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Vatertag

„Und? Was macht ihr so am Vatertag?“ – Mama sein. Papa sein. Kinder sein. Ich weiß es auch nicht. Dieser Artikel wird vermutlich ein ins Unreine geschriebene Zeitzeugnis meines Daseins werden. Vielleicht ist das hier auch lediglich PsychoHygiene. Ich weiß noch nicht einmal, womit ich als erstes anfangen soll.

Da ist das Gefühl: dass mein Einsatz als Mutter von der Gesellschaft nicht im geringsten wertgeschätzt wird. Männer und Frauen, die es als selbstverständlich ansehen, dass ich unendgeltlich tagein, tagaus rotiere. Schließlich wollte ich ja die vier Kinder. Dafür auch noch finanziellen Ausgleich zu fordern, ohne „beruflich“ tätig zu sein, ist doch schon reichlicht dreist. Ok.

Dann ist da in einem Nebensatz die Feststellung aus einem Buch – zu dieser Problematik „Vereinbarung von Familie und Beruf“ – seit wann der Beruf der Hausfrau existiert. Wie kann es einen Beruf geben, der nicht als solcher charakterisiert ist? Was kennzeichnet denn bitte schön einen Beruf. Eine dazugehörige Ausbildung? Oder ein Gehalt? Bitte, was? Was meint der Duden? Aaaah, eine Tätigkeit, mit der jemand sein Geld verdient. Ich kriege kein Geld. Weder fürs Muttersein noch für meine Haushaltsführung. Ok.

Das Buch ist übrigens sehr, sehr lesenswert. Das kann mir aber vielleicht auch nur so vorkommen, weil ich das Gefühl habe, dass da jemand in meinem Kopf und meinen Gedanken zugeschaltet war. Für längerer Zeit, will man meinen. Dazu gibt’s demnächst noch eine Rezension. Ok.

Muttertag. Ein Graus. Am Tag vorher meinte ich noch, dass ich keine Blumen haben will. Ich fühle mich durch diesen Tag total degradiert und ruhig gestellt. Vor allem ruhig gestellt und sediert. Oft denke ich, dass das nicht sein darf, denn meinen Kerlen wird eingetrichtert, dass sie mir den Frühstückstisch decken sollen/können. Sie sind dann Feuer und Flamme und wollen mir eine Freude bereiten. Wie kann ich diese Freude dann ungeachtet beiseite wischen. „Brauch ich nicht. Aber danke!“ Wie herzlos das wäre. Auch wenn sie plötzlich mit Blumen in der Haustür stehen. Schließlich bekommen Mamas doch Blumen an diesem Tag. Aaaaargh!
Beiß in die Tischkante.
Ich will das so nicht.
Ich will nicht abgespeist werden mit einem Tag, an dem alle besonders nett zu mir sind, dabei hätte ich genauso wie jeder andere Berufstätige Wertschätzung in Form eines Entgelts verdient. Wenn schon nicht fürs tolle Muttersein, dann doch bitte schön für meinen HausfrauenEinsatz. Aber, ok.

Dann sagt mir der Kindergarten, dass sie wieder streiken. Und zwar an dem Tag, an dem es eigentlich ins Kindertheater sollte. What? Aber, zum Glück haben sie alles geklärt. Und wenn ich mag, kann ich mit meinem großen Kerl in die Stadthalle fahren und dennoch an der Veranstaltung teilnehmen. Denn, hej, das ist kostenlos. Moment, mal überlegen, was mach ich dann mit dem anderen Kindergartenkind, das eigentlich keine Freikarte hat? Vielleicht darf ich das ja so reinschmuggeln? Weil, das kann ja auch nicht in die KiTa. Ok. Gelöst. Ach halt, da ist ja noch das Baby! Aber kein Problem, ich bin SuperMOM mit Herzklabaster. Alles easy. Ok. Gut, dass wir drüber gesprochen haben. Ich zieh dann wohl mit Sack und Pack in die Stadthalle. Mal sehen, was passiert. Ob was passiert. Ob das Baby in der Tragehilfe schreit? Wie warm es wird? Ob wir die einzigen sind? Vielleicht kann der Mann seinen für die Baustelle freigehaltenen Tag ja verschieben. Ein Tag, der ursprünglich dazu von uns installiert wurde, dass ich mich dem Schreiben und Texten widmen kann. Wie verkehrt ist das denn? Jetzt übernehme ich den ErzieherinnenJob und verzichte auf den BaustellenTag meines Mannes, an dem ich eigentlich mein Texten ausbauen wollte. (Ich finde es großartige, dass sie alle streiken!! Ganz ehrlich!!! Aber irgendwie fällt es ja doch nur auf Organisationstalente zurück, die es irgendwie hinkriegen, dass die Kinder versorgt und betreut sind. Wem macht der Streik denn dann überhaupt noch was aus? Lest dazu gerne mal hier!)

