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WWOOFen. Wie alles begann.

IMG_1004Vor zwei Jahren entstand die Idee, nicht auszuwandern, sondern ein paar Monate im Ausland als Familie unterwegs zu sein. Am besten bevor uns der wenig flexible Alltag der Schulzeit erwartete.

Ende letzten Jahres war es soweit. Jedoch nicht sofort. Wir hatten vor uns nach der Schwangerschaft zu fünft in dieses Abenteuer zu stürzen. Unsere Fehlgeburt änderte alles. Meine Welt stand Kopf und ich wollte nie wieder irgendetwas Schönes machen. Ich konnte mir zu dem Zeitpunkt nicht vorstellen, dass ich nochmal irgendetwas schön finden könnte.

An Weihnachten war da dann dieses Gefühl. Dieses Gefühl von Unruhe und die Frage: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Wann dann?

Ich fand keine Antwort. Der Gedanke, „Dann eben, wenn ich 55 Jahre alt bin und die Kinder aus dem Haus sind.“, konnte unzufriedenstellender nicht sein. Die Entscheidung es dieses Jahr umzusetzen, brauchte von da an nur noch ein wenig Zeit. Das Herz schrie: „Ja, ich will! Jetzt.“ Aber dann war da noch so vieles zu bedenken und zu organisieren.

Der Job. Der machte dem Ehemann zu schaffen. Der Gedanke seine Chefs um vier Monate Elternzeit zu bitten, die ihm noch von einem der Kerl zustanden, verursachte Schlaflosigkeit, Übelkeit und das Gefühl „Ich kann das nicht.“. Auch die Vorstellung seinen Kollegen von diesem Vorhaben zu berichten, veränderte nicht die Gefühlslage, sondern verschärfte das Bedürfnis aufgrund von Loyalität alles beim Alten zu belassen. Nicht auffallen. Nicht aus dem Raster fallen. Einfach die 40StundenWoche durchziehen und vielleicht die ein oder andere nicht verwendete Überstunde machen. (Ok, es sind nur „34h“, da er seine Woche von 5 auf 4 Tage verkürzen durfte. Als wäre das nicht schon auffallend genug…)
Die Reaktion der Chefs war erstaunlich. Natürlich: Wenn ein Mann an Bord fehlt, muss die Arbeit auf die anderen Schultern verteilt werden. Das ist mit Mühe, Umorganisation, höherer Belastung der anderen und Veränderungen verbunden. Dennoch waren sie positiv gestimmt, fanden die Idee toll und bedauerten sogar ein bisschen, die Gelegenheit selber nicht genutzt zu haben. Hindernis Eins überwunden.

IMG_9419Die Wohnung. Zuerst dachten wir:“ Ach, wir lassen die Wohnung einfach weiter laufen. Zahlen das Geld, sofern wir keinen Untermieter finden.“ Diese Einstellung mag sich verschwenderisch anhören. Ist sie auch durchaus. Allerdings muss ich dazu sagen, dass wir wirklich eine wunderschöne Wohnung hatten. Ein komplett biologisch saniertes Bauernhaus auf dem Land. Es war in der Tat ein kleiner geschützter Rückzugsort. Eine Oase trotz dem ein oder anderen Makel. Wenngleich es durchaus Gründe gab, ihn einzutauschen gegen ein Abenteuer, wie wir es planten. Beim Durchrechnen der Finanzen und dem steigenden Bewusstsein, dass uns das Projekt vermutlich doch an die gesparten Reserven gehen lassen würde, veränderte sich diese Einstellung zunehmend. Irgendwann entschieden wir, dass wir das Gespräch mit dem Vermieter suchen sollten. Vielleicht war ein finanzielles Entgegenkommen seinerseits ja möglich? Schnell stellte sich jedoch heraus, dass dem nicht so war und beide Parteien auf das jeweilige Geld angewiesen waren. So entstand der Entschluss die alte Wohnung zu kündigen und wir begaben uns auf die Suche nach einem neuen Stückchen gemietete Heimat.

