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Wie erklärt man eigentlich Minimalismus?

DSC05358In drei Sätzen bitte. Und wenn man dann für sich und den anderen klar hat, was Minimalismus ist, will man das überhaupt noch?

Frau DingDong hat sich in ihrem letzten Blogbeitrag darüber Gedanken gemacht und den Versuch gestartet, es auf den Punkt zu bringen. Glücklicherweise gab es da noch den einen etwas älteren Beitrag, der eine Art Definition beinhaltet. Doch was ist mit uns? Mit dir und mit mir? Wie erklären wir diesen Begriff? Was verstehen wir unter einem minimalistischen Leben? Und hat das wirklich irgendwelche Vorzüge?

Einer der Kommentatoren bei Frau DingDong hat mich an ein Zitat von Niko Paech erinnert: “Souverän ist nicht, wer viel hat, sondern wenig braucht.” In seinem Buch „Befreiung vom Überfluss“ kommt dieser Satz auch vor. Er hat mich – auch wenn er mir nicht mehr wortwörtlich präsent war – sehr geprägt. Denn im Kontext geht es nicht mehr nur um weniger Dinge, sprich höchstens 100Teile besitzen. Es geht um ein souveränes und unabhängiges Leben. Und wenn man einmal mit dem Reduzieren, Verschenken und Abgeben von Besitz begonnen hat, erkennt man plötzlich, was man alles nicht braucht. Das Leben verändert sich. Es entsteht eine Sehnsucht nach Unabhängigkeit und Echtheit. 

Wir haben gerade ein Haus gekauft. Dieses Haus ist alles andere als minimalistisch. Bis zur Regenrinne sammelt sich dort das Inventar einer älteren Damen. Als Minimalist hätte ich das Haus vielleicht nicht gekauft. Oder würde einfach alles in einen großen Container kippen, um auf meine 100 Teile zu kommen.
Stattdessen organisieren wir einen HausFlohmarkt, verschenken, verkaufen und geben diese Besitztümer an andere ab. Irgendjemand hat diese Gegenstände irgendwann einmal hergestellt. Zeit, Arbeit und Geld investiert. Egal in was, ob in die Schreibmaschine, das EtuiKleid aus den 60ern oder das kitschige StellDichHin. Ich mag nicht mehr einfach nur noch wegwerfen. Genausowenig, wie ich nicht mehr shoppen gehe. Ich kaufe, was ich brauche. Das wird immer weniger.

Im Zuge des Entrümpelns stelle ich immer wieder fest, wie zeit- und raumraubend Besitz eigentlich doch ist. Und ich befinde mich in dem Spagat einfach nur weniger haben zu wollen, aber gleichzeitig Nachhaltigkeit und Wertschätzung für die Dinge beizubehalten.

Soweit zu meinem Roman, wenn ich anderen Minimalismus erkläre. Und wie ist das bei euch? Was versteht ihr unter Minimalismus? Und wie erklärt ihrs euren Kindern bzw. dem anderen?

20 Gedanken zu „Wie erklärt man eigentlich Minimalismus?“

  1. Souverän ist nicht, wer viel hat, sondern wenig braucht.
    Dieser Satz trifft es auch für mich ganz gut. Es gibt reichlich Begriffe, die sich in meinem Denken um den Begriff Minimalismus sammeln: Genügsamkeit, Dankbarkeit. Für mich ist MInimalismus mein Weg zur der Essenz von mir/uns. Was macht mich wirklich aus, welche Menschen/DInge/etc sind für mich essentiell? Was brauche ich wirklich? Gibt es tiefere Wünsche, Ängste, Gedanken, die hinter dem Konsumwunsch stehen?
    Prägend fand ich auch den Satz: Vor 150 Jahren hatte ein Haushalt 150 DInge, heute mehr als 10.000. Gelesen in einem Kinderbuch.

    Kennst du den Film „58“?

    Be blessed, Kim

    1. Nein, den Film kenne ich nicht. Worum geht es?
      Ja, 150 Dinge. Ich glaube inzwischen ja auch, dass die älteren Generationen der Herstellung eines Gegenstandes viel mehr Bedeutung und Wert zuweisen, als das heute der Fall ist. Wer denkt noch darüber nach, wie denn jetzt das DekoTeil oder Kleidungsstück oder Lebensmittel hergestellt wurde? Sofern er nicht kreativ angehaucht, mit einer Nähmaschine bestückt oder im Gemüsebeet aufgewachsen ist?!?

