Heute gibt es Teil 3 des Interviews mit Samuel von der SHIFT GmbH. Einige von euch haben ihn, das SHIFT-Unternehmen und nicht zuletzt auch das SHIFTPHONE in den beiden letzten Teilen schon kennengelernt. Wer neu dazu gekommen ist, kann sich hier Teil 1 und hier Teil 2 durchlesen.
Das SHIFTPHONE SHIFT 6m – mal nachgefragt…
Ein Unternehmen zu gründen erfordert jede Menge Einsatz, Herzblut und Ideenreichtum. In der Regel neben dem gewöhnlichen Tagesgeschäft. Insbesondere im Nachhaltigkeitssektor und mit den verfolgten Zielen sozial und ökologisch nachhaltig zu produzieren, erfordert es viel Know-How über alles. Wie stemmt ihr das? Wenn ich daran denke, wie viele Informationen sich im Report eurer Webseite befinden, seien es die Arbeitsbedingungen in China, das Mienenwesen im Kongo oder das Untersuchen eines Smartphones auf Seltene Erden, die kritisch zu sehen sind. Wie kommt ihr zu so viel Wissen und weiß jeder immer über alles Bescheid?
1999 gab es noch keine Smartphones und es gab zu diesem Zeitpunkt nur diese dicken klotzigen Handys. Überhaupt war das Thema mobile Kommunikation erst im Kommen und an Smartphones noch gar nicht zu denken. Damals hatte Carsten die Idee diese Thematik in seiner Diplomarbeit zu bearbeiten und gab dem Thema den Titel iWorld. In erster Linie ging es bei seiner Idee um ein Interface. Eine Oberfläche, wie sich komplexe Informationen abbilden lassen. Das Ganze nannte er iWorld, weil das Interface tatsächlich eine Weltkarte war und er unterschiedliche Daten darauf gemapped hatte. Als Nebenprojekt zu dieser Diplomarbeit entwarf er ein Gerät und beschrieb dasselbe hardwartechnisch. Viele haben ihn damals für verrückt erklärt: Sowas würde in absehbarer Zukunft nicht möglich sein. Dabei eignete er sich damals schon vertiefendes Wissen an.
Über die Jahre hinweg intensivierte er dieses technische Wissen, so dass er schon recht konkrete Vorstellungen zu den Geräten vor Augen hatte. In den letzten fünf Jahren wurden diese Ideen konkreter, weil die aktuell verfügbare Technik, eine Realisierung möglich machten.
Wenn wir allerdings Geräte entwickeln, dann wollen wir welche bauen, die so nachhaltig wie möglich sind. Wir wollen nicht noch mehr Elektroschrott produzieren. Dass unsere Geräte nach zwei, drei Jahren entsorgt werden und die Leute dann möglichst ein neues haben wollen, kommt für uns nicht in Frage. Uns war klar: Wir wollen längere Produktzyklen, Ersatzteile und die Reparierbarkeit unserer Geräte gewährleisten.
Unterstützung von innen und außen fürs SHIFTPHONE
Nach und nach sind wir durch Anregungen von Supportern aus unserem Crowdfunding-Projekt zu dem Thema Fairness gekommen. Wir fingen an uns schlau zu machen, fragten nach, was faire Produktion tatsächlich heißt und suchten uns Partner, die uns unterstützten.
Dazu zählen NGOs aus China, sowie andere Projekte, wie „Die faire Maus“ von NagerIT, um Produkte besser und fairer zu machen. Ganz viele Anregungen von Kunden kamen dazu und gaben uns Hinweise, wie es noch fairer ging. Wir kamen in Kontakt mit dem Innovationsverbund für nachhaltige Smartphones, aus dem ganz vielen Partnerschaften resultierten.
Gerade sind wir an einem Punkt, an dem wir mit Instituten und Universitäten zusammenarbeiten, um unser Know-How weiter auszubauen. Das ist nicht nur spannend, weil wir gerne weiter lernen und unsere Produkte nachhaltiger und besser machen wollen, sondern weil die Kontakte zu den Menschen, die hinter diesen Projekten stehen, uns inspirieren. Auch die Begegnung mit euch als Familie, Rachel, ist für uns eine Bereicherung. Wir lesen deinen Blog total gerne. Nur so können wir gemeinsam was bewirken. Nur so können wir gemeinsam vorangehen und gute Lösungen für unsere Umwelt und unsere Mitmenschen finden.
