. Welche Flüsse waren verunreinigt, welche Verbrechen an MenschenRechten unter den Teppich gekehrt worden? … So stand ich da und wusste nicht weiter. Was sollte ich sagen? Was tun? Ich wollte nichts von hier.

Aber das würde man nicht verstehen. Man würde es mir als Undankbarkeit und radikale ÖkoEinstellung auslegen. Wieder würde ich mich „anstellen“. Was für Prioritäten waren das bloß, die ich da setzte? Mussten es immer die überteuerten Textilien aus kontrolliert angebauter BioBaumwolle sein? Fairgehandelt? Unter fairen Bedingungen hergestellt und weiterverarbeitet? Wer wollte und sollte das schon kontrollieren können? Das war doch alles nur GeldMacherei. Die letzten Jahrzehnte sind die Menschen auch mit der herkömmlich angebauten Baumwolle und daraus entstehenden Kleidungsstücken gut groß geworden. Das hat auch nichts geschadet. Und der blaue Planet dreht sich immer noch.

Was ich gemacht habe? Ich hab den Schwanz eingezogen. Ich hatte Angst vor einer Konfrontation, hatte das Gefühl da irgendwie nicht gut rauszukommen. So oder so. Also habe ich das Spiel mitgespielt. Wir standen an der Kasse. Vier KleidungsStück wanderten in die Tüte. Ja. Tüte. Mein Impuls als sie die Tüte ausschlug, ließ mich den Mund schon öffnen. Nein. Danke. Wir brauchen keine PlastikTüte! Das geht auch so. Ich hätte den Stoff mit meinen Händen getragen. Aber ich war ja nicht allein. Nicht ich, gab das Geld aus. Nicht ich, hatte dieses liebgemeinte und freundliche Angebot gemacht, meine ausgesuchten Kleidungsstücke zu bezahlen. Es war nicht meine Verantwortung… War es nicht?

Auf dem Weg nach draußen ging es um Schuhe. Ja, wir brauchten Schuhe. Aber ich hatte noch keine Gelegenheit mich schlau zu machen. Nach Schuhen Ausschau zu halten, die meinem ethischen Empfinden entsprachen. Ethischen Empfinden? Ja. Ethischen Empfinden. Ich bin Idealistin. Dazu stehe ich. Von Tag zu Tag mehr. Denn von Tag zu Tag merke ich, 2084 liegt in meiner Verantwortung.
Wieder hatte ich mich in eine Situation manövriert, in der ich nicht hätte sein müssen. Es ist einfach nicht mein Spiel. Ich bin zu idealistisch und außerdem zu sehr darauf aus, mich mit meinen Lieben gut zu halten. Denn ich liebe sie. Mag mich für meine Ideale einsetzen. Oder setze ich vielleicht doch die falschen Prioritäten?

Wir standen im SchuhGeschäft. Schuhe zu finden, wäre kein Problem. Aber der Preis für kleine KinderFüße war hoch. Und da Schuhpaare mindestens alle 6 Monate, in der Regel fast schon alle 3-4 Monate gewechselt werden mussten… Ich habe darüber nachgedacht, wie das kinderreiche Familien stemmen sollten? Vor allem dann, wenn die Annahme bestand, dass jedes Kind aufgrund des eigenen Fußbettes neue, gesunde und gute Schuhe erhalten sollte? Mein BauchGefühl sagte mir, dass mir der Preis zu hoch ist. Vor allem weil ich nicht weiß, wo und wie diese Schuhe, deren Qualität ich gar nicht mal bestreiten will, hergestellt wurden. Es gibt schließlich auch AutoMarken, deren hoher Preis in der Tat für ihre Qualität spricht. Aber spricht dieser Zusammenhang wirklich für ethische Correctness? (Das Wort gibt es gar nicht. Aber für mein BauchGefühl passt es.) 
Aber wenn man sich das nicht leisten kann? Der Satz war tatsächlich auch auf meine finanzielle Situation bezogen. Aber noch mehr auf die Familien, die ich vor Augen hatte. Würden sie alle mit RückenSchäden aus der Sache herausgehen? Unfähig ihr Leben erfüllt zu leben?
WiderSpruch und Unverständnis waren groß. Zumindest trafen sie mich tief. Ich habe mich wirklich verletzt gefühlt.
Denn alles, was mir aus der Reaktion entgegenschlug war, dass ich meine Prioritäten völlig falsch setze. Ich achte auf so viele Dinge, aber an dieser Stelle investiere ich kein Geld, habe keinen Blick …
Ich habe geschluckt. Und das Spiel… das hab ich mitgespielt. Den schwarzen Peter musste ich allerdings behalten. In jeder Hinsicht. Denn…