      1. Guten Morgen!
        „58“ befasst sich mit dem Thema der weltweiten Armut und den Möglichkeiten der Gemeinde Jesu, dem entgegenzuwirken. Im Film wird gesagt, dass alle, die sich Christen nennen, lediglich 2 % ihres Einkommens aufwenden müssten, um die weltweite Armut zu „beenden“. Beenden in Anführungszeichen, weil es dabei nicht darum geht, jedem Luxus zu bieten, sondern das Hunger, fehlende medizinische Versorgung etc so nicht mehr existieren würden. Auf der Hoempage kann man den Film kostenlos anschauen.

        Ja, das Thema Qualität und entsprechende Preise hatten wir mit Schwiegermama auch gerade (Jahrgang 1939). Sie hat sich ein „neues“ Schlafzimmer gekauft und ist dabei erst in einem Gebrauchtmöbelladen fündig geworden, weil ihr die Qualität der Billigmöbel schlicht zu gering war. Es wird ja immer gern gejammert, wie teuer Álles ist. Und das stimmt einfach nicht. In der TAZ gab es mal eine Aufstellung, dass der Benzinpreis inflationsbereinigt sich kaum verändert hat. Lebensmittel sind viel günstiger als in den 1950er JAhren, wenn man die Preise in Bezug zu den Löhnen setzt (wer muss heute noch 50 % und mehr des Familieneinkommens für Nahrung ausgeben?).
        Ich denke, unser Lebensstil hat das rechte Maß verloren (Luxusgüter wie Fleisch und Schokolade jeden Tag, jedes Jahr ein neues Handy, alle drei Jahre ein neues Auto etc). Mein Minimalismus (der sicher für Viele Minimalisten Keiner ist) ist einfach mein Weg, das rechte Maß wieder zu finden. Für mich ist das kein Verzicht, da ich keinen echten Mangel habe.

        Ui, ist jetzt doch viel Text geworden und vlt auch etwas wirr…

    1. Uih, Kommentar etwas zu schnell abgeschickt.
      Manchmal denke ich ja, dass mein Leben alles Andere als minimalistisch aussieht, und vielleicht ist es im Grunde garnicht das, was ich suche/ leben will. Unsere Kueche ist so ein Beispiel – weit mehr als 100 Dinge will ich allein da haben, weil ich mir und meiner Familie abwechslungsreiches und gutes Essen servieren moechte.
      Ich finde „wenig brauchen“ so ein zweischneidiges Schwert – kann das nicht schnell in Selbstkasteiung enden?
      Sorry, im Hinblick auf eine Definition war das jetzt garnicht hilfreich.

      1. Ich tue mir mit einer letztendlichen Definition auch sehr schwer. Seitdem wir reduzieren, weiß ich, ich bin keine Minimalisten. Mein Kleiderschrank hat sich enorm reduziert. Da könnte man vielleicht annehmen, dass Minimalismus maßgeblich ist. Oder auch was das Spielzeug der Kinder angeht.

        Ich bin mal gefragt worden, was ich von Verzicht halte bzw. wie ich solchen definiere. Ich verzichte gerne, wenn es um meine Unabhängigkeit, Leben teilen und die von dir genannte RessourcenSchonung geht. Von dem Verzicht, der in die Selbstkasteiung mündet halte ich – aktuell – auch nicht viel. Ich will meiner Familie, im speziellen meinen Kindern und meinem Mann – nicht aufoktroyieren, auf was sie verzichten müssen. Sei es bei meinem Mann das Fleisch oder meinen Kindern weitere Dinosaurier. …

  2. Unabhängigkeit und Echtheit – die Begriffe bringe ich in Zusammenhang mit dem Minimalismus. Ich bin von dieser Lebensweise noch unglaublich weit entfernt, aber das sind Dinge, die ich wünschens- und erstrebenswert finde. Mein Konsum, meine Güter, mein Mehr-Haben-Wollen machen mich abhängig. Abhängig von Dingen und Menschen, die viel zu viel Einfluss auf mein Leben und mich nehmen. Die Echtheit meiner Selbst gerät durch Kleidung, Make-up, einen ungeliebten Beruf (um Geld für das Mehr zu erlangen) immer stärker in den Hintergrund. Sowie alles andere doch auch.
    Das Anhäufen und Besitzen von so unglaublich vielen Dingen nimmt mir inzwischen die Luft zum Atmen, ich fühle mich geradezu erdrückt.
    Mich hält aber auch der Wert der Gegenstände davon ab, sie wegzuwerfen. Ressourcen wurden verwendet und dann doch verschwendet, wenn diese Dinge noch brauchbar in die Tonne wandern.
    Und ich habe zwei Töchter, denen ich ein minimalistisches Leben niemals aufzwängen würde. Für sie möchte ich mit gutem Beispiel vorangehen und ihnen ein Gefühl für den Wert von den Dingen des Lebens vermitteln.

