Darum geht es heute. Ich habe Alex vor zwei Wochen gefragt, wie sie sich eine perfekte Welt ausmalt. Was gehört auf jeden Fall dazu? Worauf kann sie gut verzichten? Wie sieht ihr Utopia aus? Wie sieht dein Utopia aus?
„Ja, wie würde mein perfekter Tag in einer nahezu perfekten Welt wohl aussehen? Eine gute Frage, oder? Und eine neue Frage der Nachhaltigkeit, die mir sehr viel Raum gibt für meine ganz persönliche Fantasiewelt, für mein ganz eigenes Utopia. Selten hab ich mich so darauf gefreut eine Antwort zu finden, denn wann hat man schon mal Gelegenheit dazu all seine Wünsche für die Zukunft zu formulieren und zu Papier zu bringen? Nicht allzu oft, das steht fest. Und genau deshalb will ich gleich loslegen mit der Geschichte eines perfekten Tages in meinem Utopia. Seid ihr dabei? Und sie beginnt, wie soll es auch anders sein, mit dem Aufstehen…
Guten Morgen allerseits.
Die Sonne glitzert bereits durch die Jalousien unseres Schlafzimmers und weckt uns sanft aus unseren Träumen. Ist das nicht wunderbar, wenn so ein Tag ganz entspannt beginnt? Ich kann mich noch gut daran erinnern, als das noch anders war. Jeden Morgen läutete uns der Wecker aus den Betten und hektisch versuchten wir dem Zeitplan hinterher zu rennen. Schlecht gelaunt und ohne Erfolg. Für Eulen wie uns war das immer die schlimmste Zeit des Tages. Der Morgen. Gott sei Dank ist das lange vorbei. Wir alle haben seit einigen Jahren die Freiheit nach unserer inneren Uhr zu leben. Und das ist das Beste, das uns passieren konnte, denn endlich starten wir den Tag nicht mehr mit einem Kampf. Dazu kommt noch das bedingungslose Grundeinkommen, das viel Druck aus unser aller Alltag genommen hat. Teilzeit zu arbeiten ist kein Makel mehr. Im Gegenteil. Mittlerweile arbeiten die Meisten in Teilzeit und engagieren sich zusätzlich noch aktiv für die Gemeinschaft. Wir alle haben wieder Zeit Dinge selber zu machen, Fertigkeiten und Erzeugnisse miteinander zu tauschen und als Nachbarn, als Viertel oder als Kommune zusammen zu wachsen.
Leben, lernen und schaffen statt sinnlosem Über-Konsum ohne jede Wertschätzung.
Wer einmal sein Gemüse selbst angebaut, seine Hose selbst genäht oder ein Regal mit den eigenen Händen gezimmert hat, dem ist wahrhaft bewusst wie viel Mühe und Herzblut hinter jedem noch so kleinen Ding in unserem Leben steckt. Essen einfach in der Mülltonne oder Alltagsgegenstände mal schnell im Container zu entsorgen ist so quasi unmöglich geworden, denn Wertschätzung ist der Schlüssel zu bewusstem Konsum. Aber ich schweife ab…
Zeit fürs Frühstück.
Alle zusammen sitzen wir auf dem Balkon unserer kleinen Stadtwohnung und genießen die Ruhe. Ja, ihr habt richtig gelesen. Stadtleben, Ruhe und gute Luft sind schon lange kein Widerspruch mehr. Noch so etwas, das sich stark verändert hat. Zum Positiven. Städte und Kommunen haben ihre Flächen durch gezielte städtebauliche Eingriffe wieder in einen Lebensraum verwandelt.
Platz, Grün und Gemeinschaft statt Individualverkehr, Straßen und zubetonierter Parkplätze.
Autos wie früher sind im Innenstadtbereich selten geworden. Dafür fahren jetzt alle Fahrrad oder E-Bike. Selbst im ländlichen Bereich wird eine neue Art der Mobilität spürbar, denn es wurde massiv in den öffentlichen Nahverkehr und in die Bahn investiert. Außerdem wurden mit Erfolg die Innenstädte wiederbelebt. Selbst Mini-Ortschaften haben jetzt wieder einen kleinen Laden, der die meisten Grundbedürfnisse deckt. Wer braucht da noch ein eigenes Auto für den Einkauf im Gewerbegebiet am Ortsrand? Spaß hat das doch sowieso niemandem gemacht, oder?
Apropos einkaufen. Genau das ist jetzt mein nächster Programmpunkt. Aber nicht in einen Gewerbepark. Die gibt es ohnehin kaum mehr. Wir haben, wie viele andere, das Glück, das wir einen kleinen Laden direkt um die Ecke haben. Einen kleinen familiengeführten Bio-Laden mit allem was das Herz begehrt. Natürlich ohne Plastikverpackungen, die wurden nämlich mit so hohen Steuern belastet, dass sich die Hersteller sehr schnell neue und ökologischere Verpackungen überlegt haben. Manchmal braucht es eben nur die richtigen Anreize, oder? Das Meiste im Laden stammt aus der Region, oft sogar direkt aus der Nachbarschaft. Überall in Utopia wird nämlich gegärtnert und selbst auf kleinstem Raum sind in kürzester Zeit Mini-Felder und Plantagen an die Stelle von Parkplätzen gerückt.
Warum sollte unser Essen denn immer von weit weg kommen?