Wir haben Schuhe gekauft.
Ich habe meine inneren Überzeugungen hinten anbgestellt.
Ich hatte nicht den Mut für das einzustehen, was ich glaube. Diese Tatsache macht mich traurig und frustriert ungemein.
Mein Verhältnis, das ich zu schützen gedachte, es ist betrübt und Wolken verhangen. Dennoch. Obwohl ich jetzt doch diese Schuhe gekauft habe. (Wann wird’s mal wieder richtig Som…)

Ich wollte dieses Jahr die Beine baumeln lassen. Mich auf die Dinge einlassen, die da kommen und sie entspannt sehen. Das ist mir mal mehr, mal weniger gut gelungen. Aber ich stelle fest, und das ist mein ganz großer Sieg für dieses Jahr, meine Perspektive hat sich verändert. Ich habe eine Perspektive gewonnen, die mehr und mehr LebensEinstellung (geworden) ist. Innere Haltung. Eine Haltung, die mir gefällt. Weil sie passt. Zu mir. Die letzte Schlacht habe ich verloren. Aber vielleicht komme ich gestärkt aus der nächsten heraus.

9 Gedanken zu „PerspektivWechsel.“

  1. toller Text! kann ich nachfühlen
    interessanterweise ist uns gestern auch sowas passiert: Herr DingDong und ich waren im Café und wollten hinterher noch spontan einkaufen. Wir haben 20 Cent für eine Plastiktüte hingelegt und fühlten uns total seltsam! es war so „falsch“ und wir haben die Tüte berührt als ob es etwas total neues für uns ist, obwohl es für alle anderen die normalste Sache der Welt ist…
    wir fühlten uns kurz ziemlich mies und haben beschlossen, dass ein kleiner Rückschlag nicht gleich aufgeben bedeutet. vor allem kann man auch nicht mehr zurück, wenn man das mal aus ner anderen Perspektive betrachtet hat

  2. Gut erhaltene gebrauchte Schuhe sind glücklicherweise kein Problem für kleine kinderfüsse – gesicherte Info von einem Kinder-Orthopäden-Kongress…
    Kavat Schuhe sind meines Wissens nach chromfrei gegerbte Lederschuhe zu fairen Bedingungen hergestellt.

  3. Hallo Rage,

    ich hab auch die Info, dass gebrauchte Schuhe heute besser sind für Kinder. Wenn du neue Markenschuhe für die Kerle kaufst, google einfach, ob der Hersteller ausgewiesen hat. dass er auf Chrom 6 bei der Gerbung verzichtet. Darin stehen die Leute in Bangladesch barfuß ! ! ! in den Gerbbecken rum bei der Arbeit. Und die Kleinen auf den Schlachthöfen. In totaler Armut leben sie in Barracken. Fürchterliche Bilder waren neulich im TV. Chrom 6 ist hochgiftig und erzeugt bei uns lebenslange Allergien, Krebs und so. Ich verdächtige das für meine Allergien.

    Das Leder sollte nicht von aus Indien nach Bangladesch getriebenen Kühen sein, die Pfeffer in die Augen kriegen, wenn sie zusammenbrechen. Und die Schwänze gebrochen bekommen, wenn sie vor Erschöpfung nicht mehr aufstehen. Auf Leder ganz verzichten? Auf Outdoormaterial umsteigen? In Trekkingmaterial ist auch Gift. Teflon. Wie in den Pfannen. Hehe!

