SellerieStange oder Schnitzel? Die vergangenen Tage und Wochen waren ja schon voll mit neuen Ideen, Projekten und Gedankenanstößen. Dazu kam letzte Woche die Veröffentlichung des Fleischatlas von der Heinrich-Böll-Stiftung und dem BUND.
Irgendwie bin ich von einem Umfeld umgeben, in dem an jeder Ecke auf diesen Atlas hingewiesen wurde. Auch große ZeitungsVerlage haben über diese Publikation berichtet, was mich sehr positiv überrascht hat. Ob das wohl Auswirkungen hat? Ich lese noch immer in meinem Thriller über die LebensmittelIndustrie (‚Die Essensfälscher‘ von Thilo Bode). Bei mir fiel dieser Atlas auf fruchtbaren Boden, würde ich behaupten. Aber sonst? Habt ihr von dieser Publikation gehört? Es lohnt sich obige Links mal anzuklicken.
Worum es geht: BUND und Heinrich-Böll-Stiftung haben mit dieser Publikation das Anliegen über die Dimensionen unseres FleischKonsums und unsere nahrungstechnischen Entscheidungen zu informieren. Wenn wir in den Supermarkt gehen, uns aus der Kühltruhe eine Packung HähnchenFilet herausnehmen, wenn wir an der MetzgerTheke stehen und 500gr Hackfleisch gemischt sowie drei Kotellets wünschen, die ein wenig später als Hackbraten und Co. auf unserem Teller liegen, dann hat das nicht nur zur Folge, dass wir satt werden. Oder die Reste entsorgen. Unser Fleischkonsum hat Auswirkungen auf die LebensmittelIndustrie und die FleischProduktion. Der Atlas hat zum Ziel uns, die Konsumenten, zu informieren und einen Einblick in die globalen Zusammenhänge unseres Fleischessens zu geben.
Im Zuge unseres persönlichen „RegionalEssensProjekt“ und eben meiner derzeitigen Lektüre haben wir in unserem Haushalt die vergangenen drei bis vier Monate eh schon viel umgestellt. Damals war die Frage, ob wir das Fleisch vom Bauern nebenan, der uns ein 1/8 Rind anbot, kaufen wollten, oder nicht. Es war komisch, denn wir bekamen eben nicht so und so viel Kilogramm Nackenfleisch oder Filet angeboten. Nein, es ging um ein Rind. Ein Tier. Ein Lebewesen. Das war irgendwie komisch. Es waren also nicht die fein säuberlich geschichteten, in Plastik eingepackten 200gr Bratenscheiben. Es war einfach nur ein zerlegtes Rind. Schluck. Ist es nicht komisch, dass die natürliche Bezeichnung des Nahrungsmittels uns hemmt? Müssen wir uns da nicht schon die Frage stellen, ob es in Ordnung ist, Fleisch aus der Truhe oder dem Kühlregal unbedacht zu verzehren? Man wird ja nun wirklich gar nicht mehr mit dem Lebewesen konfrontiert, dass da sein Leben gelassen hat. Wir konnten die zwei Wochen hervorragend auf Fleisch verzichten.
Ich will damit sagen: Uns fehlt meines Erachtens heute ganz schnell der Bezug zu dem, was wir essen. Ich habe nichts gegen Fleisch. Ich mag es eigentlich sogar gern essen, kann aber gut darauf verzichten. Es ist auch nicht so, dass ich die Vorstellung nicht ertragen könnte, dass ein Tier wegen mir geschlachtet wird. Was mir aber Sorge bereitet ist die Tatsache, dass mich die Distanz zu dem Tier, die sich schon allein darin ausdrückt, dass ich lediglich von Fleisch rede, weniger wertschätzend mit diesem Lebewesen umgehen lässt. Tiere werden in Massen gehalten und nur ‚produziert’/’gezüchtet‘, damit ich sie essen kann? Es wird viel zu viel produziert, so dass Berge toter Tiere entsorgt werden müssen? Es ist nicht so, dass ich nicht verstehen könnte, warum Fleisch gerne verzehrt wird. Aber die Hemmschwell ist so furchtbar tief gesunken, da wir den Kontakt zum Tier doch gar nicht mehr kennen, oder?! Aufgrund dieser und einiger anderer Gedanken halte ich es für sinnvoll, sich den Atlas mal zur Hand zu nehmen. Es gibt ihn sowohl beim BUND als auch bei der Heinrich-Böll-Stiftung als pdf-Download. Ich glaube tatsächlich, dass es sich lohnt an dieser Stelle informiert und kritisch zu konsumieren.
