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Erwartungen

Kennt ihr sie? Es gibt große, kleine, falsche, zu hohe und manchmal sogar (scheinbar) gar keine. Ich musste das Wochenende viel über zu hohe und daher oft auch falsche Erwartungen nachdenken. Falsche Erwartungen, die ich habe? Falsche Erwartungen, die andere an mich stellen? Mir ist es erst kürzlich so ergangen, dass ich urplötzlich mit der Enttäuschung meiner Mitmenschen konfrontiert wurde, weil ich nicht ihren Erwartungen entsprochen habe. Nicht nur sie waren enttäuscht von mir. Sondern auch ich musste plötzlich schlucken. Schließlich schien ich unzulänglich zu sein. Nicht zu genügen. Die damalige Situation hat nicht wenig an meinem Selbstbewusstsein gekratzt. Und das nur, weil ich gewissen Erwartungen nicht entsprochen habe, die Vorstellungen nicht erfüllt hatte.

Dann war da das vergangene Wochenende inklusive Einladung zum AbiBall in der Familie. Wie sehr hatte ich mich darauf gefreut. Kurz nachdem ich mein Outfit FreitagAbend zusammengestellt und anprobiert hatte, begann die Spuckerei. Das Wochenende verlief ganz und gar nicht so wie ich es mir vorgestellt hatte. Die Enttäuschung war groß und mit ihr die Denkerei über Erwartungen, Vorstellungen und der unbewussten Suche, wer eigentlich Schuld an der ganzen Misere trug. Bis auf fiese Viren sind mir allerdings keine Schuldigen begegnet.

Nun reduzieren wir schon einige Zeit lustig vor uns hin. Verkaufen Bücher, DVD’s, CD’s und das Geschirr, auf dem dinniert wird, wenn uns mal die Queen besuchen kommt, haben wir auch endlich unter den Hammer gebracht. Kann man denn auch schlechte Gedanken oder solche übergroßen Erwartungen reduzieren? Und damit meine ich nicht nur solche, die andere an mich haben, sondern insbesondere, die, welche ich an Freunde, Bekannte oder auch Familienmitglieder richte.

Vor kurzem habe ich hier das Buch von Reinhold Ruthe vorgestellt. In dem Buch geht es ums Loslassen und damit eben auch um das Reduzieren von zum Beispiel Erwartungen. Die These des Autors lautet, dass wir uns insbesondere durch solche falschen Erwartungen eigentlich in den Mittelpunkt unserer Welt stellen. Es hat etwas egoistisches und führt daher in der Regel zu Distanz und weniger zu dem, wonach zumindest ich mich viel mehr sehne: Gemeinschaft. Soziale Beziehungen. Kontakte.

Daher habe ich vor kurzem sehr konkret damit begonnen, meine Erwartungen an andere zu reduzieren. Meine Erwartungen, wie der- oder diejenige zu reagieren hat, weil ich doch das und das brauche. An Aufmerksamkeit, Zeit, guten Worten, Überraschungen, Höflichkeit.

Ich versuche tatsächlich keinerlei Erwartungen mehr an mein Umfeld zu haben. Funktionieren tut das nicht immer. Vielleicht hat der ein oder andere meine Konfrontation mit dem MercedesFahrer vor ein paar Tagen mitbekommen. Erst im Nachhinein ist mir aufgefallen, dass ich tatsächlich Erwartungen an ihn hatte. Wenn schon nicht die Erwartung, dass er mich aus meinem Auto aussteigen lässt, dann doch zumindest die Erwartung, dass er sich höflich und freundlich mir gegenüber verhält. Schließlich war ich es doch auch. Dieser Mann hat damals meine Erwartung nicht erfüllt. Und ich kann euch sagen, ich war den Tag über wirklich wirklich aufgebracht. Bis heute kann ich nicht verstehen, wie man sich derart verhalten kann. Aber gut. So Menschen gibt es.

