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Vom Klischee zum Rollenbild

…und wie unerträglich ich Klischees finde. Klischee meint soviel wie „Abklatsch“. Es handelt sich um Gedankenmuster und Sprachschemata, die einfach so, ohne jedwede Reflexion übernommen und gebraucht werden. Häufig auch sehr unbewusst.

Ich weiß, dass ich mich nicht ausnehmen kann von dieser Neigung. Wir konstruieren uns jeder ganz individuell seine Lebenswelt, in der wir meinen gut zurecht zu kommen. Klischees, feste Rollenbilder zählen neben Schubladen, Vorurteilen, Stereotypen, Kategorien und Wertvorstellungen und vielem anderen dazu.

Mit starren Rollenbildern und vor allem Klischees machen wir uns m.E. nicht selten gegenseitig  das Leben schwer, um in der eigenen Alltagswelt klarzukommen. In den letzten fünf Jahren, vor allem in den letzten 12 Monaten und irgendwie vor allem seit Anfang dieses Jahres mache ich mir viele Gedanken zu diesen Termini. Sie bringen mich auf die Palme, lassen mich frustriert verharren und manchmal renne ich in übereifrigem Aktivismus durchs Leben und versuche ihnen die Stirn zu bieten.

Klischees sind eine äußerst wechselseitige Geschichte.

1. Zunächst existieren in unserer Gesellschaft mehr oder weniger starre oder auch flexible Rollenbilder, gegen die wir kämpfen oder für die wir uns einsetzen. Je nach Wunsch werden Kanonen ausgefahren oder weiße Flaggen gewedelt.

2. Ich selber bin natürlich diejenige, die gewisse Klischees zulässt und sie übernimmt oder sich anzieht. (Von wegen sich den Schuh anziehen und so…) 

3. Meine Umwelt trägt die Klischees an mich heran und behandelt mich dementsprechend. Sonst würde die konstruierte Lebenswelt der jeweiligen anderen Person auch nicht mehr wirklich stimmig sein. Und sehnen wir uns nicht alle nach einem gewissen Maß Harmonie?!? Zumindest in unserem Kopf?

In den letzten Wochen hatte ich an einigen Stellen meines Lebens das Gefühl, wie ätzend diese Kiste doch ist. Vorweg, mein Denken und auch meine Erklärungsmuster möglicher Verhaltensweisen sind ebenfalls mal mehr, mal weniger von Stereotypen beeinflusst. Aber wie oben erwähnt, versuche ich in diesen vielen Situationen Äußerungen zu reflektieren. Ob das ausreicht klischeefrei zu sein? Definitionssache, wie ich finde.

Als Mama, die Zuhause sein kann, und nicht arbeiten gehen muss, damit abends das Essen auf dem Tisch steht, kann ich viel Zeit mit meinen Kindern verbringen. Das ist richtig. Und ich liebe es. Das heißt aber nicht, dass ich in diesen 6-8 Stunden, die eine andere Mama auf der Arbeit verbringt,

* Zuhause Däumchen drehe.
* nicht auch den Wunsch verspüre, dass mein Einsatz anerkannt und wertgeschätzt wird.
* nicht auch mal die Beine hochlegen würde.
* viele Laufkilometer hinter mich bringe.
* Gehirnschmalz dafür verwende, wie ein Problem gut und am besten win-win gelöst werden kann.

Als Mama Zuhause habe ich in der Tat Interessen und tatsächlich auch ThemenBereiche in meinem Leben, die nicht immer mit K anfangen und -indern aufhören. Natürlich: Ich verbringe 100% meiner aktuellen Zeit mit meinen Kindern. Natürlich: Sie sind eines meiner LebensThemen. Wäre ja auch schlimm, wenn nicht. Ein MaschinenbauIngenieure verbringt 70-80% seiner Zeit mit seinem Job. Natürlich sollte er von CNC-Maschinen, StrömungsMechanik (FluidMechanik), Adaptronik und Mechatronik oder Konstruktionstechnik und technische ThermoDynamik schonmal gehört, am besten das alles aus dem FF können und verstehen. Aber wenn ich so jemandem begegne, ist es, zumindest in der Regel, doch möglich ein gemeinsames GesprächsThema zu finden, oder etwa nicht?! Mit mir als Mama scheint das nicht zu gehen. Mir erschließen sich klischeehafte Gedankengänge immer schwerer, weil ich sie immer weniger nachvollziehen kann.

Ja, ich bin Mama. Aber nicht nur…
* Ich kann/mag und muss mich intellektuell austoben.
* Es gibt so unfassbar viele ThemenBereiche, die mich außerdem interessieren…
* Keine 8h an einem Schreibtisch zu verbringen (Bin ich froh!), nicht an der Straße große Bagger zu bedienen oder nicht vor einer Klasse zu stehen, deren Jugendliche mich auf die Palme bringen, bedeutet doch nicht, kein Gespräch mehr führen zu können oder nur noch ein eingeschränktes SichtFeld zu haben.
* Ich mache so viel; wegen der Kinder oder wegen mir.