Dem Ganzen die Krone aufgesetzt hat der heutige Tag. Christi Himmelfahrt. Ein Feiertag des Christentums, an dem der Tag gefeiert wird, an dem Jesus zu Gott in den Himmel zurückgekehrt ist. So.
Und was wird gemeinhin an diesem Tag gefeiert? Männer, noch nicht einmal immer Väter, kehren mit Bollerwagen an Spielplätzen ein oder schnappen sich gleich einen kleinen Traktor, mit dem sie übers Land fahren. Ihre Fahrzeuge sind bis oben hin mit Alkoholika befüllt und die unmittelbare Umgebung wird mit irgendwelchem TechnoGewummer beschallt. Sollte das nicht der Fall sein, versorgen kehlige und betrunkene Männerstimmen die Umwelt mit Gegröle. Vom vielen Trinken wird sich an den Rand des Spielplatzes breitbeinig aufgestellt und Wasser gelassen.
„Wenigstens ein Tag, an dem wir auch mal wieder jung sein können.“ Ach so ist das! Pling!!
Der Typ ist keine 40, wahrscheinlich noch nicht einmal 30 und sehnt sich nach seiner Kindheit als 5-jähriger zurück. Eine Kindheit, in der er viel Zeit auf Spielplätzen verbracht, sich mit diversen alkoholischen Getränken versorgt, ordinär durch die Gegend geplärrt und Spielgeräte mit der Kraft eines erwachsenen Mannes demoliert hat. Na prima.

Ich habe mich die vergangenen Tage häufig gefragt, wieso ich kein Gehalt bekomme? Zum Beispiel die von mir inzwischen obligatorisch angeführten 10 000€, die ich gerne wenigstens an einem Tag im Jahr bekäme. Ich habe mich gefragt, wieso unsere ErzieherInnen und Sozialarbeiter so wenig Gehalt für diesen harten Job des Betreuens erhalten? Wir geben ihnen unser kostbarstes Hab und Gut und schätzen ihre Arbeit so gering? Also die Gesellschaft tut das. Aber wer ist denn diese Gesellschaft? Sie besteht doch aus uns. Und dann begegne ich in diesen selben Tagen so vielen tollen Frauen und Männern im Netz, da fällt mir ein, wie vielen dieser Menschen ich auch schon in den vergangenen Jahren des Bloggens begegnet bin. Das können ja noch nicht alle sein. Da draußen gibt’s doch bestimmt noch mehr von solchen Persönlichkeiten. Und zusammen… zusammen könnten wir eine neue Wertschätzung etablieren. Wie das Senfkorn… oder die Hefe oder, was weiß ich, die Mücke vom Dalai Lama.

Doch dann ist Vatertag. Und wem ich begegne, sind nicht diese inspirierenden Menschen. Sondern Frauen und Männer, die ein Fest feiern, das ich als unglaublich fehlgeleitet erlebe. Wie kann ich davon ausgehen, dass sich irgendetwas auch nur annähernd ändern könnte?