    Nylontüten hab ich seit 25 Jahren keine einzige mehr angenommen. Es geht also. Hab immer eine extra Tasche in meiner Handtasche. Ist so einfach.

    Ich bin der Meinung: Die Leute sollen sich nach dir richten, wenn sie dir was schenken wollen. Sonst sollen sie’s lassen. Dann ist es nur Belastung für dich. Es geht ja um deine Gesundheit. So handhabe ich das und es funktioniert. Da muss man rigoros sein. Wir wollen ja nicht mehr viel besitzen. Und die wenigen Dinge müssen dann die Besten sein.

    Liebe Grüße
    Tanja

  4. @Frau DingDong: Danke! Ja, das Gefühl lässt sich nur schwer vermitteln, wenn es nicht selbst erlebt wurde. Das ist meine Erfahrung daraus. Als Außenstehender schüttelt man vermutlich den Kopf, fühlt sich vllt sogar selber angegriffen oder ist brüskiert. So war das bislang bei mir, wenn ich ähnliches gehört oder gelesen habe – wie ich jetzt nach langer Zeit.
    @Ka: Danke für den Tipp und die Aussage des Kongresses. Am liebsten würd ich jetzt die Unterlagen dazu durchforsten. Karat, ja? Das schau ich mir gleich mal an. Danke!
    @Tanja: Danke für deine Infos. Boar, ich hab den genannten Film noch immer nicht gesehen. Ich trau mich das gerade aber auch noch nicht. Ich glaube, ich muss vorher meinen PlastikKram ganz weg haben, um mich auf den Film einlassen zu können. ;) btw.: Ich bin nicht so rigoros. Ich kann das einfach nicht so gut. Vor allem nicht bei Menschen, die mir nahe stehen und die ich lieb habe. Außerdem war es kein Geschenk in dem Sinne. Es war ein Angebot, das ich aus Höflichkeit und aufgrund der dahintersteckenden Freundlichkeit und Liebe nicht ausschlagen wollte. Manchmal ist das Leben echt nicht einfach. ;)

  5. „Manchmal ist das Leben nicht einfach. ;) “ Da hast du wirklich recht, rage!
    Danke für den Text, ich kann das auch direkt auf mich übertragen, denn diese Situation hatte ich zuvor auch schon öfter erlebt. Momentan versuche ich meinen Vater davon zu überzeugen, dass er mir keinen Gefallen machen würde, wenn er mir sein Smartphone überlässt. 1. Mein Handy funktioniert noch und 2. Er würde sich dafür ein neues kaufen müssen (ich vermute, das ist sein heimlicher Plan, haha!)
    Meine Erfahrung sagt, dass man aus einer Situation, wie du sie beschrieben hast, gestärkt hervorgeht. Allein die Tatsache, dass diese Zweifel an dir nagen, zeigt, dass das eine Lebenseinstellung ist, die dich vermutlich nicht mehr loslassen wird. Und du wächst gerade hinein, das ist toll! Deine Zweifel und deine Gedanken sind lobenswert. Taten folgen auf solche Gedanken, man muss nur dabei bleiben.
    Diese Lebenseinstellung entspricht immer noch nicht der Norm, darum muss man lernen, Rückgrat zu zeigen und den Lieben (die es immer nur gut meinen) so geduldig und nett wie möglich zu erklären, dass die Freundlichkeit, die einem gerade erwiesen wird, kontraproduktiv ist. Aber das braucht Zeit und erfordert Rückschläge. Wir sind schließlich nicht perfekt und suchen auch nach Harmonie. Das ist auch wichtig und ein Prioritätenwechsel braucht auch seine Zeit.
    Vor einem Monat ist mir etwas Unwirkliches passiert – ich sollte in einem Geschäft aushelfen. Eine wichtige Geste für meinen Chef, dem ich das nicht ausschlagen konnte. Ich hatte nur im Voraus nicht gewusst, worin meine Arbeit bestehen würde. Kurz: Ich musste 5 Stunden lang den Einkauf der Kunden in Plastiktüten packen! Ein Service, der hier selbstverständlich ist. Ich konnte nichts weiter tun, als jeden einzelnen Kunde zu fragen, ob er nicht eine eigene Tasche dabei habe (nur 3 Leute!), die Taschenbesitzer wie bekloppt loben und Begeisterung zeigen und das innerlich unter einem Haufen Humor und Sarkasmus vergraben.
    Manchmal ist das Leben nicht einfach. ;)

