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Angstbewältigung mit Kindern

Ich weiß nicht, wie es euch beim „Kinder haben“ so ergeht. Ich hoffe die meiste Zeit sehr gut! Denn neben den wunderbaren Momenten, dem ersten Lächeln, Greifen oder auch den ersten Monologen gibt es auch immer die Augenblicke, auf die Eltern gut und gerne verzichten können wollten und würden.

Sei es nun 40°Grad Fieber oder die über den Kopf gezogene Schaufel im Kindergarten oder auch das „Gedisse“ in der Schule. Alles bedeutet als Eltern bedacht einzuschreiten, zu begleiten – je nachdem, was die Situation erfordert. Doch nicht nur das. Wir handeln oder nicht-handeln nicht nur. Häufig ist der Aktion ein Gefühl vorangestellt. Manchmal bemerken wir gar nicht, was es ist, was uns da handeln lässt. Manchmal bekommen wir gar nicht mit, welche Emotion aus der Vergangenheit da hoch kommt und uns dies oder das als Lösungsidee dem Kind vorschlagen lässt.

Vor allem im schulischen Bereich bemerke ich, wie sehr ich mein Handeln und Reagieren bedenke und auch bedenken muss, um meinen Kindern den Raum für eigene, neue und vor allem auch andere Erfahrungen zu ermöglichen. Nichtsdestotrotz gibt es Momente, die mich die (zu damals fast identischen) Gefühle meiner Kinder heute nachempfinden lassen. Teil einer neuen Gruppe zu werden. Mit Kindern Sport zu machen, von denen man keines kennt. Kein einziges. Sich auf eine Gruppe eingelassen zu haben, weil ein bekanntes Mädchen auch dort sein würde. Aber an meinem ersten Tag ist dieses Mädchen nicht da und ich habe niemanden Bekannten, an dem ich mich orientieren kann. Kein bekanntes Gesicht. Keine bekannte Stimme. Kein bekanntes Lächeln, das mir Mut macht. Das kribbelnde Unbehagen im Bauch, wenn alle auf einen gucken. Wenn Mama und Papa nicht an der Hand bleiben. Das Loslassen und mutig sein. Der Kloß im Hals, der sich nur schwer, eigentlich gar nicht wegschlucken lässt.

So auch eines Tages im Schwimmbad. Eine Gruppe, um den Kids das Schwimmen beizubringen. Wenn sich mir als Mama dann die kleinen Ärmchen meines Kindes um den Hals schlingen, sie nicht loslassen wollen und ich zwischen dem tröstenden „Du schaffst das!“ und dem resoluten „Los geht’s. Du machst das jetzt.“ hin und her schwanke.

„Ich will aber nicht.“
„Du schaffst das!“
„Nein!“
„Schau mal, die anderen sind auch alle zum ersten Mal da.“
„Ich trau mich aber nicht!“
„Du hast Angst…“ – schaltet sich die fremde Schwimmlehrerin ein.
„Joaha!“ – Was für eine gespiegelte Tatsache…
„Die darfst du auch haben.“
„Aber Mama! Ich will das nicht!“
„Du wolltest doch auch schwimmen lernen.“
„Ich trau mich nicht.“ – Die kurzen Arme schlingen sich um meinen Hals und erdrücken mich.
Behutsame aber bestimmt löse ich seine Arme, halte ihn fest und schaue ihm direkt ins Gesicht – hoffentlich kippe ich hier nicht gleich um. Es ist warm, ich schwitze und sitze in der Hocke vor meinem Sohn, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein.
„Angst ist ok. Hatte ich früher auch. Aber du kennst ja schon den einen Jungen eben aus der Umkleide. Der war doch nett?!“
„Ja. Der Edwin.“
„Genau. Jetzt setzt ihr euch zusammen.“ – Wieder die erdrückenden Arme um meinen Hals, die mich fast umkippen lassen. Ein letztes Mal, denke ich.
„Hör zu. Du machst das jetzt. Du wolltest schwimmen lernen und ich bleibe hier. Erst am Fenster und wenn ihr gleich rauskommt, stehe ich genau an dieser Stelle und helfe dir beim Anziehen.
„Aber…“
„Du hast Angst, ich weiß. Aber such den Mut. Lass uns den Mut finden, damit der sich um deine Angst kümmert. Du gehst in der Zeit Spaß haben.“
Er wird ruhiger. Ich sehe, wie es in ihm arbeitet. Sein Körper weicht fast unsichtbar vor und zurück als wenn er Schwung nehmen möchte und sich zu dem anderen Jungen setzen möchte. Ganz schnell. … Plötzlich läuft er los und setzt sich. Schaut sich um, ist außer Atem und lächelt mir zittrig zu.
Er hat es geschafft und ich verschwinde vor das Fenster, damit er mich sieht.

Ich weiß nicht, was ihn dazu veranlasst hat, loszulaufen. Meine Stimme? Das Wissen oder das Gefühl, dass ich keinen Rückzieher dulden würde? Unser Bild mit dem Mut? Ich musste irgendwie an eine Kuh denken. Und als ich gestern dann mal „Pause“ gemacht habe, ist das Bild entstanden. hihi.

Jedenfalls: Wir haben es beide geschafft. Dieses Loslassen und Zutrauen. In diese fremde Gruppe, in die Mama, die gesagt hat, dass sie bleibt und auch in sich selbst. Ich glaube fest daran und habe schon häufig festgestellt, dass man Menschen zu ihrem Glück verhelfen kann. Auch bei Erwachsenen, wobei diese meist sehr viel schwerer davon zu überzeugen sind, etwas Neues auszuprobieren. Sich neu einzulassen, loszulassen – was auch immer.

Entscheidend war glaube ich heute der Mut. Der Mut als etwas Personifiziertes, das sich jetzt um die Angst kümmert, die uns hemmt, so dass man selber wieder agieren kann.

Das war wunderbar anzusehen. Denn der Sohn hatte eine richtig gute Zeit! Wie macht ihr das, wenn sich eure Kinder nicht trauen? Gebt ihr eher nach, gebt ihr ihnen einen Schubser ins Glück oder haben eure Kinder eh keine Wahl? Zwischen diesen drei Polen bewegen wir uns, oder?

2 Gedanken zu „Angstbewältigung mit Kindern“

  1. Schönes Beispiel, liebe Rage.

    Als sie klein war gab’s einen Kraftkuss. Später wegen Mathe und gefluteter Küche: „Heuli, heuli hilft dir nix. Mach eine Faust und kämpf dich durch im Leben! Ich habe auch erst nix kapiert und hatte später eine 1 im Abi.“ Eltern entschuldigen sich ja heute bei ihren Kindern, dass der Klavierlehrer was von ihnen will. Das finde ich schlimm! So entwickeln sie keinen Ehrgeiz. Später spielte sie in einer Band. Viele Auftritte vor riesigen Menschenmassen wie der NRW-Tag mit 100 000 Besuchern. Das macht starke Kinder. Dann lernen sie mit Lampenfieber umzugehen und mutig zu werden. Und die Erfahrung: „Ich kann was!“ Sie konnte auch am besten Einrad fahren auf beiden Schulen. Weil sie Hindernisse fährt und sich selbst herausgefordert hat. Soziale Ängste entstehen so weniger. Später ist dein Sohn stolz wenn er schwimmen kann und diese Anfangsangst überwunden hat. Die Erfahrung hat er dann für’s nächste mal. Und es ist was außerhalb der Familie ohne Geschwister. Nur für ihn. Auch das finde ich wichtig.

    Liebe Grüße – Tanja

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