    Es gibt hier in Kiel eine großartige Einrichtung, einen Tauschladen – das Glückslokal. Dort habe ich schon viele Dinge hingegeben.

    Vielen Dank für deine inspirierenden Blog-Beiträge! Du hast bei mir einen Stein ins Rollen gebracht.

    1. Danke für die Blumen, Julia. Inspirierend? Wow!! Toll, das freut mich natürlich sehr! Auch wenn ich einfach nur von dem schreibe, was hier so passiert oder gemacht und gedacht wird. Danke für deinen Kommentar. Mir gefallen diese beiden Worte auch sehr gut. Wenngleich sich auch jemand mit viel Kram vermutlich unabhängig und echt fühlt, gibt, verhält. Es scheint tatsächlich von jedem Menschen ganz individuell abzuhängen, wie er mit Besitz umgeht. Ich kann mir beides bei viel Besitz nicht mehr vorstellen. Allerdings merke ich durch den Gegenwind, den unser LebensStil hervorruft, dass es scheinbar auch anders geht und ich halte mich dbzgl. gerne zurück. Mir geht’s dennoch sehr ähnlich, wie in deinem Kommentar beschrieben.

  3. Hm. Die Definition ist abhaengig von der jeweiligen Gesellschaft, sollte es aber ganz gut treffen:

    Minimalismus ist bewusst divergente Lebensgestaltung in Bezug auf Besitz, Beziehungen und Taetigkeiten einer Person.

    Wenn man das so fasst, muss es eigentlich – am Ende – nix mehr mit „reduziert“ zu tun haben. Davon sollte sich dann jeder vertreten fuehlen, oder? Und wir erwischen auch nicht ausversehen irgendwelche Gruppen, die zwar diverse minimalistische Eigenschaften haben, aber bei genauer Betrachtung keine Minimalisten sind.

    Discuss!

    PS: Mal gespannt, wie lange es jetzt dauert, bis mir selbst einfaellt, wo das Ding schief wird.

    1. Nur zur Erlaeuterung noch: 1)Minimalismus sollte man imho nicht auf das Reduzieren reduzieren :D Das waere einfach eine zu enge Sicht auf das ganze.
      2) In unserer Gesellschaft duerfte das sehr gut treffen. Wenn wir mit der obigen Definition aber nach beispielsweise Kuba oder diverse suedamerikanische oder afrikanische oder asiatische Laender gehen, dann wird das nix mehr. Da ist das dann in Teilen nicht mehr divergent (sondern Norm) und oder nicht mehr bewusst (sondern durch die Umstaende getriggert).

    2. Aber was mach ich, wenn diese bewusst divergente Lebensgestaltung letztlich bedeutet, dass ich mir viel Besitz aneignen muss, weil alle anderen wenig besitzen oder ganz bewusst leben… Hab ich die Definition vielleicht nicht verstanden?!??

      1. Hast du nicht. Das stimmt schon, dass auch so jemand nach der Definition Minimalist wäre.

        Das finde ich auch richtig. Denn in Bezug auf alles andere dürfte so ein Lebensstil dann (auch im konventionellen Sinne reduziert) minimalistisch sein. Jemand der sich ganz viele Dinge kauft, die er beispielsweise für Garten, Küche und Haus etc. braucht reduziert ja immer noch etwas: Und zwar die ganzen Abhängigkeiten die enstehen durch das nicht haben der Dinge.

        Passt oder :D?

