Blogparade zur UN Kinderechtskonvention
Als ich vor fünf Jahren noch aktiv als Jugendreferentin unterwegs war, zählten auch Veranstaltungen zum Weltkindertag am 20.September dazu. Bei diesen Events geht es zu allererst um die Rechte der Kinder. Ja, denn Kinder haben Rechte.
Nicht nur die Rechte, die ein jeder von uns hat, weil wir eben Mensch sind. Es gibt seit 1989 konkret niedergeschriebene Rechte, die Kindern zugestanden werden: Kinderrechte. Diese Kinderrechte finden sich in der UN Kinderrechtskonvention und galten auch schon für mich – als ich ein Kind war. Das finde ich das erstaunliche. Denn wirklich bemerkt habe ich diesen zusätzlichen Schutz nicht. Zum einen bestimmt, weil ich aus einem behüteten Elternhaus komme. Zum anderen aber auch, weil diese Kinderrechte noch viel, viel mehr Erwähnung und Umsetzung bedürfen.
„Kinderrechte? Hä? Was soll das sein?“
Nicht selten hört man diesen Ausspruch oder sieht zumindest den Gesichtern an, dass nicht klar ist, was Kinderrechte meinen. „So viel Schokolade essen, wie sie wollen?“ – „Fernseh schauen, wann immer sie mögen?“ Scherzhaft geäußert und schmerzhaft erlebt.
Im Verhalten mancher Erwachsener spiegelt sich wieder, dass diese Kinderrechte nicht wirklich bekannt sind, schon gar nicht als solche wahrgenommen und auch nicht unbedingt als erforderlich angesehen werden.
Denn: Es sind ja nur Kinder. Wir müssen sie erziehen. Zu Gehorsam. Zum gut sein, sprich folgsam sein. Keine Ahnung. So macht es ganz oft den Eindruck. Dass ihre Würde unantastbar ist, dass sie ein Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung haben, kommt dabei häufig zu kurz. Dabei handelt es sich hierbei noch nicht einmal um besondere Kinderrechte, sondern allgemeingültige, jedem Menschen zustehende Rechte: Menschenrechte. Und Menschen, das sind Kinder eben auch. Ich könnte Romane zu diesem Thema verfassen, versuche mich aber mal kurz zu fassen.
Gedanklich initiiert wurde dieser Blogartikel durch eine Blogparade von Alu (#wirsindallefreigeboren), die auf ihrem Blog grossekoepfe.de über ihr Eltern- und Kinderleben berichtet. Außerdem steht in einem Monat der Weltkindertag zum Motto „Willkommen Kinder!“ an. Wenn ihr noch mehr zum Thema Kinderrechte erfahren wollt, dann lest doch einfach in der UN Kinderechtskonvention nach oder schaut mal hier: Weltkindertag – eine Seite vom Deutschen Kinderhilfswerk.
Bei der Blogparade geht es darum, sich eines dieser Rechte herauszupicken und dazu zu bloggen. Mir ist dieses Herauspicken sehr schwer gefallen, daher kommt mein Artikel dazu auch erst kurz vor knapp (am 20.August endet die besagte Blogparade nämlich) im Netz an.
Wenn ich über Kinderrechte nachdenke und deren fehlende Umsetzung in unserer Gesellschaft, dann fallen mir ganz oft Situationen im Alltag auf, in denen wir ihr Recht auf freie Persönlichkeitsentwicklung (Art.2 des GG) schmälern und eingrenzen und sie außerdem in ihrer Meinung nicht ernstnehmen. Nicht nur nicht ernstnehmen – wir lassen die Meinung eines Kindes nicht gelten, beeinflussen sie, halten es davon ab, sie überhaupt zu äußern (Art.12-15 der UN-Kinderrechtskonvention) oder sich mit anderen dafür stark zu machen.
Recht auf freie Persönlichkeitsentwicklung.
