Geschichten aus dem Leben. Die kann mein Mann gefühlt viel besser in Worte fassen als ich. Dabei heraus kam zuletzt dieser Text zu unserem Umgang mit dem Auto und dem Planeten auf dem wir leben. Es geht um Umwelt, ums Fahrrad fahren und nichtzuletzt unser Leben in einer Gesellschaft, die gerne eine Schlafmaske auf den Augen trägt. Aber lest selbst.
Freitag Morgen. Ein Morgen wie jeder andere. K1 und ich stehen auf und kümmern uns darum, dass er den Schulbus bekommt. Kurz darauf tappert K3 verschlafen ins Esszimmer und wir tun alles dafür, dass er den Bus zum Kindergarten nicht verpasst. Auch Mama und K2 sind mittlerweile unter den Lebenden, kurieren aber ihren Magen-Darm-Infekt auf unserer roten Familien-Couch aus. Achtung, es geht um Umwelt!
Die Umwelt auf der Strecke
Ich beschließe schnell in den Ort zu fahren, die Post wegzubringen, den Kranken etwas leicht Bekömmliches zu besorgen und ein paar ergänzende Dinge für die nächsten Mittagessen einzukaufen. Auf dem Weg aus unserem beschaulichen Hunsrückdörfchen hinaus, überhole ich unsere Nachbarin. Es verwundert mich nicht, dass sie bei Schnee, Minusgraden und stellenweise sicher auch glatten Fahrbahnen, auf ihrem Fahrrad sitzt. Denn eigentlich, sehe ich sie ausschließlich auf dem Fahrrad. Ja, sie hat auch ein kleines rotes Auto. Aber das bewegt sie – so vermute ich zumindest – nur dann, wenn die Wetterverhältnisse anzeigen, dass uns jeden Moment der Himmel auf den Kopf fallen wird.
… bleibt auf der Strecke
Ich bin keine hundert Meter an ihr vorbei und schon ärgere ich mich. Warum kann ich es ihr nicht gleichtun? Einfach zurückfahren, eine Tasche suchen, raus aufs Rad und zack. Schnell wird mir klar, dass das meinen Zeitplan rücksichtslos sprengen würde. Die Erledigungen mit dem PKW zu tätigen, kostet mich eine halbe Stunde. Das gibt mir im Anschluss Zeit für ein wenig Hausarbeit und zwei knappe Arbeitsstunden, bevor K1 und K3 aus Schule und Kindergarten zurückkehren. Mit dem Fahrrad zu fahren hätte bedeutet, dass ich vermutlich zeitgleich mit K1 und K3 Zu Hause gewesen wäre. Ohne Hausarbeit, ohne Arbeitszeit.
Von Alternativen und Voraussetzungen
Also verzichte ich auf das sehr viel gesündere und umweltbewusstere Fahrradfahren, weil mein streng durch-getakteter Zeitplan diese Variante schlichtweg nicht zulässt oder mich in Alternativen zwingt (bspw. die verlorenen Arbeitszeiten nachts nachzuholen), die weitaus anstrengender sind. Und hier wird mir bewusst, dass die Aspekte diverser Umwelt- und Klimaschutzdebatten oft nicht die Ursache fehlender technischer Voraussetzungen, sondern vielmehr auf fehlende gesellschaftliche Veränderungen zurückzuführen sind.
Ein Beispiel
Beispiel: Ich mag es wirklich sehr, mich fortzubewegen. Jedoch frustriert mich die zunehmende Debatte rund um Verbrenner- oder Elektromotoren. Beide Varianten scheinen keine wirkliche Alternative zur Rettung des Planeten zu sein. Was allerdings einen Rettungsplan vorantreiben würde, wäre eine Lösung dafür, dass ich weder Verbrenner-, noch E-Motor nutzen, sondern ausreichend Zeit dafür hätte, meine Besorgungen zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigen zu können.
Lösungen hierfür gibt es bereits. Spontan fällt mir die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens ein, das es mir theoretisch ermöglicht eine geringere Arbeitsstundenzahl mit meinem Arbeitgeber zu vereinbaren, um die eingesparte Zeit in Gesundheit und umweltbewussteres Fortbewegen zu investieren. Sozusagen eine Win-Win-Win-Situation. Es gewinnt die (Um)Welt, meine Gesundheit, der Staat (gesündere Menschen, bessere Klimabilanzen).
Solange allerdings nicht wir diejenigen sind, die diese Bedürfnisse äußern und einfordern, wird es seitens Wirtschaft und Politik keine Veränderungen geben. Dummerweise signalisieren wir, dass wir uns gerne um jede Arbeitsstunde reißen, um unsere Häuser abbezahlen, das dritte neue Auto in den Hof stellen oder den nächsten Südseeurlaub finanzieren zu können. Einmal mehr wird mir klar, dass der Masterplan für die Rettung unseres Planeten oder die Bewahrung dieser so kostbaren Schöpfung in unseren Händen liegt. Das wir im Einzelnen die Veränderung sein müssen, die andere inspiriert, begeistert und mit gutem Beispiel voran geht.