In der Gegend, in der wir lebten, gestaltete sich die Suche nach einem ähnlichen Ort schwieriger als erwartet. Sowohl preislich als auch die Ansprüche, die sich im Laufe der vergangenen fünf Jahre durch ein Leben in diesem gesunden RaumKlima entwickelt hatten. Es gab einfach keine adäquate WohnAlternative. Nur eine taten wir bei unserer Suche auf, die dann jedoch gleichzeitig einen Umzug bedeutet hätte, der neben dem Ortswechsel auch einen Kindergartenwechsel und diverse andere Veränderungen sozialer Infrastruktur mit sich gebracht hätte. Dazu konnte ich mich nur schweren Herzens durchringen. Schließlich begannen unsere Freunde, Bekannte und Nachbarn uns den Kauf eines Hauses nahe zu legen. Etwas, was wir kategorisch für uns ausgeschlossen hatten. Nachhaltige, finanzielle und gesellschaftliche Gründe hatten zu dieser Entscheidung geführt. Mal abgesehen davon, dass keines der vorgeschlagenen und von uns besichtigten Häuser in unser „BeuteSchema“ passte, das wir uns schlussendlich erarbeitet hatten. Und dann, dann war da dieses etwa 100 Jahre alte Haus… Kurzum: Wir kauften ein Haus. Hindernis Zwei abgehakt.

und Knetausstecher zuordnen.

Der Kindergarten. Während all der Suche nach einem neuen WohnOrt wurde auch die KindergartenFrage immer brisanter. Was würden die Erzieherinnen von diesem Plan halten? Wie würde die Reaktion ausfallen? Würde der Platz einem anderen Kind zur Verfügung gestellt werden? Zwischendrin die Unsicherheit, ob wir diesen Kindergarten auch nach unserem Projekt weiter besuchen können würden. Wir hatten uns zu diesem Abenteuer entschieden, weil uns klar geworden war, dass es der einzige Zeitpunkt war, um noch vor dem SchulAlltag so lange als Familie unterwegs sein zu können. Ich wollte meine Kinder einfach nicht zu sehr entwurzeln. Die Reaktion der Erzieherinnen und auch der Leiterin hätte nicht positiver ausfallen können. Sie waren ebenfalls, ähnlich den Chefs, begeistert von der Idee, sahen viel Entwicklungs- und Erfahrungsspielraum für die Kerle und kamen uns in vielen Fragen mit Rat und Tat wohlgesinnt entgegen. Das war großartig. Hindernis Drei war also gar kein wirkliches.

Die Freunde, Verwandten und Bekannten. Letztes Jahr, sogar Anfang dieses Jahres hatten wir beide große Bedenken unserer Umwelt von diesen Plänen zu berichten. Von Freunden hatten wir erfahren, wie schwierig die familiäre Situation aussehen konnte, wenn die Verwandtschaft Entscheidungen dieser Art nicht nachvollziehen, geschweige denn gutheißen konnte. Selber haben wir allein zwei befreundete Familien, die uns etwa ein halbes und die andere ein ganzes Jahr zuvorgekommen sind; und zwar mit ähnlich gearteten Abenteuern. Einmal ging es neun Monate durch Skandinavien bis ans Nordkap. Das andere mal quer durch Australien auf dem Weg zurück nach Deutschland.

Als wir erstmals in der Familie von der Idee berichteten, hatten wir daher schon längst die Entscheidung für uns gefällt, dass wir uns auf dieses Abenteuer einlassen und begonnen die angeblichen Hindernisse Job und Wohnung anzugehen. Im Nachhinein halte ich es für wichtig und richtig – für uns – Familie und Freunde vor vollendete Tatsachen gestellt zu haben. Ich glaube, wir hätten unsere Pläne vielleicht wieder verworfen, weil wir an einem zu frühen Punkt mit möglichen Unwägbarkeiten und Unannehmlichkeiten, die ja hätten auftreten können, konfrontiert worden wären.

Die Skeptiker und Kritiker meldeten sich dadurch erst recht spät zu Wort oder konnten erst während alles angerollt war zweifelnde Blicke, hochgezogene Augenbrauen oder ähnliche Gesichtsregungen von sich geben.

Es gab aber auch die Begeisterten. In der Regel die Menschen, von denen man es nicht in der Weise oder der Intensität erwartet hätte. Angefangen bei den Chefs und Erzieherinnen, über BlogLeser und adoptierte Omas bis hin zu Nachbarn und Dorfmitgliedern. Nicht zu vergessen die befreundeten Familien, die selber schon unterwegs gewesen waren und uns Mut machten auf unser Herz zu hören und darauf vorbereiteten, dass Gegenwind in einer solchen Sache einfach dazu gehört. Hindernis Vier löste sich also auch in Luft auf.