Was meinst du? Gibt es Vegetarier unter euch Lesern? Warum verzichtet ihr auf Fleisch? Vielleicht ja sogar auf jegliche tierischen Produkte? Wie ergänzt ihr Mineralien wie Eisen und B12? Ich setze mich gedanklich momentan non-stop mit solchen Fragen auseinander. Ich würde mich freuen, von euch zu lesen!
Mit dem fehlenden Bezug zum Tier, das wir verspeisen, liegst Du meiner Meinung nach vollkommen richtig.
Als Kind lebte ich lange bei meinen Großeltern, die einen kleinen Hof bewirtschafteten. Wir hatten Hühner, Schweine und Kühe, die auch damals noch auf dem Hof vom Hausmetzger geschlachtet wurden. Es war für mich also ganz klar, dass viele Tiere, mit denen ich vorher noch gespielt habe, sich irgendwann auf dem Teller wiederfanden. Allerdings nicht nur die Filetstücke, sondern eben das ganze Tier – alle Teile des Tieres wurden verarbeitet und gegessen. Nicht immer so lecker …
Bei meinen Großeltern gab es aber auch nicht jeden Tag Fleisch, dazu war es viel zu teuer.
Ich esse heute auch noch Fleisch, habe aber meine Konsum sehr eingeschränkt. Mir ist durchaus bewusst, was ich da esse – den Körper eines Lebewesens. Allerdings habe ich kein gutes Gefühl, wenn ich heute auf einen konventionellen Bauernhof sehe, wie die Tiere gehalten werden – gar nicht zu reden von Mastbetrieben und Schlachthäusern, die wir ja heute gar nicht mehr zu Gesicht bekommen. Unser Schweine und Hühner konnten wenigstens noch auf dem Hof rumrennen und die Schlachtung erfolgte auf dem Hof, ohne Transport. Die Metzger wussten genau was sie taten und ließen die Tiere nicht länger leiden als nötig.
Wenn ich heute Bilder aus Mastbetrieben und Schlachthäusern sehe, vergeht mir der Appetit auf Fleisch gründlich. Abgesehen vom hohen CO2-Verbrauch bei der Herstellung von Fleisch mein Hauptgrund, immer weniger Fleisch zu essen.
Noch ein Videotipp: Ein recht guter Vortrag zum Thema findet sich übrigens auf Karmakonsum: http://www.karmakonsum.de/2012/12/04/konsum-die-psychologie-des-fleischessens/
Danke für den VideoTipp. Ich bin leider noch nicht wirklich zum Schauen gekommen. Aber kommt noch. Denn… seit einer Woche vegetarisch. Allerdings immer noch mit dem dazugehörigen GedankenKarussell, ob das alles so richtig ist.
Du bist auf einem Bauernhof groß geworden?!! Wow, manchmal wünsch ich mir genau das. Mit mehreren Leuten in Form einer Lebensgemeinschaft auf einem Hof leben. Das muss gar nicht mal ein Bauernhof sein. Aber die Option eigenes Gemüse anzubauen, Hühner umherlaufen zu sehen, deren Eier man genießt, weil man weiß, womit das FederVieh gefüttert wurde… Sowas eben…
Danke für deinen Kommentar! Genau das meinte ich mit der Distanz.
Hallo Rage,
ich ernähre mich seit 2008 ausschließlich vegetarisch (anfangs mit wenigen Ausnahmen bei Fisch und Fleisch, seit 2009 komplett veretarisch) und seit ca. 2 Jahren zu 90% vegan.