Eine weitere wertvolle Begegnung in der letzte Zeit war die mit der Gemeinwohlökonomie oder dem fairlöten Projekt zum Beispiel, die uns einige Hinweise geben konnten, wie wir in unserer Lieferkette Probleme lösen und umgehen können. Ein weiterer Partner, der uns ungemein weitergeholfen hat, war der BGR (= Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe) , mit denen Carsten im Kongo war und Mienen besucht hat. Der BGR zertifizierte damals Mienen, die nicht von Rebellen geführt wurden.
Die Organisation missio ist ebenfalls ein ganz großartiger Partner. Missio wiederum hat im Kongo eine Partnerin, Thérèse Mema, die vor Ort ein Traumazentrum leitet und die wir dort kennenlernen durften. Sie kümmert sich um Menschen, die in den von Rebellen geführten Mienen gearbeitet haben, bietet ihnen eine Zuflucht und sorgt für medizinische sowie seelsorgerliche Hilfe.
All diese Kontakt trugen dazu bei, dass wir unser heutiges Wissen aufbauen konnten und auch weiterhin jeden Tag dazulernen.
Wie nachhaltig kann SHIFTPHONE tatsächlich sein?
Auf MamaDenkt geht es um ökologische und soziale Nachhaltigkeit. Sowohl der Abbau und die Gewinnung nötiger Seltener Erden als auch die Arbeitsbedingungen in der Produktion von Mobilgeräten generell stehen scharf in der Kritik und stimmen nicht mit nachhaltigen Zielen überein. Wie nachhaltig könnt ihr tatsächlich sein?
Was wir erkannt haben: Man kann keine 100%-ige Nachhaltigkeit von einem auf den nächsten Tag erzielen. Wir können nicht behaupten: Wir machen Smartphones fair und sie sind‘s. Das hat damit zu tun, dass die Lieferkette so lang ist und Produktgeheimnisse gehütet werden. Ist ja auch verständlich: Die Preisgabe von Lieferanten bedeutet immer, Produktgeheimnisse preiszugeben. Das macht natürlich kein Hersteller gerne – egal in welchem Land – und macht das Ganze schwierig zu durchschauen.
Wir für uns haben daher entschieden, dass wir in den Bereichen, bei denen wir den größten Hebel zur Veränderung finden, loslegen. Mit diesen Hebeln wollen wir verändern und unsere Produkte, wie z.B. das SHIFTPHONE, nach und nach fairer und besser machen.
Endfertigung
Der erste und auch größte Hebel, den wir entdeckt haben, ist die Endfertigung. Denn 80% der Arbeitsleistung, Vorgänge, bei denen Menschen an der Herstellung des Smartphones beteiligt sind, liegen in der Endfertigung. Das heißt, es ist ein Riesenhebel, an dem wir anpacken können, um unsere Smartphones fairer zu machen. Das haben wir getan, mit dem Fair Production Manifest und auch mit unserer eigenen kleinen Enfertigung.
Gerätepfand
Dann haben wir darüber nachgedacht, was sind die nächsten Hebel? Für die Nachhaltigkeit ist es wichtig, dass Geräte so lange wie möglich verwendet werden und nicht nach zwei Jahren in der Schublade verschwinden oder weggeworfen werden. Deswegen haben wir ein Gerätepfand eingeführt. Wir wollen unsere Geräte zurück haben, weil wir dann realisierein können, dass einzelne Bauteile weitergenutzt werden können. Zum Beispiel als Ersatzteile, um aus alten SHIFTPHONES neue machen zu können und sie auf dem Gebrauchtmarkt zu verkaufen. Das war für uns ein riesengroßer Hebel, denn jedes Smartphone, das nicht neu produziert werden muss, schont unsere Umwelt.
Upgrade
Es gibt Situationen, die uns als Smartphonenutzer dazu veranlassen, ein neues Smartphone haben zu wollen. Manchmal ist es so, dass auf alten Geräten manche Anwendungen, technologische Neuerungen nicht „laufen“. Das heißt für uns, dass wir unseren Kunden ermöglichen wollen, jederzeit ein Upgrade machen zu können. Der Kunde kann das Gerät einschicken, wir beurteilen den optischen und technischen Zustand sowie das Alter und der Kunde bekommt einen günstigen Upgradepreis auf ein neues Gerät. Wir kümmern uns im Anschluss um das alte Gerät, damit es nicht irgendwo verschwindet und Ressourcen verschwendet werden, sondern dass es im bestmöglichen Fall repariert und im Gebrauchtladen weiterverkauft wird. So ist es im Umlauf und geht an Nutzer, für die die jeweilige neue Anwendung nicht notwendig ist.