Es ist kurz vor 12
Kurz vor zwölf. Am Vormittag haben sich weitere Dinge ergeben, die dringend auf den Postweg gebracht werden müssen. Ich starte erneut das Auto und brumme in die Stadt. Praktisch: Auf dem Rückweg hole ich Schul- und Kindergartenkind am Kindergarten ab, dann müssen sie nicht mit dem Bus zurück, der heute, dank 4-Stunden-Schultag zwecks Zeugnisvergabe, ohnehin übervoll sein wird. Auf dem Weg aus unserem beschaulichen Hunsrückdörfchen kommt mir eine Fahrradfahrerin entgegen. Natürlich ist es besagte Nachbarin. Ich winke freundlich, fahre extra langsam und lasse ihr auf der schmalen Straße viel Platz, um sie in ihrem umweltbewussten und gesunden Fortbewegen nicht zu gefährden.
Hundert Meter weiter spüre ich erneut aufsteigenden Ärger. Ich wünsche mich kurz vors Rentenalter mit erwachsenen und selbständigen Kindern, um meinen Alltag endlich ebenso gesund und umweltbewusst gestalten zu können, wie die geschätzte Person auf dem Zweirad. Doch dann besinne ich mich eines Besseren, bin unglaublich dankbar für unsere familiäre Situation und beschließe, mich am Nachmittag zu den anderen auf die rote Familiencouch zu setzen, nach vielen Monaten wieder einen Blogartikel zu schreiben und darüber nachzudenken, wie wir dieses Jahr endlich einen Urlaub ganz ohne Auto und stattdessen mit den Fahrrädern verbringen können.
Weitere Lektüre zum Thema findest du zum Beispiel in einem der letzten Blogartikel zum Klimawandel, hier.
Oder auch hier, wenn es um die Frage geht, wie nachhaltiger Konsum überhaupt aussehen kann?
Könnten wir nicht alle viel mehr Fahrrad fahren und uns einsetzen für ein funktionierendes Mehrwegboxensystem, ohne uns dagegen zu wehren? Bäume würden Fahrrad fahren und Plastik meiden.
Nahezu jeder Gedanke, der im Text geäußert wurde, rotiert bei vielen meiner Autofahrten in meinem Kopf. Ich finde keinen wirklichen Ausweg für mich und das macht mich traurig. So gerne würde ich auf den Wagen verzichten, aber mit Familie und Job ist es einfach nicht machbar derzeit. Die Zeit, das Geld….und unsere Zukunft? Der Artikel fasst das Dilemma in passende Worte. Danke dafür.
Nachhaltig Leben kostet Zeit. Ich nutze, wo es geht, mein Ebike. Wegen meiner vier Kinder, die alle immer irgenwohin müssen und dem Arbeitweg (16 Kilometer mit Junior im Hänger an drei Tagen), bis zu 35 Kilometer am Tag auf dem Rad. In der Stadt bin ich damit schneller als mit dem Auto. Übers Land ins Nachbardorf zur Arbeit brauche ich deutlich länger. Das bedeutet einen erheblicher Zeitaufwand. Letztendlich spare ich die Zeit wieder ein, indem ich die Messlatte für den Haushalt deutlich runtergeschraubt und Rasenmähen zu allgemeinen Blödsinn erklärt habe. Das kostet Überwindung, jeden Tag. Und Diskussionen mit den Kindern, die haben nicht immer Bock zum Radfahren. Das Ebike läuft übrigens auch erst nach 7000 Dienstkilometer CO2-neutral – die sind bald erreicht.
Tja es stellen sich viele Fragen zu diesem Thema un d was kann ich tun, jeder sollte wirklich für sich entscheiden was möglich un d sinnvoll ist un dnicht nur darauf verweisen, dass man alleine nichts bewirken kann.
Ich habe neulich in einem TedX Talk zum Thema Zeitmanagement den Satz „If you don’t have time it‘s not a priority.“ gehört. Leider wahr. Sag ich mir jetzt auch immer wieder beim prokrastinieren. So wichtig dir die Umwelt zu sein scheint, gibt es wohl viele andere Dinge, die wichtiger sind.
Liebe Rachel, das klingt echt zerrissen, also wüsstest Du, was Du möchtest und könntest es aber nicht umsetzen. Schwierig! Ich wohne auch relativ isoliert in einem wunderschönen Kaff ohne Öffis. Noch dazu mit Hügeln, die das Radeln nicht einfacher machen. Aber! Es gibt ja auch E-Bikes. Auch LastenE-Bikes. Hast Du darüber schonmal nachgedacht? Ganz aufs Auto verzichten wird auf dem Land sicher schwierig sein. Aber darum geht es ja auch nicht, es geht um kleine Schritte, darum das Bewegung in die Sache komm. Und jetzt kommt ja der Frühling!
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