Nur solange es uns in den Kram passt – ein wenig überspitzt gesagt. Einer unserer Kerle liebt Röcke. Und wenn ich liebe schreibe, dann meine ich das auch so. Röcke, Kleider, pink, lila, Herzen und Schmetterlinge sind voll der Renner. Mich hat das erst erstaunt. Der andere Kerl ist so anders. Der mag grün und blau und fand in dem Alter Traktoren und Bagger ganz großartig. Ich habe für mich entschieden, dass ich meine Kinder in ihren Stärken stärke. Und damit auch in ihren Leidenschaft für Dinge und Lebensbereiche, die sie wählen. Viele in meinem Umkreis sagen Dinge, wie:
„Das gibt sich wieder.“
„Das hatte meiner auch. Er hat rosa geliebt. Heute ist er ein ganz normaler Junge.“
„Meiner wollte auch immer ein Kleid tragen. Hat er einen Tag gemacht. War ihm danach zu umständlich.“
„Wenn das so ist, ist es so. Man muss sowas ja nicht noch fördern.“
…
Manches von diesen Aussprüchen ist echt nur eine Feststellung. Wie das mit dem Kleid. Solche Äußerungen kann ich gut stehen lassen. Vor allem wenn sie nicht dieses „Das gibt sich wieder.“ implizieren. Aber alles andere? Was soll das mir als Mutter eigentlich sagen? Über mich als Mutter? Über mein Kind? Über mein Kind und meine Erziehung? Über die Rechte meines Kindes? Hat es als Junge nur begrenzt ein Recht auf das Mögen vermeintlichen Mädchenkrams?
Noch vorgestern meinte er: „Ich will auch ein Baby im Bauch haben.“
Meinungsfreiheit.
Ha. Wir Erwachsenen treten ganz schön häufig dafür ein, dass man ja wohl noch seine Meinung äußern darf. (Egal, ob damit jetzt jemand verletzt wird.) So erwachsen müssten wir doch sein auch andere Meinungen stehen lassen zu können.
Außer die von Kindern.
„Der hat aber einen dicken Bauch, Mama.“ – „Was fällt ihnen ein, dass ihr Kind mich beleidigen darf und sie nicht dagegen einschreiten?“
Oder kürzlich in einem der gängigen Springbrunnen FastFood-Restaurants. Wir waren auf dem Weg in den Urlaub und eine vierköpfige Familie betrat das Restaurant. Recht friedfertig, wie mir schien. Aber die Stimmung kippte, als eines der Kinder nicht das tat, was Mama forderte. Ihre Tonlage kippte ab, sie wurde laut und ihre Worte scharf und schneidend. Nein, sie schlug um sich mit Worten und ich als Außenstehende fühlte mich so fehl am Platz, fast schon selber sehr verletzt. Aber es ging noch weiter. Das Kind wurde schließlich hinter sich her an einen der Tische geschleift – inzwischen unter lautem Geschrei und Geweine. Da die Mutter so laut war, bekam man auch mit, wie ungerecht die Wortwahl plötzlich wurde. Nachdem dann schließlich viele der anderen Gäste die Szenerie beobachteten, ertönten Äußerungen von der Mutter, wie „War der Kindergarten wohl doch zu lang für dich heute.“
Jede Äußerung des Kindes hatte keine Chance gehört zu werden, bis es schließlich nur noch weinte.
Ich wartete nur darauf, dass ihr „die Hand ausrutschte“. Für den Fall wäre ich aufgesprungen. Aber hätte ich vielleicht schon vorher was sagen sollen? Das Ganze war mehr als eine Banalität.
Ich will mich an dieser Stelle gar nicht als HeiligenMama hervorheben. Das bin ich nicht, siehe meine BrüllfallenMomente. Aber ich finde, man kann unterscheiden. Unterscheiden zwischen Momenten, die einfach auch mit Kindern entstehen, in denen sie schreien, in denen wir laut werden, in denen Kinder oder wir weinen oder auch mal ungerecht werden. Und den Situationen, in denen wir einfach unsere Macht über Schwächere, unsere Kinder nach außen demonstrieren wollen. Bewusst oder unbewusst. Weil es einfach schneller oder effizienter geht.
Aber was ich für mich gelernt habe: Ich bin diejenige, die etwa 30 Jahre mehr auf dem Buckel hat. Ich kenne solche Situationen, weil ich sie schon häufiger erlebt habe: aus unterschiedlichen Perspektiven und mit diversen Rollen. Ich konnte Erfahrungen machen, Schlussfolgerungen ziehen und ausprobieren. An diesen Dingen kann ich meine Kinder heute teilhaben lassen. Bestimmte Dinge müssen sie selber erleben – learning by doing – , doch manche meiner Erfahrungen können Auseinandersetzung sehr viel erträglicher machen. Mit Mehrwert, wenn ihr versteht was ich meine.
Unsere Kinder sind kleiner, schwächer und ihnen fehlt die Erfahrung. Und wenn wir hingehen, sie immer wieder laut anschreien, ignorieren, nicht ausreden, selber entscheiden lassen oder zwingen es so zu tun oder so zu denken, wie wir es für richtig halten, beschneiden wir sie in ihrem Recht auf eine eigene Persönlichkeit und eine freie Meinung. Aber nicht nur das. Wir werden zu Machtmenschen, die wir vermutlich gar nicht sein möchten, und wir hinterlassen Spuren in den Herzen unserer Kinder.