Schließlich macht es doch Riesen-Spaß für seine Lebensgrundlage selbst zu sorgen. Nicht nur mit dem Geld, das man verdient, sondern auch mit Lebensmitteln, die unter der eigenen Hände Arbeit gewachsen sind, oder? Darüber haben wir uns früher nie Gedanken gemacht. Wir steckten so tief in unserer 40 Stunden Plus Tretmühle und hatte weder Zeit noch Energie für den Blick über den Tellerrand. Heute ist das anders. Wir haben die Freiheit mitzugestalten und in unserem Falle bedeutet das, dass wir uns in einem Urban Gardening Projekt engagieren. Wir sind zum Teilzeit-Gemüsebauern geworden. Wer hätte das gedacht? Und das mitten in der Stadt.
Heute Mittag gibt es zum Beispiel frischen selbst gezogenen Spinat, Sellerieschnitzel und frische Erdbeeren aus dem ehemaligen Grünstreifen vor unserem Mietshaus.
Ich LIEBE unser neues Leben in unserer Lieblingsstadt. Und mittlerweile kann ich mich schon kaum mehr an die Zeit davor erinnern. Als alles noch doppelt und dreifach in Plastik verpackt war und die Müllabfuhr noch jede Woche kommen musste. Heute entstehen hauptsächlich kompostierbare Abfälle und den Großteil davon verarbeitet jeder selbst zu wertvollem Düger für die Beete. Und genau die sind jetzt auch meine Nachmittagsbeschäftigung. Die und unsere Bienenstöcke, die wir als Hobbyimker betreuen dürfen. Später treffen wir uns dann noch mit Freunden zum Grillen und lassen den Tag ganz gemütlich ausklingen.
Mein perfekter Tag in Utopia. Mit regionalen Kreisläufen und Gemeinschaft zu mehr Nachhaltigkeit im Alltag.
Oh, wäre das nicht schön? Wer weiß liebe Rachel. Vielleicht werden wir es noch erleben, das ein paar dieser Fantasien den Weg aus Utopia zu uns finden. Bis dahin heißt es durchhalten und weiter Tag für Tag für unsere Träume einzustehen und AUFzustehen. Und laut zu werden für die Zukunft, die wir uns wünschen. Es gibt keine Ausreden mehr!
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Eigentlich wollte ich dich ja zu eurem Wasserverbrauch befragen. Vor allem zu eurem virtuellen Wasserverbrauch. Jetzt bin ich aber doch ECHT neugierig geworden wie dein Utopia aussehen würde. Du hast also für unsere Frage der Nachhaltigkeit #16 die Qual der Wahl und darfst frei entscheiden. Und ich bin, wie immer sehr gespannt auf deine Antwort meine liebe Rachel…
Gruß und Kuss aus München (leider noch nicht aus Utopia)“
Das war unsere Frage der Nachhaltigkeit #15. Ihr würdet gerne die ein oder andere Frage der Nachhaltigkeit nachlesen? Dann schaut mal hier.
Hier findet ihr, wieso mich manchmal die Frustration ergreift, wieso ich die Welt retten will. Es ist nicht so, dass ich nicht wüsste, dass Nachhaltigkeit schwer bis ins Letzte umzusetzen ist. Das erfahrt ihr hier. Aber es lohnt sich. Das beschreib ich euch dann in zwei Wochen auf Alex Blog.
So eine Gemeinschaft kann man durchaus gründen. Heute hier und jetzt. Gibt auch schon welche.
Das Problem ist Leute zu finden, die das durchziehen und einen Platz zu finden, an dem man das bezahlen kann.
Das ist ganz ähnlich unserer (@rage) Banke-Idee von vor ein paar Jahren in den Blogposts.
Das Commitment bei genug Leuten zu finden ist sicher das härteste. Und dann kommt noch der Platz, den es irgendwo geben muss.
Sowas braucht man in München nicht anfangen. Viel zu teuer. Irgendwo in der Pampa ist auch schwierig – zu wenig Arbeit.
Ergo: Wann fangen wir an, und wo kann ich mitmachen?
Ich denke so oft an diese Ideen zurück, @maybee! Endlich haben wir einen gebrauchten Anhänger im Garten stehen, können den Garten sogar betreten ohne in einem Sumpfloch stecken zu bleiben.
Ich bin auch dabei. Aber vermutlich am falschen infrastrukturellen Ort?
yeah cool, ich mache mit!
Ja super! Dann sind wir jetzt schon zu… viert? Plus Anhang? :D
Danke für den tollen Artikel!
Nachhaltigkeit ist ein so enorm wichtiges Thema, welches viele Leute komplett unterschätzen. Die Nachteile liegen eigentlich auf der Hand…
Aber es gibt so viele Vorteile, denn z. B. selbst gezogenes Gemüse schmeckt einfach viel viel besser. Ich mahle sogar meine Körner und Getreide selbst…
Eine echte Gemeinschaft anstatt Utopia wäre klasse!
Liebe Lea, wie recht du hast! Mein Daumen gibt das noch nicht her. Aber das Gemüse von der Bekannten ist einfach viel, viel besser als jedes Obst- und Gemüsestück aus dem Supermarkt…
Eine echte Gemeinschaft! Das wärs!
Oh, ich bin SOOOOOO bei euch. Wir wäre zu viert ;-)! Ich freue mich gerade wahnsinnig über all eure Kommentare und Gedanken zu „meinem“ Utopia. Und anscheinend bin ich dort jetzt auch schon nicht alleine. Zumindest im Geiste.
Und solange die große Idee noch zu weit weg ist müssen wir eben alle bei uns vor Ort die Gemeinschaft und Liebe leben und stärken.
Fühlt euch gedrückt
Eure Alex
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