Meine erste LösungsStrategie war daher der Versuch jegliche Erwartung als solche zu entlarven und einzustellen. Inzwischen habe ich jedoch festgestellt, so ganz ohne Erwartungen geht es nicht.
1. Hab ich sie eh.
2. Erwartungen können mich vorsichtig sein lassen oder aber immens motivieren mich zu engagieren, für eine Sache oder eine Person mich einzusetzen.
So ganz ohne sie will und kann ich daher auch nicht.

Aber ich habe beschlossen, sie nicht weiterhin meine GemütsLage bestimmen zu lassen. Was denkst du? Wann war deine letzte Erwartung zu hoch? Oder wann hat jemand anderes Uneereichbares von dir erwartet? Was ist deine LösungsStrategie?

12 Gedanken zu „Erwartungen“

  1. Boah, voll schweres Thema…

    ..wie lange können Kommentare sein? ;)

    Ich probier’s minimalistisch, kurz. Nicht erfüllte Erwartungen gab es
    in der Vergangenheit bei mir dauernd, ich war ja auch mal jung.
    Nicht erfüllte Erwartungen kennen Andere auch – Du und ich werden
    nicht die einzigen sein?

    „Was wird aus den Kindern“, „Wie wird das im neuen Job“, „Wie wir der
    Urlaub“, „Klappt das mit dem veganen Kochen“. Und noch 2, 3 andere
    Dinge…

    Im Wort Erwartung steckt das „Warten“ mit drin. Hat wohl was mit der
    Zukunft zu tun.. ..die wir nicht kennen. Auch wenn wir recht häufig
    *glauben*, die Zukunft zu kennen. Oder die Zukunft beeinflussen zu
    können. Das Beeinflussen klappt ein bisschen, doch seltener als wir
    annehmen. Meine ich. Meistens kommt es anders als man denkt.

    Wenn ich sage: ich habe keine Erwartungen, kann das nicht stimmen. Zu
    der Schlussfolgerung bin ich auch gekommen. (Schon das
    „Schlussfolgerung“ ist kritisch: wir können nicht bis zum Schluss
    folgern, da wir den Schluss nicht kennen.) Ich habe sehr wenig
    Erwartungen. Natürlich, ich spiele verschiedene Variationen einer
    möglichen Zukunft im Hirn durch, man will gerüstet sein…

    Dass eine dieser gedachten Variationen eintritt, das eben erwarte ich
    immer seltener. Es ist der Versuch im Jetzt zu leben. Oder „WuWei“.
    Auch als Versuch, als Lebenseinstellung. Nicht als Badezusatz.
    (Gibt’s bestimmt !elf!)

    Im Heute tue ich (meistens) das, was ich eben tun kann. Mehr geht
    nicht.

    Beim Beispiel mit dem Mercedes-Fahrer, das ich ja nicht kenne: der
    kurze Einschub sagt eine Menge über DICH aus. Wie Du dich, vermutlich, in
    so einer Situation verhalten hättest.

    Wir gehen davon aus, dass sich Andere *auch so wie wir* verhalten.
    Stimmt in vielen Fällen. Ob der Teil als „Erwartung“ bezeichnet
    wird, das wäre eine lange philosophische Diskussion? Ich, für mich,
    bezeichne das als „so tun als ob“, nicht als Erwartung. Und jetzt
    über ich mal, ohne oder mit weniger Erwartungen auszukommen. In 20
    oder 30 Jahren kann ich über meine Erfolge mehr sagen…

  2. Man, Dein Blogbeitrag hat mich echt zum Nachdenken gebracht!

    Ich denke, Minimalisten sind in vielen Dingen „kopflastiger“ und stellen sich und Ihr Verhalten mehr in Frage. Wer anfängt sich häufig erst von materiellen Dingen zu trennen, entrümpelt irgendwann auch Beziehungen, Verhaltensmuster und Ansichten, weil sich mit der Zeit auch Eingstellungen verändern (schleichender Prozess).

    Vielleicht sind oft unsere Erwartungen an uns selber und an andere Menschen einfach zu hoch. Nur Du selber weißt, warum Du in einer Situation so und nicht anders gehandelt hast! Für Dich hat sich das in diesem Moment richtig angefühlt oder Du hattest keine andere Möglichkeit!