Meine Motivationen sind verschiedener Natur: Ethik (Stichwort Tierleid), Umwelt (Stichwort CO2, Transporte, Ausbeutung), Gesundheit. Mir fehlt nichts und ich bin gesund, ohne Mangelerscheinungen!! Ich ernähre mich abwechslungsreich und habe das ganze gut durchdacht und informiere mich immer (noch). Das ist das A und O um eben keine Mangelerscheinungen zu bekommen… Seit ich mich vegan ernähre habe ich ganz deutlich weniger Probleme mit meinen Allergien! Ich kann auf die üblichen Mittel verzichten, was vorher undenkbar gewesen ist und ich merke es auch deutlich, wenn ich doch mal wieder (mehr) Käse esse…
Ich bin nicht der Typ, der andere missionieren will daher unterhalte ich mich über das Thema auch nur, wenn es sich ergibt oder mich jemand etwas fragt. Ich stehe den ganzen vegetarischen „Ersatzprodukten“ , die aktuell die Supermärkte fluten ,seeehr kritisch gegenüber. Zum einen, weil sie teil stark verarbeitet sind (mit gesunder Ernährung hat vieles nichts zu tun) und zum anderen, weil oft auf Hühnereiweis als Grundlage zurückgegriffen wird. Und so wie die Eierproduktion abläuft gruselt es mich auch ganz stark…
Es gibt in Großbritanien ein tolles Anbaukonzept, bei dem auch beim Anbau von Gemüse auf Tierische Ausscheidungen verzichtet wird. Diesen veganen Landbau finde ich total spannend und super und hoffe, dass er auch in Deutschland populärer wird.
Ich finde es aber schon toll, wenn sich Menschen überhaupt wieder (mehr) Gedanken über das Essen und seine Herkunft machen und daraus dann Schritt für Schritt Konsequenzen ziehen, Es muss nicht jeder gleich vegetarier oder veganer werden (wobei ich persönlich Milchkonsum noch schlimmer finde, als Fleischkonsum… aber das ist noch ein anderes Thema). Eine Reduzierung des Fleisch- und Milchkonsums ist doch schon ein toller Anfang. Wir würden alleine sooooo vielen Tieren Leid ersparen, wenn wir zum ohnehin gesünderen Sonntagsbraten zurückkeheren würden…
Und zum Thema Entfremdung: Es ist erschreckend, wie sehr sich der Mensch von den Tieren entfremdet hat… Die wenigsten sehen oder wollen in einem Kotlett ein Schwein sehen… Wenn das Bewusstsein, dass hinter jedem Stück Fleisch/Wurst ein Tier gesteckt hat mehr zurück käme, würde bei vielen Menschen der Konsum vermutlich von selbst zurück gehen… alleine weil man seinem „Essen“ mehr Respekt zollen würde…
Vondaher: Toll, dass du das Thema für dich und deine Familie aufgegriffen hast und ihr euren Fleischkonsum so kritisch hinterfragt!!
Liebe Anna,
danke für deinen Einblick in dein vegetarisch/vegan werden. Ich finde das total spannend, wenn Menschen von ihren Erfahrungen und Entwicklungen erzählen.
Dass Fleischkonsum durchaus weniger problematisch sein kann, als der von Milch und Co. ist mir erst beim WWOOFen richtig klar geworden als einer der Hosts das meinte. Als er es erklärte, schämte ich mich, nicht selber darauf gekommen zu sein. Aber letztlich ist das meine Prägung und das, was ich gelernt habe.
Wenn es um Milch geht und darum die Frage von Kindern zu beantworten, woher sie kommt, dann sind die meisten froh, wenn Kinder nicht die lila Kuh nennen. Ich befinde mich aktuell in einem heftigen Zwiespalt, da die Milchwirtschaftliche Arbeitsgemeinschaft an Schulen Werbung macht. Zum Beispiel in Form von einem „gesunden Frühstück“. Was soll ich dazu sagen? Wie soll ich darauf reagieren? Ohne mein Kind zum Außenseiter zu machen? Und wenn ich eben auch nach dem Grundsatz verfahre, dann etwas zu meinen Essgewohnheiten zu berichten, wenn ich gefragt werde und mich nicht aufzudrängen?!? Schwierig.