8 Gedanken zu „Vatertag“

  1. Hallo Rage,

    meine Freundin mit 4 Kindern wollte auch immer ein Gehalt. Nachvollziehen konnte ich das nie. Ich handhabe das so: mein Kind ist meine Privatsache. Es wäre schön, wenn Kinder in der Gesellschaft willkommener wären. Wie im Süden. Dass man abends noch mit ihnen draußen sitzen kann und sie erwünscht sind und selbstverständlich dabei. Das öffentliche Urinieren hat auch in der Stadt total zugenommen. Da kann man nur staunen. Selbst vom Küchenfenster aus sehe ich das. Ist ja nicht billig wenn man angezeigt wird. Kann ich verstehen, wenn was nicht organisiert ist, bricht gleich das ganze System zusammen. Bei Streiks hab ich mich schon immer gefragt, was das den Leuten bringt, die drauf angewiesen sind. Ich hab den Vatertag einfach vergessen. Wie jedes Jahr. Selbst hab ich natürlich am Muttertag Blumen, Kuchen und Anruf des Papas bekommen.

    Liebe Grüße – Tanja

    1. Boar, diese Pinkelei… bäh! Das finde ich echt eklig. Kinder = Privatsache. Mhm… ich weiß nicht. Darüber musste ich die Woche immer wieder nachdenken. 1. Ja, das will ich eigentlich. 2. Sind sie aber nicht, denn spätestens ab 6 darf ich hier nicht mehr frei entscheiden, sondern muss zur Schule schicken. Die Option von Homeschooling gibt’s hier nicht; nur mal als Beispiel. Deutschland und Schweden sind die einzigen beiden Länder in Europa, in denen das nicht geht. 3. Es geht mir eigentlich mehr um sowas, wie den Haushalt. Früher, als noch keine Kinder da waren, da hieß es immer, dass der eine zur Arbeit geht, der andere zu 80% die Erziehung übernimmt und der Haushalt 50/50 aufgeteilt wird. Spätestens beim zweiten war das nicht mehr drin. Und jetzt? Ja, jetzt gibt es so Ausnahmesituationen, in denen wir beide uns noch besser organisieren müssen. Wenn zum Beispiel einer der Kerle krank wird. Oder einer von uns. Ätzend ist das.

      Zum Glück habe ich einen Mann, der mein EinserAbi, meinen Wunsch auf gemeinsames Gestalten und Entscheiden ganz genauso sieht. Aber das mit dem Haushalt – es ist ein undankbarer Job, dessen Aufgaben erst dann auffallen, wenn ich sie liegen lasse. Werden sie gemacht, werden sie ebenso übersehen. Ich meine, klar, das ist mein Haushalt. Kram, den ich fabriziere. Geschirr, das ich dreckig mache. Ich komm aber einfach nicht drum herum, dass ich mich gesamtgesellschaftlich ungerecht behandelt fühle. Dass mir gesellschaftliche Anerkennung für meinen Job fehlt. Einer meiner Kerle meinte heute: „Wieso dürfen Mamas Zuhause bleiben? Warum musst du immer arbeiten gehen, Papa?“ – Ehm, hallo?! Klar, das ist nicht reflektiert gewesen und als ich meinte, ich könnte mit Papa ja auch tauschen, aber einer müsse Geld für Essen und das Auto und Klamotten verdienen, da wurde er kleinlaut und wollte das dann doch nicht so gerne. Dennoch war es ein Beispiel für die allgemeingängige Annahme, dass ich es ja voll gut habe und keine Arbeit.

      Das bisschen Haushalt…

      1. Schon mal über eine Haushaltshilfe nachgedacht? Wenn es nur der Haushalt ist, der dich stört wäre das doch eine Investition wert, oder?

        Was den Muttertag angeht, warum erklärst du deine Situation nicht einfach deinen Kindern? Dass Du den Muttertag anders feiern willst, auf Deine Art und Weise. Muss man denn alles Gesellschaftskonform machen, auch wenn man keine Lust darauf hat? Kann man seinen Kindern nicht erklären, dass es bei euch zu Hause anders läuft, dass Du Dein eigenes Ding machen willst? Hab keine eigenen Kinder, daher keine Ahnung wie schwierig so ein Gespräch sein kann, daher meine Fragen… wenns wirklich nicht geht, dann eben weiterhin in die Tischkante beissen.