    Ich habe selber oft zu hohe Erwartungen an mich. Ich werde versuche, weniger zu erwarten und bestimmte Situationen erst nach einiger Zeit zu beurteilen. (Oje, klingt in der Theorie schon mal ganz gut, aber was ist mit der Praxis? Ich arbeite dran :) .)

  3. Hm, interessantes Thema. Ich musste jetzt gerade ordentlich drüber nachdenken und bin zu diesem Schluss gekommen: Ich habe mittlerweile weder zu hohe noch zu niedrige Erwartungen, weil ich irgendwie immer ALLES erwarte. Diese „Mal sehen was da jetzt kommt“ – Einstellung kann zwar auch schnell in eine „is mir jetzt auch egal“- Einstellung werden, aber ich bin selten wirklich ent-täuscht. Hm.
    Kann auch sein, dass das jetzt total bullshit war aber irgendwie isses so viel witziger, wenn man nicht weiß was von den anderen kommt :D

    1. Nö, finde ganz und garnicht, dass das BS war. Im Gegenteil. Allerdings hatte ich nicht erwartet (sic!), dass mein kompliziertes Geschwafel in so kurzer Zeit in recht klare Worte gefasst wird.. ..so etwa hätte ich das sagen wollen. Oder so.

      (OT: Aber, als Trotzreaktion schreibe ich meinen Artikel wohl doch. Frau DingDongs Schuhkarton – als einfache Lösung – hat mich inspieriert mein Menü zu überarbeiten. Der Artikel fängt dann etwa so an.. „Frau Ding Dong ist Schuld. Die alte Schachtel hat mich inspiriert..“. Krieg‘ ich dann Schläge?)

      LG

  4. @waelti: Du hättest bestimmt noch ein bisschen mehr Platz im Kommentar haben können. Ich weiß es nicht! Aber mal abgesehen von der Länge: Ich finde die Frage nach den Erwartungen weiterhin sehr schwierig. Über die Wortzusammensetung hatte ich bislang allerdings noch nicht nachgedacht. Und darüber, was meine existierenden oder nichtexistierenden Erwartungen über mich aussagen, auch noch nicht… Danke. Ich muss mal weiter drüber nachdenken.

    @Flocke: Ja, irgendwie geht man beim Reduzieren plötzlich auf die Dinge über, die gar nicht mal materiell sind. Ich habe vor längerem mal überlegt, dass ich ‚weniger Worte‘ machen möchte. Weil Menschen in meinem Umfeld lieber ganz schnell, ohne ausschweifende Erklärung wissen wollen, was Sache ist. Ich habe jedoch immer das Bedürfnis mich zu erklären. Also, ich lerne noch. Aber vielleicht ist allein diese Erwartung an mich, schon wieder viel zu hoch?

    @Frau DingDong: BS? Sowas gibt’s nicht. (Außer aufm Feld oder im Stall. Hoffe ich.) Ich weiß einfach noch nicht, was ich mit meinen Erwartungen machen soll. Zu hohe habe ich nicht – dachte ich bis zu dem MercedesFahrerVorfall. Aber wenn ich ehrich zu mir bin… Wieso hat es mich denn geärgert? Weil ich es einfach nicht erwartet hab bzw. ganz genau wusste, was ich erwarte. Schwierig, schwierig. Ist bestimmt erstrebenswert, wie du es schaffst und handelst. In meinem Alltag gibt es allerdings oft genug Situationen, die ich einfach anders erwartet hätte. Und damit muss ich wohl umgehen lernen. Denn wie gesagt, so schlecht sind sie ja vielleicht doch nicht?!??

  5. Ach, im übrigen: Entschuldigt, dass ich mich erst jetzt gemeldet habe. Ich hoffe, ihr habt nicht ‚erwartet‘, dass ich gleich auch mal auf eure Kommentare reagiere. ;) Und wenn doch, wir haben hier im Haus gerade mal wieder einen Infekt, der u.a. zu eine Lungenentzündung geführt hat… Die Prioritäten haben sich zeitweilig verschoben. Na ja, nicht nur zeitweilig. Aber der erste Teil der Woche verlief nicht wie erwartet…

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