    1. Liebe Nikuscha! Ich danke dir für deine letzten drei Kommentare! Eigentlich wollte ich jeden beantworten bzw. mich ihm gesondert widmen… Du sprichst mir echt aus der Seele. In so einer Situation, wie du sie mit deinem Chef erlebt hast… Ich kann mir gut vorstellen, ähnlich bedrückt und beklemmt dagestanden zu haben.
      Unsere Lieben meinen es tatsächlich immer nur gut mit uns! (Zumindest meine.) Ich habe sogar lange überlegt, ob ich davon schreiben soll. Aber irgendwie war es tatsächlich wichtig. Ich musste für mich einfach mein BauchGefühl klarstellen. Dafür musste ich es aufschreiben. Zumindest für mich. Ob ich es veröffentlichen sollte, da war ich mir erst nicht sicher. Aber dann bin ich doch sehr positiv überrascht worden. Danke für deine Motivation.
      Ich wachse gerade tatsächlich erst hin. Außerdem stelle ich gerade wieder wesentliche Dinge fest:
      1. (Mein) Rückgrat muss man (ich) stärken.
      2. Alles hat seine Zeit. (Wirklich alles. Ich habe hier gerade ein Buch von einer anderen Bloggerin liegen, das vom vegan Leben und Essen handelt. Phew. Ich bin da wohl doch noch nicht mit durch, wenn ich mir das so durchlese… Aber dazu an anderer Stelle mehr…)
      3. Optimist oder Pessimist? Optimist, denn Pessimist ist unmoralisch. Schließlich hat der Optimist immer noch das Ziel etwas zu ändern. Der Pessimist hat schon aufgegeben. => Hab ich kürzlich gelesen. Na ja.

      Danke @Nikuscha. Ich mag deine Kommentare und die der anderen sehr gerne lesen!
      @all: Danke.

  6. Hallo Rage,

    ich habe in 2013 auch einen ziemlichen Perpektivwechsel vorgenommen. Etwas zu wissen, was gut bzw. besser wäre, heißt noch lange nicht, dass ich es auch genau so gut in die Praxis umsetzen kann.

    Bei Plastiktüten (egal ob kostenlos oder gegen kleines Geld) bin ich zwischenzeitlich konsequent. Im Notfall gehe ich auch mal mit meinem Einkauf in der bloßen Hand wieder aus dem Geschäft, wenn ich gerade keinen Beutel dabeihabe. Schuhe habe ich aktuell mehr als ausreichend und glücklicherweise noch in gutem Zustand. Mit diesem Thema werde ich mich beschäftigen, wenn es soweit ist. Einfach „nur so“ Kleidung zu kaufen, das geht für mich (bis auf Tücher, ich gebe es zu) gar nicht mehr.

    Das Allerbeste daran, bewusst, gut, nachhaltig zu konsumieren ist für mich jedoch das ruhige Gefühl, mich der allumfassenden Konsumwahn kaum mehr tangiert. Ich weiß, was ich alles nicht brauche. Ich kenne gute Alternativen. … und ich kann wirklich „Bummeln“ gehen. Nur gucken. Inspirieren lassen. Ein Geschäft wieder verlassen ohne auch nur ein einziges Ding gekauft zu haben.

    Ein gutes neues Jahr 2014 wünscht und liebe Grüße aus Berlin sendet
    Anja

    1. Liebe Anja, danke für deinen Kommentar! Und noch viel größeren Dank für deine wunderschöne Weihnachts Post! Ich habe mich unglaublich gefreut! Vielen Dank für deine (An)Sichten. Ich wünsche dir auch ein famoses 2014. Gesegnet. Erfüllt. Getragen. Liebe Grüße, rage

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