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#PrayforParis

Noch während ich gestern Abend damit beschäftigt war, Haarsträhnen für meine selbstgenähte Puppe in die Perücke zu knüpfen, bekam ich auf einem Ohr – Auge muss ich wohl besser sagen – mit, dass in Paris was passiert sei. Es ging darum, dass es nicht von Interesse sei, ob unsere Nationalelf nun noch heute heimkäme oder nicht. Vielmehr würden die Pariser von Bedeutung, von Wichtigkeit sein. Ich mass dieser Meldung keine weitere Bedeutung zu, sondern war voll und ganz mit meinem ersten Puppenkind beschäftigt.

Der Morgen danach

Am nächsten Morgen waren die TimeLines meiner sozialen Netzwerkkanäle voll mit Meldungen zu Paris. Es würde gebetet, Anteil genommen, getrauert und gewütet. Jetzt wurde es endlich Zeit nachzuschauen, im Netz zu blättern und nach Informationen zu diesen ParisGebeten zusammenzutragen.

Dann die Nachrichten. Über 120 Tote. Bis zu 350 verletzte Menschen. Sieben verschiedene Orte, an denen sich Menschen in die Luft gesprengt, willkürlich in Menschenansammlungen geschossen oder aber Geiseln genommen haben.

Real oder Film?

Diese Frage stellte ich mir. Denn während ich mit dem Haarschopf unseres Puppenkindes kämpfte und ich eine KrimiSerie mit terroristischem Thema nebenher verfolgte, fand wirklicher Terror statt.

Nebenan. Im Nachbarhaus. Oder doch vor der Haustür? Wenn mein Zuhause die EU ist, das große Ganze, Europa, dann fand dieser Terror mindestens vor der Haustür, wenn nicht sogar im Haus statt. Das ist Hausfriedensbruch.

Sprachlos, traurig, empört, fassungslos

Genau das macht mich die Situation. Ich fühle mich durchgerüttelt und total durch den Wind. Tausend verschiedene Gedanken gehen mir durch den Kopf. Beizeiten immer noch sehr unzensiert, ungeordnet und diffus. Ob ich Ordnung hineinkriegen werde und klare, deutliche Zusammenhänge schaffen kann, wage ich zu bezweifeln. Doch darum geht es vielleicht auch gar nicht. Vielleicht ist es ein Ansatz, den Kopf Feststellungen machen zu lassen, ohne sie zwingenderweise mit allenmöglichen Wechselwirkungen klar abrufbar zu haben.

Meine persönlichen KernGedanken.

  1. Pray for Paris. Darkness cannot drive out darkness; only light can do that. Hate cannot drive out hate; only love can do that. (Martin Luther King)
  2. Der Terror im eigenen „Haus“ ist natürlich immer schockierender, als der im anderen Stadtviertel oder in der anderen Stadt. Dennoch wird plötzlich klar, wie furchtbar Lebenslagen werden können, wenn man nicht weiß, wo und wann in welchem Ausmaß eine weitere Explosion hochgeht. Plötzlich wird das Verständnis für diese „Flüchtlinge“ fassbar.
  3. Wie gehe ich jetzt damit um? In meinem Alltag, in den sozialen Netzen, in meiner Familie? Was und wie kommuniziere ich?
  4. Nicht die Flüchtlinge, sind die Attentäter. Sie fliehen vor denselben. Und die Attentäter? Sie haben vorerst erreicht, was sie wollten. Angst und Terror verbreitet. Nicht nur bei uns Europäern. Insbesondere bei den Flüchtlingen. Denn schließlich scheinen sie, die schon so eine lange Flucht hinter sich haben, ihren Peinigern nicht entkommen zu können. „Wir sind überall. Ihr könnt uns nicht entfliehen.“ Wie fürchterlich. Solche Szenarien flackern vor meinem inneren Auge auf.
  5. Dachte ich eben noch, dass ich irgendwie nicht normal weitermachen kann – bei so viel Leid rund um mich herum -, wird mir einmal mehr bewusst, dass es genau das ist, was sie wollen. Handlungsunfähigkeit. Aber ich werde beten. Und zwar nur noch mehr. Ich werde nicht aufhören.
  6. Ich kann doch nicht einfach so weiterleben. Mit unserem ganz normalen Alltag, während das Leben so vieler anderer von jetzt auf gleich ausgelöscht oder völlig auf den Kopf gestellt wird. Willkürlich. Skrupelos. Das ist doch keine Solidarität! Ist es nicht?
  7. Doch. Denn Ich will mir keine Angst machen lassen. Aber ich will die anderen auch nicht im Regen stehen lassen.
  8. Der Terror mag religiös begründet sein. Doch eigentliche Grundlage ist Fanatismus und Nährstoff bieten Ungerechtigkeit, was die Verteilung von Komfort, Wohlstand, Ressourcen und Fortschritt angehen.

Ja, ich wusste nicht, ob ich jetzt einfach so weiterbloggen könnte. Mir ist es im Nachhinein auch so unangenehm, dass ich gestern Smilla vorgestellt habe, während in Paris die Welt Kopf stand. Wie soll ich von Regenwürmern, Freundlichkeit zu mir selbst oder Verpackungsmüll und Komfort schreiben, wenn da draußen Krieg herrscht und derselbe sich ausweitet ?

Krieg und Frieden

Das hört sich zu reißerisch an? Zu sehr nach Boulevard? Finde ich nicht. Da draußen herrscht momentan kein Frieden. Menschen sind zerrissen. Wir diskutieren über alles mögliche, u.a. Flüchtlingspolitik, Wirtschaftswachstum und und und. Wir tun uns so schwer unkomfortable, aber menschenwürdige Entscheidungen zu treffen, während die anderen Zeit haben, sich so etwas Furchtbares auszudenken.