Reparierbarkeit
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Reparierbarkeit der Geräte selbst. Wir haben von Anfang an darauf geachtet, dass trotz schlankem und hübschem Design der Akku schnell wechselbar ist. Wir haben den Kunden eingeräumt, dass sie nicht die Garantie auf ihr SHIFTPHONE verlieren, wenn sie diese selber öffnen und reparieren. Außerdem stellen wir Originalersatzteile vom Hersteller zur Verfügung. Damit können wir fürs Thema Nachhaltigkeit etwas tun und schnell und einfach Entscheidungen als Firma treffen.
Wir müssen natürlich Strukturen dafür schaffen. Doch letztenendes geht es um Entscheidungen, die wir als Firma treffen wollen oder eben nicht.
Recycling
Ein weiterer Punkt, der uns wichtig ist, ist das Thema Recycling. Wenn es zum Ende eines Lebenszyklus eines unserer Smartphones kommt, dann wollen wir, dass die Geräte gut recycled werden. Deshalb haben wir bei den von uns verwendeten Kunststoffen darauf geachtet, dass sie zu 100% recycled werden können.
Das ist für uns ein Grund, warum wir das Gerätepfand für das SHIFTPHONE eingeführt haben. Denn nur so können wir Einfluss darauf nehmen den Kunststoff sortenrein zu recyclen und die Teile an entsprechende Recycler weiterzugeben, um neues Material zu gewinnen. Es besteht auch hier noch sehr viel Potential, das wir noch nicht gänzlich ausgeschöpft haben, um noch bessere Materialien zu finden. Für die ersten Schritte waren die von uns gewählten Materialien sehr gut, weil sie für uns handhabbar und recyclebar sind. Gerade Kunststoffe für Smartphones müssen stabil, haltbar und formbar sein, genauso abriebfest und gut zu verarbeiten.
Das SHIFT 6m
Beim SHIFT 6m handelt es sich um unser neuestes Produkt. Ich freue mich total darauf, weil ich seit einigen Tagen einen Prototypen in der Hand halte, den ich ausprobieren und testen kann. Es ist ein unglaublich cooles Gerät, bei dem wir nochmal verstärkt darauf geachtet haben, dass es noch besser reparierbar ist.
Uns war wichtig ein Gerät zu entwickeln, das High-End-Komponenten besitzt. Ein Gerät, das außerdem modular aufgebaut ist. Durch dieses modulare Konzept kann der Kunde das Gerät selber reparieren, öffnen und mit nur wenigen Schrauben das Display tauschen. Das hat mich absolut begeistert.
Das Gerät wird weiterhin einen sehr einfach zu wechselnden Akku (4240 mAh) haben.
Wir tun einiges, um nachhaltig zu sein. Aber es ist immer noch eine Entwicklung und das ist uns ganz wichtig. Unsere Kunden sollen wissen, dass wir offen sind für Ideen und Rückmeldungen von ihnen, genauso wie von Menschen mit anderen Projekten und Unternehmen, so dass wir uns gegenseitig mit Erfahrungen bereichern können.
Das waren jede Menge Informationen zu dem, was euch, eure Arbeit und eure Produkte, vor allem euer SHIFTPHONE ausmacht. Ich bin fasziniert davon, wie konsequent und authentisch ich eure Werte in der Entwicklung, Umsetzung und Produktion wiederentdecke.
Vielen Dank Samuel!
Ihr, liebe Leser, wenn ihr die ersten beiden Teile der Interview-Reihe bislang verpasst habt, könnt ihr hier mehr zur Entstehung von SHIFT nachlesen und euch hier von Samuel erzählen lassen, welches die Werte von SHIFT sind und wie sie praktisch umgesetzt werden.
Kommende Woche könnt ihr hier im Blog Samuels Antworten zu euren konkreten Fragen nachlesen. Wenn ihr noch welche habt, hinterlasst sie gerne als Kommentar. Fragt nach und kommt mit uns ins Gespräch.
Wir freuen uns über eure Gedanken und den dahinterliegenden Erfahrungsaustausch.
Hallo,
Danke für all die Infos. 2 Fragen zu eurer Endfertigung:
1. Ihr schreibt, dass 80% der menschlichen Arbeitsleistung in der Endfertigung liegen. Wie kommt ihr darauf/ wie habt ihr das berechnet?