  2. Hallo Rage,

    ich kann deine Aufregung verstehen.

    Ich finde es total ekelhaft, wenn ich mit einem meiner Sinne mitbekomme, dass jemand da, wo ich gerade stehe, uriniert oder uriniert hat. Meines Erachtens ist es ein ähnliches Problem wie mit Müll: Wenn es keine Mülleimer gibt, werfen die Menschen ihren Müll eher irgendwo in die Landschaft als, wenn in regelmäßigen Abständen welche aufgestellt wurde. Das gleiche gilt für öffentliche, kostenfreie Toiletten.

    Ich mag Himmelfahrt echt gern! Man ist den ganzen Tag mit Freunden draußen, wandert, genießt die Natur und das tolle Wetter und isst und trinkt gemeinsam. Leider gibt es sowohl immer solche und solche als auch ganz schlimme Extreme, die mir die Laune an diesem Tag gehörig verderben können. Aber von Himmelfahrt hatte ich heuer ja eh nichts. (Letztes Jahr auch schon nicht, nächstes Jahr dann hoffentlich ganz bestimmt!)

    Leider haben wir Menschen die Angewohnheit, für alles, was wir würdigen, einen besonderen Tag zu brauchen: Valentinstag, Geburtstag, Muttertag, Vatertag, Hochzeitstag, … Dabei sollten wir eigentlich jeden Tag Dankbarkeit zeigen! Von mir selbst weiß ich allerdings, dass ich Dankbarkeit meinen Eltern gegenüber am stärksten gefühlt hatte, nachdem ich ausgezogen war. Ich habe etwas Abstand gebraucht, um zu merken, welche Opfer meine Eltern für mich gebracht haben.

    Dass Eltern und Erzieher in unserer Gesellschaft so wenig Anerkennung bekommen, ist ein Frevel. Da lobe ich mir die Philosophie am Theater: Dort bekommt jeder das gleiche Grundgehalt, weil die Reinigungskräfte, die die Bühne reinigen, ebenso wichtig sind wie die Prima Ballerina. Man stelle sich vor, sie würde sich etwas in den Fuß treten, weil die Bühne nicht gereinigt ist…

    Lieber Gruß,
    Philipp

    1. Ich glaube, ich gehe ans Theater. wobei mir dann einfällt, dass ich hier schon morgens Zirkus und abends dann noch Theater habe. SO sieht unser Haushalt aus. Sehr Kulturgeprägt.

  3. Als ich 2011 in Deutschland gewohnt habe, durfte ich den deutschen Vatertag auch hautnah miterleben. Ich muss gestehen das ich nicht so ganz begeistert war, weil dieser Tag bei uns anders ablaueft. Ich kann mich erinnern das einige Kids bei uns an der Tuere geklingelt haben meinem Ehemann eine alte dreckige Giesskanne die mit Bier gefuellt war hingehalten haben. Mein Mann hat zum Glueck nicht daraus getrunken….

    Sehr schoener Blog! Schau doch auch mal auf meinem vorbei!

    Gruesse aus Thousand Oaks, CA
    Shaina

  4. Edel sei der Mensch
    Hülfreich und gut!

    Goethe, Das Göttliche, Vers 1-2

    Ich habe das mal in einer ähnlichen Situation (besoffene Väter, aber kein Vatertag) angebracht.
    Es ist vielleicht die beste Methode, den Leuten in der Situation den Spiegel vor die Nase zu halten, ohne dabei selbst angreifbar zu werden.
    Ob die Blicke den Spielel finden und die Augen dort dann was sehen, das liegt freilich außerhalb unseres Einflussbereichs.

    Denn das allein
    Unterscheidet ihn
    Von allen Wesen
    Die wir kennen.
    (ebd., Vers 4 ff.)

    Anders, und an deinen Schluss anknüpfend, wenn du die gesuchte oder erwartete oder erhoffte Inspiration nicht erlebst, bleibt nichts als (yet again) selbst zu inspirieren ;-)

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