IMG_0777Die Suche nach einem passenden WWOOFingHost. Würde uns überhaupt jemand nehmen? Gab es WWOOFingHosts, die auch eine ganze Familie, mit ziemlich kleinen Kindern nehmen würden? Wir schrieben etwa 10 verschiedene Hosts in Skandinavien an, deren Profil uns neugierig gemacht hatte. Ich schilderte unsere Situation, den Wunsch diese Auszeit zu nehmen, zu wissen, dass wir als Familie vermutlich nicht die volle ArbeitsKraft einsetzen können würden, wie Singles, Studenten oder Pärchen. Dennoch würden wir uns gerne auf dieses Abenteuer einlassen, gerne so viel arbeiten, wie mit zwei Kindern möglich und freuen, wenn Interesse bestünde uns zu nehmen.

In der Tat gab es die ein oder andere Absage. So mancher meldete sich gar nicht erst zurück, was ich entweder unter „kein Interesse“ oder aber „Message nicht erhalten“ verbuche. Die Hälfte der angeschriebenen Hosts waren positiv gestimmt und freuten sich, eine Familie als WWOOFer diesen Sommer dabei haben zu können. damit hatten wir fünf Station verteilt auf zwei Monate (Der Zeitraum des Abenteuers hat sich durch den HausKauf um zwei Monate verkürzt.) . Hindernis Fünf war also auch nur ein vermeintliches, stattdessen trat man uns mit offenen Armen entgegen.

Anfang Juli ging es los. Die Mietwohnung war geräumt, das gekaufte Haus nur noch durch einen Spalt zu betreten, Koffer und Rucksäcke gepackt und alle Kerle schon ganz furchtbar aufgeregt. Der Kindergarten wusste Bescheid, Freunde wünschten uns eine schöne Zeit und so mancher dachte: „Ok, wer’s braucht, der geht unter Schafe und arbeitet im Pferdemist. Ihr habt es ja so gewollt und euch dazu entschieden.“ Ich war nur froh, dass gerade die Kritiker und Skeptiker größtenteils nicht wussten, dass ich schwanger war. (Und zwar so richtig.)

11 Gedanken zu „WWOOFen. Wie alles begann.“

  1. Oh Wahnsinn, erstmal herzlichen Glückwunsch zur Schwangerschaft! Ich freue mich sehr für euch!!!

    Und auch ich bin sehr gespannt, wie euer Abenteuer weitergegangen ist.

  2. Oh, herzlichen Glückwunsch, liebe Rage!!!

    Da hast du heute Nacht mit deinem letzten Satz aber ein Lächeln in mein Gesicht gezaubert. Hatte dich schon eisessender Weise auf einem Foto gesehen und es still erhofft. Klingt alles sehr strukturiert. Haus kaufen und dann erst mal wegfahren, das ist ne ganz schöne Leistung. Da wär ich viel zu aufgeregt. Meine Chaostoleranz ist nicht mehr die beste.

    Liebe Grüße
    Tanja

  3. Schön, dass du wieder da bist! Ich bin gespannt auf weitere Berichte über euer Erlebnis (und auf morgen: 3sat ist schon auf dem Festplattenrekorder eingestellt. Ich werde um halb elf schon schlafen).
    lg Nanne

  4. Ich weiß gar nicht, wozu ich mehr gratulieren soll: Abenteuer, Eigenheim oder Schwangerschaft?!?! Andere Menschen brauchen dafür Jahre und ihr macht das mal eben in ein paar Monaten!
    Von Herzen also: Hut ab und Glückwunsch!
    Zora

  5. Ihr seid so großartig!! Vielen Dank für diesen herzlichen Empfang. Ich habe mir so schwer getan aufzuschreiben, wie alles begann. Immer wieder der Gedanke, das interessiert bestimmt keinen… Und jetzt. Ihr! Wunderbar! Vielen, vielen Dank! Jetzt bin ich selber schon sehr gespannt, auf meinen nächsten WWOOFingArtikel. ;D

    Auch für eure MitFreude über das, was hier bei uns so passiert. Ihr seid gigantisch. Und ich sehr emotional. Wie vermutlich nachvollziehbar… Danke.

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