2. Ich wurdet ja schon öfter gebeten, euren Hersteller zu nennen und Besuche bei diesem zuzulassen. Beides habt ihr bisher verweigert. Warum? Wie können wir uns ein Bild machen, wie fair die Produktion ist, wenn kein externer Besucher das überprüfen darf? Fabriken haben in der Regel kein Problem damit , besichtigt zu werden, so geheim ist die Montagetechnik ja nicht :-)
Gebt doch bitte euren Hersteller preis, damit eure Glaubwürdigkeit nicht leidet. Das wäre wirklich hilfreich und im Sinne der Fairen IT.
Danke für eine Antwort und viele Grüße, Susanne
Hallo Susanne,
die Fragen aus deinem Feedback haben mich auch interessiert. Daher habe ich sie einfach mal an Carsten (SHIFT-Gründer) weitergeleitet. Hast du selbst mal den Kontakt zu SHIFT gesucht? Carsten und Samuel sind eigentlich sehr gut zu erreichen und halten nach meiner Einschätzung wichtige Informationen wie die von dir geforderten nicht zurück. Hier Carstens Antworten:
Zu 1: Die Bestückung der Hauptplatine und Herstellung der meisten anderen Komponenten wird hauptsächlich maschinell/von Bestückungsautomaten durchgeführt. In der Endfertigung kommen dann alle Teile zusammen. Dieser Bereich ist nur schwierig automatisierbar und wird daher von Menschenhand ausgeführt.
Zu 2: SHIFT hat in der Vergangenheit immer wieder die wichtigsten Partner genannt und auch Besuche zugelassen. Unsere Fertigung kann gerne besucht werden. Es werden Audits, Workshops und Interviews in Kooperation mit TAOS durchgeführt. Aktuell arbeitet PRO7 an einem Bericht über SHIFT für galileo. Auch hier wird unsere Fertigungsstätte besucht, um den Zuschauern Einblick in unsere fairen Produktionsbedingungen zu gewähren. Unser aktueller Hersteller sind wir selbst: HANGZHOU SHIFT TECHNOLOGIES CO., LTD. Unser früherer Haupt-Fertigungspartner hieß Greenpal Electronics (in Shenzhen). Auch das wurde mehrfach kommuniziert und transparent gemacht. Auch bei Greenpal haben wir Schulungen und Audits mit TAOS durchgeführt.
Aktuell arbeitet ein kleines Team an der Neu-Erstellung unseres SHIFT-Reports, den wir – im Sinne der Transparenz – umfassend mit Nachweisen und Zertifizierungen ausstatten möchten. Eine umfangreiche ‚Transparenzmachung‘ ist aber immer auch eine wesentliche zeitliche Komponente, der wir als kleines Familienunternehmen unbedingt nachkommen wollen, was aber leider nicht immer so schnell funktioniert wie gewünscht.
Danke Manuel! Ich hatte Carsten tatsächlich schön öfter direkt danach gefragt, aber nie Infos bekommen. Auch Heise hatte kein Glück, ebenso andere Partner. Umso schöner, jetzt die Infos zu den Fertigungsstätten zu lesen. Danke für dein Vermitteln!
Leider findet man keine Infos zu den angegebenen Herstellern im Netz, weder zu HANGZHOU SHIFT TECHNOLOGIES CO., LTD, noch zu Greenpal Electronics. Haben die eine Homepage? Oder gibt es sonst irgendwelche Infos?
Von der Kooperation mit TAOS hatte ich schon gehört, aber nirgends ist ein Bericht o.ä. dazu einsehbar. Gibt es irgendwo einen Link dazu? Das würde ohne großen Aufwand die Glaubwürdigkeit sehr erhöhen.
Zum Thema Arbeitsleistung/ Handarbeit: Sicher spielt Handarbeit in der Endmontage eine große Rolle. Zählt man die Arbeit aller Beteiligten in allen Betrieben der Lieferkette (Bauteilfabriken, Minen) zusammen, summiert sich das aber doch sicherlich zu mehr als 20% der Gesamtarbeitsleistung, oder? Wenn man überlegt, wie viele Bauteile in so einem Gerät verbaut sind, dazu die Vorbauteile, die ganzen Erze, die Arbeit in den Schmelzen… Es hätte mich interessiert, wie diese Zahl „80%“ zustande kommt, ob sie berechnet oder eher aus dem Bauch heraus geschätzt wurde.
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Hallo!
Shift hat am 10. Mai einen „Wirkungsbericht“ veröffentlicht. Ich habe ihn mir durchgelesen und meine Meinung unter https://fairloetet.de/shift-wirkungsbericht-2019/ gebloggt.
Viele Grüße,
Sebastian
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