Zum Glück gibt es sowas wie Resilienz. Ein gewisses Maß an Fehlern unsererseits können Kinder wegstecken – zumindest hoffe ich das und glaube fest daran, denn aus mir ist auch was geworden. Das nimmt uns m.E. nicht aus der Verantwortung es besser zu machen. Jeden Tag ein bisschen. Und Kinder willkommen zu heißen in dieser Welt, in unserer Gesellschaft! Mit ihrer Persönlichkeit und mit ihrer Meinung!
Welches Kinderrecht erscheint euch besonders wichtig? Welches seht ihr besonders gefährdet?
Liebe Rage,
grundsätzlich stimme ich dir voll und ganz zu: Kinder haben Rechte.
Du beschreibst die Szene im FastFoodLaden sehr eindrücklich und nimmst „Partei“ für das Kind. Was ja auch richtig ist, schließlich ist das Kind das schwächste Glied und braucht Unterstützung, Hilfe.
ABER: Was ist mit der Mutter? Ich glaube nicht, dass eine ausgeglichene, gesunde, glückliche Mutter ihr Kind anschreit und hinter sich herschleift und wenn dann eine andere Mutter (also DU) einschreitet besonnen sagt: „Ja, stimmt, das war dumm von mir, ab jetzt werde ich immer liebevoll mit meinem Kind umgehen.“ Ich glaube eher, dass die Mutter müde, kaputt, fertig, krank was auch immer war. Und nein, es geht mit nicht darum zu sagen, jeder kann mal einen schlechten Tag haben und seine Kinder fertig machen. Wenn ich mir aber vorstelle, ich wäre die Schreimutter im Fast Food Laden gewesen, dann stelle ich mir vor, dass ich gar nicht so sein will, dass ich mich zusätzlich zu meiner Wut auf’s Kind auch noch schlecht wegen der Schreierei fühle, aber aus dieser Spirale nicht heraus komme. Wenn ich mir dann weiter vorstelle, dass eine fremde Frau, die augenscheinlich auch Mutter ist, soviel besser klar kommt mit sich, mit dem Leben, mit ihren Kindern, auf mich zukommt und mir etwas von den Rechten meiner Kinder erzählt dann bin ich beschämt, verletzt und im schlimmsten Fall trotzig.
Denn: Das weiss ich doch alles schon.
Wenn aber eine Mutter auf mich zukommt und mir mit mitfühlendem Blick sagt, dass es ganz schon hart sein kann, Mutter zu sein, und dass es anstrengend ist und mir somit das Gefühl gibt, dass ich verstanden und gesehen werde, dann bin ich wahrscheinlich auch beschämt, aber ich fühle mich nicht so erbärmlich wie im ersten Fall, sondern kann eventuell wieder besser auf mein Kind eingehen, weil sich die Situation gewandelt hat.
Ja, ich kann mich gut in die SchreiMutter im FastFoodLaden hineinversetzen.
Das Kind braucht Liebe, die kann es aber nur bekommen, wenn sich die Mutter (die Eltern? Ich tu mich schwer damit, mich in Väter hineinzuversetzen..) gesehen fühlt und nicht beurteilt und verachtet. Dann kommt man schnell in eine Abwärtspirale, die nur sehr schwer zu unterbrechen ist.
Alles LIEBE von Nina
Liebe Nina, du hast Recht! Ich wäre auch nicht zu ihr hingegangen, solange sie eben nicht die Hand erhebt. Aber es erschien mir grenzwertig und ich wartete nur darauf, dass es durchs Restaurant klatschte. Ich weiß noch sehr genau, wie schlecht ich mich damals gefühlt habe, als ich von meiner Brüllfalle erzählt habe. Klar, ihr ward alle sehr verständnisvoll. Doch gleichzeitig hattet ihr Tipps und Ratschläge, bei denen ich mir sehr bewusst klar machen musste, dass es sich eben nicht um Schläge handelte. Denn, es war wirklich konstruktiv gemeint. Und irgendwie hab ich auch die Kurve gekriegt. Von daher: ich bin eigentlich eher weniger diejenige, die dann mit dem erhobenen Zeigefinger kommt. Aber manchmal frage ich mich dennoch, wieviel mehr ich vielleicht tun könnte, müsste… Nichtsdestotrotz. Ich stimme dir in deinen Schilderungen voll und ganz zu. Danke!