Jetzt erst recht. Hier geht’s weiter. Sowohl mit Alltag und Erziehungsfragen als auch Aufrufen zu einem großen „Weniger ist mehr“. Meine persönliche Flüchtlingspolitik hab ich ins RealLife verschoben, weil ich gemerkt habe, dass ich dort einfach nochmal mehr und direkter Veränderung und Umdenken schaffen kann. Für diese geflüchteten Menschen.

Nichts wird mehr so sein wie gestern? Vor den Anschlägen? Das gilt doch auch für den Tag davor und davor. Nichts wird mehr so sein, wie vorher. Denn wir verändern uns. Entwickeln uns – hoffentlich in eine Richtung, die unsere Kinder überhaupt irgendeine Zukunft auf diesem Planeten miteinander haben lässt.

Der Gedanke bleibt

Ich bete für Paris. Und noch viel mehr, dass wir uns zusammenstellen. Für Menschlichkeit. Für Frieden. Für unsere Kinder.

5 Gedanken zu „#PrayforParis“

  1. Danke für den Satz von Martin Luther King! Er ist so wahr und wichtig.
    Der Priester in der Kirche gestern hat von Vergebung und Feindesliebe gesprochen.
    Ich fand das steil an diesem Tag. Trotzdem konnte er vielleicht nichts Besseres sagen!
    Lieben Gruß!

  2. Hallo,
    Der Terror wird religiös begründet. Er ist es aber nicht. So stoße ich mich ein wenig an der Formulierung“Der Terror mag religiös begründet sein“
    Es handelt sich um Menschen die einer Denkweise folgen die wirklich nichts mit der Religion zu tun hat auf der diese sich berufen. Und es wäre Aufgabe dies deutlich darzustellen in den Medien. Aber die haben sich schon so lange von aller Sachlichkeit abgewendet. Das es schon solange zu kurz kommt. So wird ja auch jeden von den Medien auf der Schulter geklopft der sich im Sinne der Politik ehrenamtlich einsetzt. Und ich habe auch nichts dagegen, das jeder sich da in den Einsatz bringt wo er mag.
    Aber die Armut im eigenen Land ist aus den Medien verschwunden, aber nicht aus dem Leben. Und arme im eigenen Land helfen im Ehrenamt ? Die sind doch laut der Medien und Politik „Faulenzer, Schmarotzer, Arbeitsscheu e.t.c“
    Ich frage mich wie soll ein Kind keinen Knacks abbekommen wenn es in Armut lebt. Und sich andere in der Schule weg drehen weil die Schuld ihm mit angelastet wird? Oder seinen Eltern.
    Wo lässt den ein Mensch später seine Wut ab das er so behandelt wurde.
    Wir haben nicht nur die Ursachen für Flucht aufgebaut. Wir waren es auch das Menschen im Namen einer Ideologie sich auch so wie in Frankreich verhalten. Und wenn wir das bekämpfen der armen nicht einstellen. Und wieder gegen Armut und Ausgrenzung vorgehen. Dann schaffen wir auch die neuen Anhänger der Ideologien!

  3. @inwachsendenringen: Oh ich kenne auch so jmd in meinem Bekanntenkreis. Das finde ich total schwierig. Jemandem, der schweres Leid zu ertragen hat, zu sagen, „Das soll so sein.“ oder „Alles hat seinen Sinn.“ finde ich grausam und völlig unangebracht. Aber für mich als gewissermaßen „Außenstehenden“ – ermöglicht ein solcher Satz Klarheit. Und zwar insofern, wie ich mich positioniere und mein Handeln in Solidarität sinnvoll umsetzen kann.
    @Prot: Ich meinte es auch mehr als „werden“. Formuliere also gern um: „Der Terror mag religiös begründet werden.“ – wobei ich schon auch der Auffassung bin, dass es Menschen gibt, die wirklich unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation ihre Taten religiös begründet sehen.

  4. Hallo rage,
    Das mit der Perspektivlosigkeit und daraus erwachsenden wirtschaftlichen Wegen. Halte ich in Frankreich schon als einen wichtigen Auslöser sich einer Ideologie anzuschließen, die eine Religion anders auslegen will. Immerhin sind die meisten der Täter dieses mal so wie davor bei Charlie Hebdo Franzosen die in Frankreich aufgewachsen sind. Und dann erst konvertiert sind, und dort von extrem denkenden gefunden wurden.
    Klar geben sie das Motiv an das sie übernommen haben, oder lassen sich ermuntern von jenen die sich dazu bekennen. Aber auch diese erhalten in ganz Europa Zulauf von Menschen die keine Perspektive sehen egal aus welchen wirtschaftlichen Umfeld. Oder auch von jenen denen die wirtschaftliche Situationen diese raubt.
    Das Grundproblem wie der IS zustande gekommen (extreme falsch Auslegung einer Religion) ist, liegt sicher nicht in den Motiven der zulaufenden.
    Und da sich inzwischen alle europäischen Staaten immer mehr die neoliberalen Politik als einzigen Weg auf die Fahne schreiben. Denke ich das der Zulauf auch nicht abnimmt. Und da diese auch wenn sie genau befragt werden in ihre Heimat zurückkehren können, wird das Risiko nicht wirklich kleiner.
    Und da hast sicher recht das nicht alle denen Perspektiven versagt sind oder wirtschaftliche Möglichkeiten, auf die Idee kommen sich so zu Verhalten. Zum Glück!

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