  4. Ich habe vor langer Zeit mal ein knappes Jahr in Italien auf dem Land bei Freunden gelebt. Eigentlich sollte es ein 4-wöchiger Urlaub sein, der sich dann Woche um Woche verlängerte. Alles dort war mehr als minimalistisch. Es gab noch nicht mal ein Plumpsklo, man ging in die Pampa, was zunächst mehr als gewöhnungsbedürftig war und ewige Verstopfung nach sich zog. Ich hatte dort in einem umgebauten Stall ein kleines Zimmer mit einem großen Fenster mit weitem Blick auf die toskanische Landschaft und einem kleineren Fenster zum Stall nebenan in dem sich abends die Schafe versammelten. Außerdem gab es ein Bett, eine kleine Kommode, einen Tisch und 2 Stühle. Gekocht wurde in der für eine Finca typischen Wohnküche mit großem Kamin im Haus der Freunde.
    Meine Wohnung im Rheinland habe ich dann an eine Freundin, die sich gerade in einer Trennungsphase befand, untervermietet und meinen Job gekündigt. Wir haben Olivenöl, Käse, Wolle und Lämmer verkauft, und damit kamen wir über die Runden. Ich war so zufrieden und glücklich wie selten in meinem Leben. Dieses Gefühl, keine materiellen Dinge besitzen zu müssen um gut zu leben hat sich damals regelrecht in meinem Bewusstsein festgesetzt, und ich kann es immer noch jederzeit wieder hervorholen.
    Aber…Dann kam alles anders, denn es gibt neben dem Materiellen ja auch noch andere Dinge. Meine Freunde haben sich getrennt, das Haus musste verkauft werden, ich ging schweren Herzens zurück nach Deutschland und damit in mein altes Leben. Ich fand mich plötzlich in meiner Wohnung zwischen all meinen Sachen wieder, entdeckte alle Dinge, die ich schon längst vergessen hatte neu, und ich erfreute mich auch daran. Und ich hatte fast auf der Stelle das Gefühl, dass ich das alles dort brauchte. Ich bin dann bald in eine andere Stadt gezogen und habe es nicht wirklich geschafft die Sachen zu reduzieren, auch wenn ich seitdem kaum Neues angeschafft habe.
    Ich brauche wenig, aber wie werde ich das Vorhandene los? Bis heute beschäftigt mich dieser Umstand ständig, denn ich merke immer wieder, dass es mir die Luft zum Atmen nimmt, mich blockiert, die Energie gestaut ist und nicht fließen kann. Durch „Ausmisthilfen“ von Freunden hat sich mein Besitz nur um unwesentliche Mengen reduziert. Die Beschäftigung mit Feng Shui (besonders DAS Buch von Karen Kingston „Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags“) und selbst die therapeutische Arbeit an diesem Thema (Besitz als Ersatz für andere Defizite) hat auch nicht befriedigend überzeugt, nicht der Kopf, der sagt, dass man ja am Ende nichts mitnehmen kann, und auch nicht das Wissen, das Gefühl und die Erfahrung von damals, dass man es wirklich nicht braucht. Jeder Ansatz endet in Unfähigkeit, gelähmt sein oder nicht selten in Wut.
    Ich sauge gerade wieder alles auf, was die neue, minimalistische Bewegung so von sich gibt. Ob mir das Buch von Nico Paech da weiterhilft? Ich werde es auf jeden Fall lesen.
    LG Sabine

    1. Boar wie krass! Wow. Respekt für diese Erlebnisse in der Wildnis. Umso interessanter, dass du dir jetzt so schwer tust. Ich habe damals beschlossen, mich nur von dem zu trennen. wo es nicht weh tut. Aber ich kann verstehen, wenn man sich bei dem ein oder anderen Teil ärgert, es nicht loslassen zu können. Vielleicht sogar umso mehr, wenn man diesen krassen gegenteiligen LebensEntwurf gelebt hat.

      Das Buch ist wirklich toll. Aber es geht nicht in erster Linie um Minimalismus. Vielmehr sind seine Theorie der Postwachstumsökonomie, Nachhaltigkeit und Verantwortlichkeit jedes Einzelnen Themen des Buches.

  5. Die Definition von Nico Paech finde ich sehr, sehr gut. Ich kannte sie schon und orientiere mich auch in diese Richtung. Ich erkenne immer mehr, wie wenig ich eingentlich wirklich brauche, um glücklich zu sein.

    lg
    Maria

  6. Hallo Rage,

    „Ein Leben aus einfachen Handlungen“.

    Gefällt mir als Definition, weil es alles offen lässt. Für den einen ist es Holz hacken, für den anderen einfach die Heizung aufzudrehen. Alles selbst herstellen oder gerade das bewusst nicht zu tun. Ein Haus umbauen oder lieber zur Miete leben, im Bauwagen oder gar keinen Wohnsitz zu haben. Ändert sich nach Lebensphase und Bedarf. Das Leben ist ja nicht statisch.

    Liebe Grüße – Tanja

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