Warum ich das alles schreibe?
A)
Ich habe – glücklicherweise – sowohl in meinen TimeLines als auch in meinem RealLife Menschen kennengelernt, die sich für mich als rage interessieren. Manchmal waren es die Kurzen, manchmal ein Haus in Skandinavien, manchmal mein MamaStatus, manchmal der Minimalismus, manchmal Nachhaltigkeit, manchmal meine Schreibe, manchmal SocialMedia und manchmal auch mein Interesse fürs Laufen (als SportArt), die uns zusammengebracht hat. Das ist super schön. #MaedelsmitMeinung
B) Genauso stelle ich aber fest, dass ich vor Beziehungen stehe, in denen von mir nur noch das Bild von „Mama“ existiert. Konsequenzen bestehen darin, dass man keine Gespräche mehr miteinander führen kann. Es kommen nämlich keine Gegenfragen (Was soll man sie auch schon fragen? Es geht ja eh immer nur um Kinder. Schließlich ist sie ja auch den ganzen Tag Zuhause). Man antwortet auch nur noch möglichst kurz auf gestellte Fragen, weil man ja nie weiß, wie lange ich meine volle Aufmerksamkeit schenke. Schließlich könnte ja was mit den Kurzen sein und ich müsste aufspringen. (Klischees und ihre Rechtfertigungen erscheinen mir immer besonders abstrus.)
C) Manchmal wünsch ich mir, dass ich für meinen Einsatz das Geld (auf 4 Jahre verteilt ) bekomme, das ein Banker oder Manager für einen dritten SportWagen einmalig ausgibt. Ja ich weiß, KLISCHEE. Aber wie soll ich mich denn zur Wehr setzen, um mal deutlich zu machen, nach was für Peanuts ich hier eigentlich frage?

Und jetzt ihr: 

6 Gedanken zu „Vom Klischee zum Rollenbild“

  1. Du hast ja soooo recht!!! Auch ich habe das Glück viel Zeit für und mit meinen Kindern zu haben und die Teilzeit meiner Arbeit von zu Hause aus zu erledigen.

    Ich habe allerdings schon lange keine Lust mehr hierfür in eine Schublade gesteckt zu werden, denn die Einzigen, die zufrieden mit unserer Lebensplanung sein müssen, sind wir! Und das sind wir! Ich stelle mich ja auch nicht hin und fälle Pauschalurteile über andere Einstellungen und Lebensformen.

    Auch ich bin nicht nur Mama. Aber das kann nur der feststellen, der mich nicht schon in eine Schublade gesteckt hat.

    Kopf hoch, liebe Rage und lass Dich nicht ärgern! LG :)

    1. Komisch, oder? Dass man aus diesen Schubladen nicht raus gelassen wird… Kopf hoch, genau.
      laufen…stolpern…hinfallen…aufstehen…Krone richten…weitergehen!

  2. Ich musste am Ende lachen, denn das Problem mit den kurzen Antworten kenne ich nur zu gut. Seitdem einige Freundinnen Kinder bekommen haben, ist es wirklich schwierig sich länger am Stück mit ihnen zu unterhalten. Und eben nicht, weil sie nichts mehr zu sagen haben, was nicht mit Kindern zu tun hat, sondern weil sie wirklich ständig aufspringen, um nach dem Nachwuchs zu schauen, ihn zu unterhalten, Fragen zu beantworten… Das ist alles richtig und verständlich, aber als Mensch ohne Kind und Kinderwunsch, ist es bisweilen tatsächlich anstrengend.

    1. Hej Mathilda, danke für deinen Kommentar! Danke, dass du mir die Formulierungen und Darstellungen nicht übel nimmst. (Zumindest lese ich das heraus.) Ich finde es bereichernd aus „dieser anderen Perspektive“, die ich mir so häufig so oppositionell gegenübergestellt sehe, mal einen weiteren anderen Blick geboten zu bekommen. Denn oft kommt es ja nur mir so anstrengend vor. Dass es auch für den anderen anstrengend sein könnte, dass ich eben in der Tat manchmal auch aufspringen muss, wenn das Kind sich vom Tisch stürzen will… Der Gedanke kam mir noch nicht. Tatsächlich bin ich in den letzten Monaten häufiger Menschen begegnet, die das Reden dann ganz sein lassen. Ich hatte dann immer nur den Eindruck, dass sie mir keine Chance geben. Denn in den Momenten spielten sie -die Kinder – friedlich mit den SpielzeugAutos und BauKlötzen. ;)

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  4. Jetzt wo Du es schreibt, fällt mir vieles tatsächlich erst bewusst auf, was mich vorher oftvgeärhert hat. Was mir direkt spontan dazu einfällt: Freunde fragen schon gar nicht mehr, ob ich irgendetwas mitmache oder irgendwo hin mitkomme, weil ich ja sowieso vermutlich nicht kommen werde oder kommen kann. Wegen der Kinder. Die Mama gehört schließlich zum Kind. Na, und dass der Papa mal raus muss bei seinem Stressigen Alltag mit Arbeit UND Kindern, das ist ja verständlich.
    So denken sie anscheinend. Eine davon nennt sich übrigens „Feministin“….

    Danke für den Artikel!

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